Flüchtlinge an griechisch-türkischer Grenze: Koalition will Flüchtlinge aufnehmen

Zwischen der griechisch-türkischen Grenze ist die Situation weiter angespannt. Tausende Migranten wollen nach Westeuropa und harren in der Kälte aus. Nun will die Koalition Flüchtlinge aufnehmen.

Die Lage der Geflüchteten auf der griechischen Insel Lesbos ist dramatisch. (Bild: Milos Bicanski/Getty Images)
Die Lage der Geflüchteten auf der griechischen Insel Lesbos ist dramatisch. (Bild: Milos Bicanski/Getty Images)

Das Wichtigste in Kürze:

  • Tausende Migranten harren bei Kälte auf der türkischen Grenzseite zu Griechenland aus

  • Koalition will Flüchtlinge aufnehmen

  • Türkei schickt 1000 zusätzliche Polizisten an Grenze zu Griechenland

  • Athen bleibt dabei: Griechenland hält seine Grenzen geschlossen

  • Griechische Sicherheitskräfte setzen Tränengas und Blendgranaten gegen Migranten an der türkisch-griechischen Grenze ein

Koalition will Flüchtlinge aufnehmen

Angesichts der Not der Flüchtlinge in Griechenland wollen Union und SPD besonders schutzbedürftige Kinder in Deutschland aufnehmen. Griechenland soll bei der «schwierigen humanitären Lage von etwa 1000 bis 1500 Kindern auf den griechischen Inseln» unterstützt werden. Es handelt sich laut dem Koalitionsbeschluss um Kinder, die schwer erkrankt oder unbegleitet und jünger als 14 Jahre seien. Auf europäischer Ebene werde derzeit verhandelt, um in einer «Koalition der Willigen» die Übernahme dieser Kinder zu organisieren. «In diesem Rahmen steht Deutschland bereit, einen angemessenen Anteil zu übernehmen», teilte die Koalition mit.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer geht davon aus, dass sich neben Deutschland noch weitere Länder einer entsprechenden europaweiten «Koalition der Willigen» anschließen werden. Es gebe Anzeichen dafür, dass sich noch weitere Länder beteiligen. Darunter sei augenscheinlich auch Frankreich. Daher sei sie sehr zuversichtlich, dass die «Koalition der Willigen» aus mehr als zwei Ländern bestehen werde, sagte sie im Deutschlandfunk.

Das Bündnis geht auch auf die Kämpfe im syrischen Idlib ein. Dringend benötigte humanitäre Hilfe müsse vor Ort gebracht werden - Deutschland habe aktuell 125 Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt. SPD-Chefin Saskia Esken zeigte sich auf Twitter «froh», dass Deutschland sich nun an einer EU-Koalition der Willigen angemessen beteiligen werde.

Koalitionsausschuss berät über Flüchtlingsaufnahme

Die Spitzen der großen Koalition kommen am Sonntagabend im Bundeskanzleramt zusammen, um über eine Vielzahl von Themen zu beraten. Unter anderem soll es um die Reaktion auf die Geschehnisse an der türkisch-griechischen Grenze und eine mögliche Aufnahme von Flüchtlingen gehen.

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans mahnte im “Interview der Woche” des Deutschlandfunks rasche Unterstützung für Kinder in den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland an. Der Beauftragte der Bundeskanzlerin für die Deutsch-Griechische Versammlung, Norbert Barthle, sagte der dpa, die Sicherung der EU-Außengrenze in Griechenland sei “Priorität Nummer eins”: “Nur wenn wir die Außengrenzen sichern können, haben wir die Garantie, dass sich 2015 nicht wiederholt.” Am Montag kommen Politiker und Unternehmer in Berlin zu einer deutsch-griechischen Wirtschaftskonferenz zusammen. Erwartet werden auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis.

Türkische Küstenwache soll Migrantenboote stoppen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Küstenwache seines Landes angewiesen, Boote mit Migranten an der Überfahrt nach Griechenland zu hindern. Auf "Anordnung des Präsidenten" werde keine Erlaubnis zum Überqueren der Ägäis mehr erteilt, teilte die Küstenwache am Freitagabend im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Zur Begründung verwies sie auf die "Gefahren" der Überfahrt.

Die Küstenwache stellte zugleich klar, dass das neue Vorgehen in der Ägäis keinen Kurswechsel in der Flüchtlingskrise darstelle. Die Türkei hindere weiterhin keine Migranten daran, das Land auf eigenen Wunsch zu verlassen. Die Anordnung beziehe sich nur auf die Überfahrten durch die Ägäis.

Deutsche Städte wollen Flüchtlingskinder aufnehmen

Sieben deutsche Städte fordern von der Bundesregierung Schritte zur Aufnahme von Kindern aus den griechischen Flüchtlingslagern. «Vor allem den Kindern, deren Eltern in vielen Fällen nicht mehr leben und die alleine in den Flüchtlingslagern untergebracht sind, soll nun sofort geholfen werden», heißt es in einem Appell der Oberbürgermeister, über den am Donnerstag das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete. Die gemeinsame Erklärung, die auch von dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) unterstützt werde, solle am Freitag bundesweit veröffentlicht werden.

An der griechisch-türkischen Grenze fordern Flüchtlinge: "Open the borders" ("Öffnet die Grenzen"). (Bild: Gokhan Zobar/Anadolu Agency via Getty Images)
An der griechisch-türkischen Grenze fordern Flüchtlinge: "Open the borders" ("Öffnet die Grenzen"). (Bild: Gokhan Zobar/Anadolu Agency via Getty Images)

Die Unterzeichner sind demnach neben Pistorius die Oberbürgermeister von Köln, Düsseldorf, Potsdam, Hannover, Freiburg im Breisgau, Rottenburg am Neckar und Frankfurt (Oder). Die Bundesregierung müsse handeln und es deutschen Städten ermöglichen, auf freiwilliger Basis vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Derzeit fehlten noch die rechtlichen Möglichkeiten dafür. Die Stadtoberhäupter - die SPD, CDU, Grünen, Linken oder keiner Partei angehören - verweisen auch auf das Bündnis «Städte Sicherer Häfen». Die darin zusammengeschlossenen 140 Städte hätten sich schon bereiterklärt, Flüchtlingen zu helfen. Pistorius sagte dem RND: «Es ist ein starkes Zeichen der Menschlichkeit, dass so viele Kommunen bereit sind, die Schwächsten der Schwachen aufzunehmen.»

Bundestag stimmt gegen Aufnahme von 5000 Flüchtlingen in Deutschland

Die große Koalition hat im Bundestag gegen die Aufnahme von 5000 schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Griechenland gestimmt - obwohl zahlreiche Sozialdemokraten einen entsprechenden Antrag der Grünen inhaltlich eigentlich weitgehend befürworten. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl erklärte bei der Plenardebatte am Mittwochabend, in dem Antrag stehe «viel Richtiges», er helfe jedoch in der jetzigen Situation nicht weiter. Notwendig sei stattdessen eine europäische Lösung.

Die Grünen hatten unter anderem gefordert, dass Deutschland 5000 unbegleitete Kinder, Schwangere, alleinreisende Frauen oder schwer Traumatisierte aus den griechischen Flüchtlingslagern aufnimmt. Außerdem sollten die griechischen Behörden humanitär und auch finanziell unterstützt werden. Bei einer namentlichen Abstimmung unterstützten nur 117 Abgeordnete diese Forderung, 495 Parlamentarier stimmten dagegen.

Viele SPD-Abgeordneten gaben jedoch eine persönliche Erklärung ab, in der sie betonten: «Ich bin für die Aufnahme von Geflüchteten im Rahmen einer europäischen Koalition der Vernunft.» Nur so könne den Betroffenen umfassend geholfen werden. «Eine Zustimmung zum Antrag der Grünen würde dies nicht erreichen.» Damit vermieden die Sozialdemokraten auch eine mögliche Koalitionskrise. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD schreibt nämlich ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Bundestag vor.

Bei der Union stießen die Forderungen der Grünen auf deutliche Ablehnung. Der CDU-Abgeordnete Alexander Throm warnte, ein deutscher Alleingang würde die Bemühungen um ein gemeinsames europäisches Asylsystem konterkarieren.

Türkei schickt 1000 zusätzliche Polizisten an Grenze zu Griechenland

Die türkische Regierung entsendet tausend zusätzliche Polizisten an die Grenze zu Griechenland. Diese sollten "verhindern", dass die griechische Regierung Flüchtlinge "zurückdrängt", die versuchten den Grenzfluss Evros zu überqueren, sagte Innenminister Süleyman Soylu am Donnerstag bei einem Besuch im Grenzgebiet. Bei den Polizisten handele es sich um vollausgerüstete Spezialkräfte.

Berichte über Toten an griechisch-türkischer Grenze: Athen dementiert

Türkische Berichte über einen toten Migranten und mehrere Verletzte durch Schüsse griechischer Grenzschützer haben eine neue Kontroverse zwischen Athen und Ankara ausgelöst. Athen dementierte entschieden. «Wo sie vorher von Verletzten sprachen, reden sie nun von Toten. Die fake news haben kein Ende, es gibt keinen solchen Vorfall mit Schüssen von griechischen Beamten», sagte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Athen. Auch Augenzeugen berichteten von Schüssen im griechisch-türkischen Grenzgebiet, es gibt Bilder von Verletzten aus dem Krankenhaus im türkischen Edirne.

In einer Mitteilung des Gouverneursamts der türkischen Grenzprovinz Edirne hieß es, dass durch Schüsse griechischer Grenzbeamter ein Migrant getötet und fünf weitere verletzt worden seien. Es handele sich bei den Opfern um Männer, zu ihrer Identität gebe es noch keine weiteren Informationen. Der Getötete weise einen Einschuss an der Brust auf. Die Oberstaatsanwaltschaft in Edirne habe Ermittlungen eingeleitet.

Eine dpa-Reporterin an der Grenze hatte am Vormittag zunächst mindestens drei, kurz darauf eine Serie weiterer Schüsse gehört. Danach sei ein Ambulanzwagen in hohem Tempo aus dem Grenzgebiet gefahren, berichtete sie.

Athen bleibt dabei: Griechenland hält seine Grenzen geschlossen

Tausende Migranten hoffen auf Einlass in die EU, doch Griechenland hält seine Grenzen geschlossen. Es werde von der Türkei aus keine Grenzübertritte geben, sagte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Dienstag in der Hafenstadt Alexandroupolis. «Griechenland kann nicht erpresst werden und lässt sich nicht erpressen.» An die EU gewandt sagte er: «Griechenlands Grenzen sind auch Europas Grenzen.» Als Zeichen der Solidarität mit der Regierung in Athen reiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an die griechische Landgrenze zur Türkei.

Im Nordosten Griechenlands wollte sich von der Leyen am Grenzposten Orestiada zusammen mit EU-Ratschef Charles Michel und dem Präsidenten des Europaparlaments, David Sassoli, ein Bild von der Lage machen. Von der Leyen hat sich entschieden hinter das harte Vorgehen Griechenlands gegen Migranten an der Grenze zur Türkei gestellt. «Diese Grenze ist nicht nur eine griechische Grenze, es ist auch eine europäische Grenze», sagte sie beim Besuch in Griechenland. Sie dankte dem Land dafür, in diesen Zeiten der «europäische Schild» zu sein.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußert sich in der Nähe der griechisch-türkischen Grenze zum harten Vorgehen Griechenlands gegen Migranten. (Bild: EU Council / Pool/Anadolu Agency via Getty Images)
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußert sich in der Nähe der griechisch-türkischen Grenze zum harten Vorgehen Griechenlands gegen Migranten. (Bild: EU Council / Pool/Anadolu Agency via Getty Images)

Auf der türkischen Seite der Grenze harrten Tausende Migranten aus, nachdem Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag verkündet hatte, die Türkei habe die Grenzen zur EU für Flüchtlinge geöffnet. Griechische Sicherheitskräfte nahmen in der Nacht zum Dienstag 45 Migranten fest, die illegal über die Grenze gekommen waren, wie der griechische Staatssender ERT berichtete. Die Menschen stammten demnach hauptsächlich aus Afghanistan, Pakistan, Marokko und Bangladesch. Darüber hinaus sei die illegale Einreise von mehr als 5000 Migranten verhindert worden.

Nach UN-Angaben harren Tausende von Migranten bei Kälte auf der türkischen Grenzseite zu Griechenland aus. Viele wollen weiterziehen. Griechische Sicherheitskräfte setzten mehrfach Blendgranaten und Tränengas ein, um Menschen zurückzudrängen.

Erdogan fordert von Merkel faire Lastenteilung bei Flüchtlingen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine faire Lastenteilung beim Thema Flüchtlinge gefordert. Erdogan habe darauf hingewiesen, dass die Last der Flüchtlinge und die Verantwortung für sie fair geteilt und dass internationale Verpflichtungen eingehalten werden müssten, hieß es in einer Mitteilung der türkischen Seite.

Erdogan hatte der EU zuvor offen mit einem neuen Massenandrang von Flüchtlingen gedroht. Seitdem Erdogan am Samstag verkündet hatte, dass die Türkei die Grenzen zur EU geöffnet habe, haben sich Tausende Migranten auf den Weg zur griechischen Grenze gemacht, wo sie jetzt bei Kälte auf türkischer Seite ausharren. Griechische Sicherheitskräfte setzten mehrfach Blendgranaten und Tränengas ein, um Menschen zurückzudrängen. Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.

Erdogan warf der EU vor, die Vorgaben aus dem Flüchtlingspakt von 2016 nicht vollständig erfüllt zu haben. In der Vereinbarung mit der EU hatte die Türkei eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan stellt Forderungen an Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Bild: Mehmet Ali Ozcan/Anadolu Agency via Getty Images)
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan stellt Forderungen an Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Bild: Mehmet Ali Ozcan/Anadolu Agency via Getty Images)

Bundesregierung warnt Migranten: Weg in die EU nicht offen

Die Bundesregierung hat Flüchtlinge und Migranten in der Türkei vor einem Aufbruch Richtung Europa gewarnt. «Wir erleben zurzeit an den Außengrenzen der EU zur Türkei, auf Land und zur See, eine sehr beunruhigende Situation. Wir erleben Flüchtlinge und Migranten, denen von türkischer Seite gesagt wird, der Weg in die EU sei nun offen, und das ist er natürlich nicht», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Auf die Frage, ob der Satz der Kanzlerin weiter gelte, dass sich 2015 nicht wiederholen werde, sagte er: «Der hat seine Gültigkeit.»

Griechische Polizei setzt Tränengas ein

Griechische Sicherheitskräfte haben am Montagvormittag abermals Tränengas und Blendgranaten gegen Migranten an der türkisch-griechischen Grenze eingesetzt. Hunderte hatten erneut versucht, die Grenze bei Kastanies zu passieren und nach Griechenland und damit in die EU zu gelangen, wie das griechische Staatsfernsehen (ERT) berichtete. Die Nacht zum Montag war dagegen relativ ruhig verlaufen.

Am Sonntag hatte die griechische Polizei allerdings bereits schwere Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt, um die Migranten am Übertritt zu hindern. Sie hatten nach Medien Steine und andere Gegenstände auf die Bereitschaftspolizei geschleudert.

Im Video: Ausschreitungen an der Grenze zur Türkei

Die griechischen Sicherheitsbehörden versuchen, einen neuen Migrantenzustrom aus der Türkei zu stoppen. In den vergangenen 24 Stunden seien 9877 Menschen daran gehindert worden, aus der Türkei auf dem Landweg nach Griechenland zu kommen, hieß es am Montag aus dem Büro von Regierungssprecher Stelios Petsas. Am Grenzübergang von Kastanies am Grenzfluss Evros kam es nach einer ruhigen Nacht am Vormittag erneut zu Ausschreitungen. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex will rasch auf das Hilfeersuchen Griechenlands wegen der Vielzahl von Flüchtlingen aus der Türkei reagieren.

In sozialen Medien kursierten Videos, die einen angeblich von einem griechischen Soldaten erschossenen Migranten zeigen sollen. Die Regierung in Athen wies die Darstellung zurück. Das Video sei «fake news», twitterte Regierungssprecher Petsas.

Lage an türkisch-griechischer Grenze spitzt sich zu

Griechenland hat angesichts des massiven Andrangs von Flüchtlingen nach der türkischen Grenzöffnung die höchste Alarmstufe ausgerufen. Unter anderem sollen die Patrouillen an Land und zu Wasser im Nordosten des Landes verstärkt werden, wie Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Sonntagabend nach einer Krisensitzung des nationalen Sicherheitsrats in Athen mitteilte.

Nach Einschätzung der EU-Grenzschutzagentur Frontex wird sich die Lage an der türkisch-griechischen Grenze nach einem Medienbericht in den kommenden Tagen stark zuspitzen.

«Es wird schwierig sein, den massiven Strom von Menschen, die sich auf die Reise gemacht haben, zu stoppen», heißt es in einem internen Frontex-Bericht, aus dem die «Welt» zitiert. «Darum ist kurzfristig in den kommenden Tagen noch ein Anstieg des Drucks zu erwarten - auch sogar in dem Fall, dass die türkischen Behörden handeln sollten, um Grenzübertritte zu verhindern.»

Nach der Ankündigung der Türkei, die Grenzen zur EU zu öffnen, versuchen Tausende Migranten, nach Westeuropa zu gelangen. Laut UN harren rund 13.000 Migranten bei Kälte auf der türkischen Grenzseite zu Griechenland aus. Unter ihnen sollen auch viele Kinder sein. Frontex setzte die Alarmstufe für alle EU-Grenzen zur Türkei auf «hoch». Zugleich verstärkte Griechenland seine Einheiten entlang der Grenze zur Türkei weiter. Die Regierung in Athen warf der Türkei vor, Migranten mit falschen Informationen dazu zu bewegen, nach Griechenland und damit in die EU zu kommen.

An der griechisch-türkischen Grenzen kommt es zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und Flüchtlingen. (Bild: Gokhan Balci/Anadolu Agency via Getty Images)
An der griechisch-türkischen Grenzen kommt es zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und Flüchtlingen. (Bild: Gokhan Balci/Anadolu Agency via Getty Images)

Griechenland wird einen Monat lang keine neuen Asylanträge annehmen

In dem Frontex-Bericht heißt es laut «Welt»: «Nachrichten in den sozialen Medien erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Massenbewegung von der Türkei aus hin zu den EU-Grenzen.» Griechenland wird einen Monat lang keine neuen Asylanträge annehmen. Das teilte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis auf Twitter mit. Außerdem gilt in dem Land für Sicherheitskräfte die höchste Alarmstufe. Diese gelte sowohl für das Militär als auch für die Polizei, teilte ein Regierungssprecher im Staatsfernsehen mit.

So reagieren Politiker auf die Situation

Bundesaußenminister Heiko Maas schrieb am Montagabend auf Twitter: «Wir sehen die Last, die die Türkei stemmt, aber sie muss ihren Verpflichtungen aus dem EU-Abkommen weiter nachkommen. Die EU leistet ihren Beitrag für eine würdige Versorgung von Geflüchteten.» Sein türkischer Kollege Mevlüt Cavusoglu erwiderte: «Welche Versprechen gegenüber der Türkei hat die EU gehalten, lieber Heiko Maas?» Er warf der EU vor, nicht einmal die Hälfte der vereinbarten sechs Milliarden Euro sei bei den Geflüchteten angekommen, die freiwillige Aufnahme bleibe aus.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) warnte in Wien vor schwerwiegenden Folgen, die ein Versagen des EU-Außengrenzschutzes in der neuen Migrationskrise hätte. «Wenn wir jetzt dem türkischen Druck nachgeben, wenn jetzt Präsident Erdogan der Sieger ist, der darüber entscheidet, ob Zehntausende Menschen die Europäische Union stürmen oder nicht, dann werden Hunderttausende nachkommen und das Europa ohne Grenzen nach innen wird Geschichte sein», sagte Kurz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wegen seines Umgangs mit Flüchtlingen harsch kritisiert. «Der türkische Präsident fühlt sich im Augenblick nicht ausreichend unterstützt», sagte Merkel am Montag in Berlin. Bei allem Verständnis sei es aber «völlig inakzeptabel, dass man das jetzt auf dem Rücken von Flüchtlingen austrägt. Denn die Flüchtlinge sind jetzt in eine Situation gebracht worden, dort an die Grenze zu gehen und im Grunde in einer Sackgasse zu landen».

EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas wird nach eigenen Worten an diesem Montag in Berlin sein. Er hatte am Wochenende eine baldige Sondersitzung der EU-Innenminister gefordert. Eine EU-Sprecherin erklärte, die Europäische Union sei in konstantem Kontakt mit den türkischen Autoritäten. «Das unerträgliche humanitäre Desaster in und um Idlib verlangt dringend, dass wir handeln.»

Der SPD-Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans setzt in der Lage in Syrien auf Diplomatie. Den Konflikt löse man nicht mit mehr, sondern mit weniger Militär. «Ein wichtiger Beitrag Europas dazu wäre es, den Druck auf die Konfliktparteien zu erhöhen, um die Lage zu deeskalieren, wie es Frankreich und Deutschland bereits begonnen haben, sagte Walter-Borjans der «Welt».

Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow reist an diesem Montag nach Ankara, um mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über die Lage in Syrien und Flüchtlingsbewegungen zu sprechen. Wie die bulgarische Regierung mitteilte, werden die beiden bei einem Abendessen «Handlungen erörtern, die zur Bewältigung der Krise in Syrien und zum Stopp des Migrationsdrucks beitragen werden».

Deutschland könnte nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, mehr Flüchtlinge aufnehmen. Sie sagte der «Saarbrücker Zeitung», es gebe viele Kommunen, die Kapazitäten hätten und bereit seien, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. «Das sollten wir nutzen.»

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, sieht inzwischen das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei auf der Kippe. «Solange Erdogan die Flüchtlinge nicht wie vereinbart in der Türkei unterbringt, darf die EU die zweite Tranche der Milliardenhilfen nicht weiter auszahlen und keine Verhandlungen über eine dritte Tranche beginnen», sagte Schmid der «Welt».

Wie es zu der Eskalation kam

Der Konflikt zwischen Syrien und dem Nato-Mitglied Türkei war am Donnerstag eskaliert, als bei einem Luftangriff in Idlib mindestens 33 türkische Soldaten getötet wurden. Die Türkei hatte mit Vergeltungsschlägen gedroht. Syrien könne es «auf die harte Tour lernen», sagte der türkische UN-Botschafter Feridun Hadi Sinirlioǧlu in einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Freitag. Ihm zufolge wurden bei dem Angriff 34 Soldaten getötet.

Die Türkei hatte dann nach Worten von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Syriens Provinz Idlib umfassende Angriffe gestartet. Dabei seien Anlagen zum Bau von Chemiewaffen sowie Luftabwehrsysteme und Landebahnen zerstört worden, sagte Erdogan am Samstag. Mehrere Ziele, darunter auch Waffendepots und Flugzeughangars seien «unter schweren Beschuss genommen und zerstört» worden, sagte Erdogan am Samstag in Istanbul. Mehr als 300 Militärfahrzeuge seien zerstört worden, darunter mehr als 90 Panzer.

Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in dem Bürgerkriegsland. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt islamistische Rebellen. Mit Russland als Schutzmacht der syrischen Regierung hatte sie ein Abkommen getroffen, um in Idlib eine Deeskalationszone einzurichten, und hatte dort Beobachtungsposten eingerichtet. Eigentlich gilt auch eine Waffenruhe. In den vergangenen Wochen waren Truppen der syrischen Regierung mit russischer Unterstützung weiter in dem Gebiet vorgerückt.

Mit den türkischen Angriffen spitzt sich der Konflikt drastisch zu. Zugleich wächst die Sorge vor einem Krieg des Nato-Mitglieds Türkei mit Syrien sowie dessen Schutzmacht Russland. Die EU hatte ein sofortiges Ende der Eskalation gefordert. Es gebe das Risiko einer «größeren, offenen internationalen militärischen Konfrontation», schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Freitag auf Twitter.

Dieses Flüchtlingsabkommen wurde 2016 zwischen Türkei und EU geschlossen

Die Türkei hat rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. In einem Flüchtlingspakt mit der EU von 2016 hat die Türkei eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Das Abkommen sieht zudem vor, dass die EU alle Flüchtlinge und Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land.

(Text: dpa, mit Ergänzungen von AFP)