"Wir gehören zu Israel": Gauck versichert bedingungslose Solidarität Deutschlands

Der Antisemitismus hierzulande sei bisweilen "unerträglich" und eine "Unkultur": Joachim Gauck hat bei "Maybrit Illner" kein Blatt vor den Mund genommen. Außerdem sprach der Alt-Bundespräsident im ZDF-Talk über sein Aufwachsen nach dem Zweiten Weltkrieg und Deutschlands Verantwortung gegenüber Israel.

Joachim Gauck betonte bei
Joachim Gauck betonte bei "Maybrit Illner", wie wichtig die Solidarität Deutschlands mit Israel sei. (Bild: ZDF)

Seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel ist der Nahost-Konflikt zum Krieg eskaliert. Einen derartigen Massenmord an Juden hat es seit dem Genozid der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges nicht mehr gegeben. Auch deshalb sei Deutschland in einer besonderen Verantwortung, die Sicherheit und die Verteidigung Israel sicherzustellen, verdeutlichte Joachim Gauck am Donnerstagabend im ZDF-Talk "Maybrit Illner". Deutschland sei laut des ehemaligen Bundespräsidenten "so eng mit der Existenz und der Sicherheit Israels verbunden, dass wir die Allerletzten sein werden, die diese Solidarität mit Israel aufkündigen".

Dennoch dürfe man nicht alles, was die israelische Politik propagiere, ohne kritische Reflexion unterstützen. "Die Israelis kritisieren ihren Ministerpräsidenten Netanyahu dauernd und sehr kräftig", warf Gauck im Einzelinterview mit Gastgeberin Illner ein. An der generellen Solidarität Deutschlands mit Israel dürfe das aber nichts ändern, denn: "Es gibt Fehler, die sind schwer zu ertragen. Aber noch schwerer zu ertragen wäre es, wenn das Volk derer, die Abermillionen hingemordet haben, sich gänzlich abwendet und so tut, als ginge uns das nichts an."

Gauck findet Demos von Hamas-Sympathisanten in Deutschland "unerträglich"

Danach wurde Gauck in seinen Worten persönlich und beschrieb, mit welchen Gefühlen er (Jahrgang 1940) aufgewachsen ist. "Ich bin im Krieg geboren, gehöre zu den Deutschen, die als Jugendliche und junge Erwachsene voller Schrecken gesehen haben, was wir angerichtet haben, was unsere Vorfahren angerichtet haben", erinnerte sich Gauck, dessen Eltern beide der NSDAP angehörten. Diese Erfahrungen hätten damals ein "ganz tief verankertes Gefühl" bei ihm kreiert: "Wir gehören zu Israel." Dabei gehe es nicht um Wiedergutmachung. Vielmehr sei wichtig, die "besondere Verantwortung" Deutschlands gegenüber Israel anzuerkennen. Denn die Schuld der Vorfahren sei nicht gutzumachen.

Umso mehr blickte Joachim Gauck mit Sorge auf einige Anti-Israel-Demonstrationen, die zuletzt in deutschen Großstädten stattgefunden haben. Dass nun Hamas-Sympathisanten durch die Straßen ziehen, sei laut des Ex-Bundespräsidenten "unerträglich, dass hier ein Hass gegenüber einer ganzen Bevölkerungsgruppe angestachelt wird und in den Familien, Kindergärten und Schulen, in ihren Heimatländern gepflegt wird". Antisemitismus, wie zuletzt bei "Exzessen in Berlin-Neukölln" sei laut Gauck eine "Unkultur, der die Zivilkultur und die Politik gleichermaßen entgegentreten muss".

Menschen sind laut Joachim Gauck "veranlagt zum Hassen"

In diesem Zusammenhang rechnete der 83-Jährige auch mit dem Umgang der deutschen Politik mit dem Problem ab. Seine Warnungen vor den Problemen unkontrollierter Migration schon vor Jahren seien verhallt. "Es war dann immer die Situation in Deutschland, dass wenn wir über den importierten Antisemitismus gesprochen haben, leicht von Links kam: 'Ihr seid wohl fremdenfeindlich', und dann hat es so eine Hemmung gegeben", monierte Gauck.

Am Donnerstagabend begrüßte Maybrit Illner den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck zum Einzelinterview. (Bild: ZDF)
Am Donnerstagabend begrüßte Maybrit Illner den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck zum Einzelinterview. (Bild: ZDF)

Gleichzeitig vertrat er die Meinung, dass "massive Zuwanderung" ab einem gewissen Ausmaß "so viel Wandel erzeugt, dass die Menschen abswitchen". Das wiederum ziehe die Konsequenz nach sich, dass die Akzeptanz in liberale Politik schwinde. Entsprechend kam Gauck zu dem Fazit: "Manchmal sind uns gute Absichten im Wege, die bittere Realität zu erkennen."

Manchmal sei Politik schlichtweg die Gestaltung "des weniger Schlechten", konstatierte Gauck, der außerdem sagte: "Menschen sind veranlagt zum Hassen." Dennoch dürfe man nicht die Hoffnung verlieren. "Wir werden Hass nicht wegdiskutieren und wegzaubern können. Aber wir können Menschen lösen, vielleicht auch erlösen aus dem Gefängnis des Hasses", betonte Joachim Gauck.

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