Forscher zerstören den Mythos Mutter Teresa
Mutter Teresa, hinter diesem Namen verbirgt sich ein Mythos, den die katholische Kirche entscheidend mitgestaltet hat. Die nach ihrem Tod 1997 im Eilverfahren selig gesprochene Ordensschwester Agnes Gonxhe Bojaxhiu ist nach wie vor berühmt für ihre Wohltaten an den Schwachen und Kranken. Doch kanadische Wissenschaftler relativieren nun das Bild der Heiligen, das ohnehin schon angekratzt war: Die Nobelpreisträgerin soll das Leiden ihrer Schützlinge verklärt und die schlimmen Zustände in ihren 517 Missionen in Gottes Namen gerechtfertigt haben.
Die Liste der Vorwürfe an die Volksheilige ist lang. Serge Larivée und Genevieve Chenard von der Universität von Montréal und Carole Sénéchal von der Universität von Ottawa kritisierten „ihre zweifelhafte Art, sich um die Kranken zu kümmern, ihre fragwürdigen politischen Kontakte, ihr verdächtiges Management der enormen Summen, die sie erhielt, und ihre dogmatische Sichtweise besonders bezüglich Abtreibung, Verhütung und Scheidung.“ So werden auf der Webseite der Universität von Montréal die Ergebnisse der Studie zusammengefasst, die in der Märzausgabe des Magazins „Studies in Religion/Sciences religieuses“ veröffentlicht wird. Für sie haben die Forscher 96 Prozent der Literatur über Agnes Gonxhe, wie sie ursprünglich hieß, ausgewertet. Mutter Teresas schnelle Seligsprechung soll vor allem das Ergebnis einer orchestrierten Medienkampagne gewesen sein.
Als die Trägerin des Friedensnobelpreises 1997 starb, hatte sie 517 Missionen in mehr als 100 Ländern gegründet. Ärzte, die einige dieser Häuser in Kalkutta besucht haben, bemängelten den Forschen zufolge die zum Teil verheerenden hygienischen Zustände. Es habe zu wenig Behandlung, falsches Essen und keine Schmerzmittel gegeben. Ein Drittel der Kranken, die in den Missionen Hilfe suchten, seien gestorben, ohne je behandelt worden zu sein.
Dabei seien die Spendengelder reichlich geflossen - spätestens seit der rechtskonservative BBC-Journalist Malcom Muggeridge, ein Gegner der Abtreibung, 1969 einen Film über Mutter Teresa drehte, der die Missionarin als Wundertätige pries.
„Es liegt Schönheit darin, wie die Armen ihr Schicksal erdulden, wie Christus am Kreuz zu leiden“, sagte Mutter Teresa laut dem britischen Journalist Christopher Hitchens, der ein kritisches Buch über sie schrieb. „Die Welt gewinnt viel durch ihr Leiden.“ Als es für sie selbst ans Sterben ging, soll sie sich in einem modernen amerikanischen Krankenhaus behandeln lassen haben.
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Wohin die Hunderte von Millionen Dollar an Spenden flossen, ist den Forschern zufolge unklar. Viele Bankkonten seien geheim gewesen, erklärt Larivée die Erkenntnisse der Studie. Nach Flutkatastrophen oder der Explosion in der Pestizid-Fabrik von Bhopal habe Mutter Teresa jedenfalls keine finanzielle Hilfe geleistet. Sie betete aber für die Opfer.
Abtreibungen lehnte die erzkonservative Schwester rigoros als „Mord durch die Mutter“ ab – selbst wenn es um den Fall von bosnischen Frauen ging, die im Bürgerkrieg von Serben vergewaltigt wurden.
Nach ihrem Tod übersprang der Vatikan die übliche Frist von fünf Jahren bis zur Seligsprechung, nicht zuletzt zur Belebung des katholischen Glaubens und als Inspiration der Gläubigen. So sehen es die kanadischen Forscher und können der Verklärung doch auch abgewinnen: Das kollektive Vorbild habe viele humanitäre Arbeiter inspiriert, die wirklich das Leid auf er Welt gelindert hätten.
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