"Ihr Götter! Habt ihr kein Erbarmen?"

Es ist ein Lichtblick für die Konkurrenz, wenn auch nur ein kleiner… Am zweiten Tag der Formel-1-Testfahrten in Bahrain drehte Ferrari-Pilot Carlos Sainz die schnellste Runde - und pulverisierte auch Max Verstappens Bestzeit vom Vortag.

Die schlechte Nachricht: Das war zu erwarten. Mit weicheren Reifen und mehr Grip als an Tag eins hatte Sainz zwar ein gutes Auto in der Hand, aber eben auch bessere Bedingungen als Verstappen am Vortag und Sergio Perez, der am Donnerstag mit den härteren Pneus hinter dem Spanier den zweiten Rang belegte, während der amtierende Weltmeister pausierte.

Dritter wurde Lewis Hamilton im Mercedes, der am Vormittag ungewollt für eine Unterbrechung sorgte. In Kurve elf waren der Brite und Ferrari-Star Charles Leclerc zu weit über den Randstein gebrettert und hatten dabei einen Kanaldeckel gelöst. Das Gitter demolierte Leclercs Unterboden, der getauscht werden musste.

Red Bull noch besser als 2023?

Gesprächsthema Nummer eins aber blieb der am Vortag so dominante Red Bull. Nach Hochrechnungen der Konkurrenz hat der RB20 schon wieder zwischen 0,5 und einer Sekunde Vorsprung auf den Rest. SPORT1 erfuhr: Max Verstappen berichtete intern von einem Auto, das noch besser auf seine Fahrimpulse reagiere als der Vorgänger.

Teamchef Christian Horner bestätigt: „Es hat sich gezeigt, dass die Daten aus dem Windkanal und aus der Simulation jenen Werten entsprechen, die auf der Rennstrecke messbar sind. Das ist elementar für den Erfolg.“

Während einige die sich erneut abzeichnende Dominanz noch kleinreden, nimmt Ex-Weltmeister Damon Hill auf „X“ kein Blatt vor den Mund und schreibt über seinen ersten Eindruck des Kräfteverhältnisses: „Also: Max Verstappen in seinem brandneuen Red Bull RB20 war 1,14 Sekunden schneller als das nächste Auto, 1,5 Sekunden schneller als letztes Jahr und schaffte 143 Runden am ersten Tag! Ihr Götter! Habt ihr kein Erbarmen?“

Nachdem Verstappen selbst dann auch noch in den sozialen Medien zugab, „viel Spaß da draußen“ gehabt zu haben, war derselbige für Hill gänzlich vorbei: „Oh Gott! Er ist schadenfroh. Er verspottet uns. Er weiß es. Dieses Jahr wird eine einzige lange Siegesrunde werden. Man kann niemandem seinen Erfolg missgönnen. Wir können nur zuschauen und bewundern.“

Der nächste Geniestreich des Superhirns

Während die meisten anderen Teams den Red Bull kopierten, ging Superdesigner Adrian Newey ganz neue Wege. Mit einem winzigen horizontalen Schacht und einem vertikalen Lufteinlass sowie einem Überbiss über die Kühlöffnung statt wie bisher einer Unterlippe formt der Brite mit dem Seitenkasten des RB20 einen Flügel nach und erhöht so den Abtrieb des Autos.

Über zwei Kanäle in den hohen Schultern rund um die Motorhaube leitet er die Luft ohne Verwirbelungen in Richtung Diffusor und bügelt den gesamten Bereich hinter dem Cockpit damit praktisch glatt. Die Ideen, die von Mercedes 2022 und 2023 ans Auto gebracht und teilweise wieder verworfen wurden, denkt Newey bis zum Ende.

Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko will dennoch kein Spannungstöter sein und spricht von „nur“ rund drei Zehntelsekunden Vorsprung pro Runde. Doch auch er muss bei SPORT1 zugeben: „Wir haben ein anständiges Auto. Das Handling passt und der Wagen reagiert gut auf Änderungen bei der Abstimmung.“

Da macht es auch nichts, dass Perez am Donnerstag mit einer brennenden Bremse um die Strecke rollte und später Probleme mit der Kalibrierung des Gaspedals hatte. All das sind Kinderkrankheiten, die Red Bull während der Tests aussortiert.

Einziger Lichtblick ist – trotz der weichen Reifen – Ferrari. Die Scuderia ist allen Hochrechnungen zufolge derzeit zweite Kraft – und damit verantwortlich für die Spannung in der Formel 1.