Folgenschwerer Paukenschlag wühlt Ski-Szene auf
Es ist ein Paukenschlag, der in der gesamten Ski-Alpin-Szene für Gesprächsstoff sorgt: Nachdem die FIS die Matterhorn-Abfahrten für die kommende Saison aus dem Rennkalender gestrichen hat, haben die Organisatoren reagiert - und werden den Ski-Stars in diesem Sommer keine Trainingspisten mehr zur Verfügung stellen.
„Elite-Skiteams werden bereits ab diesem Sommer keine Trainingspisten in Zermatt mehr vorfinden“, zitierte die Zermatt Bergbahnen AG ihren Organisationschef Franz Julen. Unter anderem wird damit also auch dem dreimaligen Schweizer Gesamtweltcupsieger Marco Odermatt die Möglichkeit genommen, sich in der Schweizer Heimat für die Weltcup-Rennen zu präparieren.
Ehe die Situation im nächsten Jahr neu bewertet werden soll, sollen „Gletschertrainingspisten ab Sommer 2024 ausschließlich dem Ski-Nachwuchs der Skiclubs, Regionalverbänden und nationalen Leistungszentren“ zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung sei in einer jährlichen Strategiesitzung erfolgt, bei der man sich auf „volle Konzentration auf den Nachwuchs“ einigte, wie Julen beim Schweizer Portal 20 Minuten erklärte. Ob es nicht doch eine Retourkutsche sei, weil die Matterhorn-Abfahrten aus dem Rennkalender gestrichen werden sollen? „Nein, überhaupt nicht“, so Julen, der angab, sogar Trainings im Oktober zur Verfügung gestellt zu haben. „Aber das wollten die Verbände und die Athleten nicht.“
Matterhorn-Beben mit Folgen
In der Folge meldete sich der Schweizer Skiverband zu Wort, der die Entscheidung „außerordentlich bedauert“. Zermatt sei für Swiss-Ski ein „eminent wichtiger Partner und als Trainingsort immer wichtiger geworden“, erklärte CEO Sport Walter Reusser.
Verständlich, schließlich hat der Entscheid für die Ski-Elite Folgen. Zermatt bot die einzige Möglichkeit in Europa, Speed-Disziplinen zu trainieren. Stattdessen werden die Speed-Stars auf einen anderen Kontinent ausweichen müssen - zumindest in diesem Sommer.
Wenngleich Julen behauptet, es handle sich dabei nicht um eine Retourkutsche nach der FIS-Entscheidung, deutet von außen zunächst alles darauf hin. Vor allem der Beisatz, dass „analog zu den Entscheidungen der FIS und der beiden nationalen Verbände Swiss-Ski und Fisi betreffend der Weltcup-Rennen in Zermatt/Cervinia“ im nächsten Jahr neu entschieden werde: Schließlich waren es diese Entscheide, die Ende März das Aus der Matterhorn-Abfahrten, dem großen Prestigeobjekt des umstrittenen Verbandspräsidenten Johan Eliasch, besiegelten.
Prestige-Projekt entpuppte sich als Desaster
Überraschend kam der Paukenschlag nicht, schließlich machte das Rennen den Verbänden bislang nur Probleme. Auf der Strecke vom Schweizer Zermatt ins italienische Cervinia konnte wegen der ungünstigen Witterungsverhältnisse bislang kein einziger Weltcup ausgetragen werden. Schon die Premiere 2022 mit jeweils zwei Rennen für Frauen und Männer fiel aus, ebenso aus wie die insgesamt vier geplanten Wettbewerbe im abgelaufenen Winter.
Die FIS hatte den lokalen Organisatoren vorgeschlagen, die Rennen aufgrund der schwierigen meteorologischen Bedingungen zu einem späteren Zeitpunkt in der Saison auszutragen. Den Vorschlag lehnten die Organisatoren vor Ort jedoch ab, weil aufgrund der Hochsaison in beiden Gebieten im Wallis und im Aostatal keine ausreichende Zahl an Unterkünften zur Verfügung stünde.
Deutscher Alpin-Boss hat Mitleid
Der deutsche Alpin-Boss Wolfgang Maier wertet die neue Wendung in der Matterhorn-Saga nun als Versuch, den Schweizer Heimatverband unter Druck zu setzen: „Diese Entscheidung der Zermatter grenzt an Erpressung“, wird er in der Schweizer Blick zitiert. Er bemitleide den Schweizer Trainer Tom Stauffer: „Tom hat sich jederzeit sehr korrekt gegenüber den Zermattern verhalten.“
Österreichs Abfahrtschef Sepp Brunner befand derweil, dass sich die Schweizer ins eigene Fleisch schneiden: Das Training in Zermatt sei ein Schlüssel für die starke Saison der Eidgenossen im vergangenen Winter gewesen, „doch dieser Vorteil wird Swiss-Ski nun von den Zermattern genommen“.
Die österreichische Trainerlegende Karl Frehsner (“Der eiserne Karl“) zeigt sich derweil nicht überrascht von der Eskalation: „Ich kenne den Zermatter OK-Chef Franz Julen seit seiner Kindheit, weil ich für seinen Vater gearbeitet habe. Deshalb weiß ich eines ganz genau: Wer sich mit Franz anlegt, läuft gegen eine Granitwand.“
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)