Eine folgenschwere Ski-Tragödie
Die Nachricht, die keiner hören wollte, kam erst am frühen Abend, weil zunächst noch die Familie Abschied nehmen sollte.
Ulli Maier, teilte die Unfallklinik in Murnau dann gegen Viertel nach sechs mit, ist tot. Verstorben war sie Stunden zuvor. Was sich über ein paar Stunden wie ein Grauschleier über Garmisch-Partenkirchen gelegt hatte, war nun mit einem Mal traurige, schreckliche Gewissheit.
Eine 26 Jahre alte Mutter, zweimalige Weltmeisterin im Super-G - aus dem Leben gerissen, in der letzten Saison, in der sie es sich und allen noch einmal hatte beweisen wollen. Genickbruch. Nach einem Sturz, den damals, vor 30 Jahren, niemand für möglich gehalten hatte.
Er wurde ausgelöst durch neuartige, stark taillierte Skier, die bei den Rennläufern als der letzte Schrei galten, doch deren tödliche Gefahr sich erst an diesem 29. Januar 1994 offenbarte.
Ulrike Maier gewinnt schwanger WM-Gold
Als Ulli Maier an diesem Samstag um 13.58 Uhr mit der Startnummer 32 auf die Strecke ging, waren die Besten bereits im Ziel. Die Österreicherin gehörte nicht zur Abfahrtselite, sie hatte ihre Stärken im Riesenslalom sowie im Super-G, in dem sie 1989 in Vail Weltmeisterin geworden war: Damals war sie im dritten Monat schwanger gewesen. Als sie 1991 wieder WM-Gold gewann, wartete Tochter Melanie im Ziel auf dem Arm des Vaters.
Das Unglück mit ungewöhnlichem Unfallhergang geschah in der Traverse vor dem Zielhang. Bei Tempo 105 verschnitt es Maier den rechten Ski, sie stürzte entgegen aller bekannten Szenarien bergauf, prallte auf einen mit einem Strohballen abgedeckten Schneekeil, der den angesägten Pfosten für die Zeitmessanlage sichern sollte.
Durch die Wucht des Aufpralls und die Körperrotation wurden Halswirbelsäule und Rückenmark durchtrennt. Wer den Sturz in Zeitlupe sah, ahnte: Dieser Tag würde kein gutes Ende nehmen.
Morddrohungen gegen die Verantwortlichen
Am Tag nach dem Unfall stand Maiers Lebensgefährte Hubert Schweighofer an der Unfallstelle und schwor medienwirksam: "Die Herrschaften werden dafür bezahlen. Ich werde die Verantwortlichen der FIS verfolgen bis in die letzte Instanz."
Garmischs OK-Chef Hubert Ostler erhielt danach Morddrohungen, den Österreicher Kurt Hoch, Renndirektor des Internationalen Skiverbandes FIS, bewachten Personenschützer.
Ende April 1996 standen Hoch und sein Stellvertreter Jan Tischhauser aus der Schweiz in München wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht, der Prozess endete mit einem Vergleich: Beide zahlten umgerechnet je 5000 Euro an die Bergwacht in Garmisch, die FIS überwies an einen Fonds zugunsten von Melanie Maier umgerechnet 375.000 Euro. Der Vorsitzende Richter betonte: "Eine etwaige Schuld der beiden Angeklagten, falls sie festgestellt worden wäre, wäre gering gewesen."
Skier werden nach dem Sturz reglementiert
Ursächlich für den Sturz von Maier waren die damals immer stärker taillierten und mit immer höheren Bindungsplatten versehenen Skier. Nach dem tragischen Todesfall wurden die Skier reglementiert, außerdem die Sicherheitsvorkehrungen an den Strecken überdacht und massiv verstärkt. Seit der Saison 1994/95 müssen die Skirennläufer zudem eine Athletenerklärung unterschreiben, mit der sie bestätigen, Rennen auf eigenes Risiko zu fahren.
Die zahlreichen, oft mit schweren Verletzungen verbundenen Stürze, die es auch in der laufenden Saison gab, erinnern immer wieder daran, dass das Risiko kein kleines ist.
Ein Todesfall bei einem Weltcup-Rennen hat sich seit dem 29. Januar 1994 allerdings nicht mehr ereignet. Tote gab es dafür bei Trainingsfahrten oder Nachwuchsrennen: 2017 starben der Franzose David Poisson bei einem Trainingslauf in Kanada sowie auch der junge Deutsche Max Burkhart nach einem Sturz bei einem Rennen des Nordamerika-Cups in Lake Louise.
„Seinem Schicksal“, hat Ulli Maier einmal gesagt, „kann niemand entrinnen.“ Sie holte es viel zu früh ein.