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Guido Knopp im Interview: "Meine Generation sollte demütig sein"

Guido Knopp kam 1978 im Alter von 30 Jahren zum ZDF, wo er später als Leiter der Redaktion Zeitgeschichte vor allem mit seinen "Weltkriegs-Dokus" Fernsehgeschichte schrieb. 2013 ging Knopp in Pension - es ist ein Unruhestand, wie er selbst sagt. Am 29. Januar vollendet er sein 75. Lebensjahr. (Bild: PHOENIX / ZDF / Kerstin Bänsch)
Guido Knopp kam 1978 im Alter von 30 Jahren zum ZDF, wo er später als Leiter der Redaktion Zeitgeschichte vor allem mit seinen "Weltkriegs-Dokus" Fernsehgeschichte schrieb. 2013 ging Knopp in Pension - es ist ein Unruhestand, wie er selbst sagt. Am 29. Januar vollendet er sein 75. Lebensjahr. (Bild: PHOENIX / ZDF / Kerstin Bänsch)

"Ich wollte Zeitgeschichte für jeden machen - 'für Golo Mann und Lieschen Müller": Guido Knopp, der mit seinen großen Dokumentationen über den Zweiten Weltkrieg selbst Geschichte schrieb, vollendet am 29. Januar sein 75. Lebensjahr. Im Interview spricht der Historiker auch über den Krieg in der Ukraine.

"Mister Zeitgeschichte", "Geschichtslehrer der Nation", "Chefhistoriker": Guido Knopp hat man einst so manchen Beinamen verpasst. Vielleicht hörte sich "Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte" auch ein wenig zu unspektakulär und amtlich an, gemessen an all dem, was der promovierte Historiker in den fast 30 Jahren in dieser Funktion auf die Beine gestellt hat. Vor allem mit seinen Dokumentationen über die NS-Zeit, großen Reihen wie "Hitlers Helfer" oder "Der verdammte Krieg", die ein Millionenpublikum erreichten, hat der vielfach ausgezeichnete Professor selbst TV-Geschichte geschrieben. "Ich wollte Zeitgeschichte für jeden machen", erinnert sich Knopp, der seit 2013 im Ruhestand ist, mit dem Abstand von zehn Jahren an seine ZDF-Ära. Im Interview wird er nicht nur "zum Zeitzeugen in eigener Sache", wie Guido Knopp, der am 29. Januar sein 75. Lebensjahr vollendet, es schmunzelnd formuliert, er wirft auch einen analytischen Blick auf den Krieg in der Ukraine.

teleschau: Herr Knopp, Sie sind seit 2013 im Ruhestand. Was macht Ihr Golf-Handicap?

Professor Dr. Guido Knopp: (lacht) Über die 36 komme ich nicht hinaus. Es stagniert auf mäßigem Niveau. Aber das Golfen macht mir nach wie vor enormem Spaß. Ansonsten geht es mir gut - wieder. 2018 hatte ich eine lebensgefährliche Blutung, vier OPs musste ich über mich ergehen lassen. Inzwischen ist aber alles wieder in Ordnung.

teleschau: Sie befinden sich ja ohnehin im Unruhestand, wie man weiß ...

Knopp: Absolut. Ich mache Moderationen, habe meine Fernsehauftritte, gerade arbeite ich an einem neuen Buch ... Und privat: Da haben meine Frau und ich es gewagt, noch einmal zu bauen. Nun könnte ich wohl auch ein Werk über die Realisierung eines solchen Vorhabens verfassen - das war nicht ohne (lacht). Aber jetzt ist alles fertig und schön - und wir werden zu meinem 75. ein kleines Gelage im Garten veranstalten. Es werden auch ehemalige Kollegen kommen, denn viele aus meiner alten ZDF-Redaktion sind mir bis heute treue Wegbegleiter und Freunde. Ich hatte mir das Team ja auch ausgesucht: Das war eine handverlesene Truppe von - damals - jungen Leuten. Wir haben einiges auf die Beine gestellt.

"Meine Generation sollte demütig sein", sagt Guido Knopp. "Der Historiker Alfred Baring hat mich in einer Rede als Glückskind bezeichnet - er hatte recht. Ich wurde 1948 geboren, da begann die beste Phase der deutschen Geschichte: Es war Frieden, wir lebten in Freiheit, es wurde etwas aufgebaut, es ging nur vorwärts. Ich konnte studieren, was ich wollte, konnte meinen Traumberuf ergreifen. Und ich durfte Erfolg haben - gekrönt von der einmaligen Gelegenheit, im großen ZDF einen derart wichtigen Bereich aufbauen zu dürfen." (Bild: Guido Knopp privat)

"Ich habe wahnsinnig viel Glück gehabt!"

teleschau: Vor einem runden Geburtstag kommt man nicht umhin zurückzublicken.

Knopp: Ja, man wird fast dazu gedrängt, zum Zeitzeugen in eigener Sache zu werden (lacht). Gut, ich wehre mich nicht und verrate ihnen schon mal mein Fazit: Ich habe wahnsinnig viel Glück gehabt!

teleschau: Werden Sie im Alter etwa demütig?

Knopp: (lacht) Meine Generation sollte demütig sein. Der Historiker Alfred Baring hat mich in einer Rede als "Glückskind" bezeichnet - er hatte recht. Ich wurde 1948 geboren, da begann die beste Phase der deutschen Geschichte: Es war Frieden, wir lebten in Freiheit, es wurde etwas aufgebaut, es ging nur vorwärts. Ich konnte studieren, was ich wollte, konnte meinen Traumberuf ergreifen. Und ich durfte Erfolg haben - gekrönt von der einmaligen Gelegenheit, im großen ZDF einen derart wichtigen Bereich aufbauen zu dürfen. Als ich zum ZDF kam, war da nichts mit zeitgeschichtlichen TV-Dokumentationen. Ich musste, nein, ich konnte 1984 bei null beginnen.

teleschau: Es wurde bekanntlich eine Erfolgsgeschichte. Sie eroberten mit historischen Themen, vor allem mit Dokumentationen und Reihen über den Zweiten Weltkrieg, die Primetime ...

Knopp: Und wir waren mit den Formaten auch im Ausland erfolgreich - worauf ich besonders stolz bin. Auf einmal befassten sich die Fernsehzuschauer in den USA und vielen anderen Ländern der Welt mit der deutschen Geschichte - und das aus deutscher Sicht. So etwas hatte es bis dato ja allenfalls von der BBC aus England gegeben.

teleschau: Was wollten Sie erreichen, als Sie beim ZDF anfingen, die Redaktion aufzubauen?

Knopp: Ich wollte Zeitgeschichte für jeden machen - "für Golo Mann und Lieschen Müller", habe ich damals immer gesagt. Mein Ziel war, dafür zu sorgen, dass Zeitgeschichte nicht nur für den Professor attraktiv ist, sondern für die breite Masse. Für den Arbeiter, der abends müde nach Hause kommt und sich vor dem Fernseher entspannen will und etwas Unterhaltung sucht - und dabei trotzdem etwas lernt. Die Kunst war, das Ganze spannend und kurzweilig zu gestalten. Es ist uns gelungen: Wir machten Quote, und es gab reihenweise Preise, auch internationale.

teleschau: Vor allem die großen Reihen über den Zweiten Weltkrieg reüssierten. Eine der bekanntesten, "Der verdammte Krieg - Das Unternehmen Barbarossa", realisierten Sie damals mit dem Kollegen Valerij Korsin vom russischen Fernsehen. Sie hatten eine gemeinsame Anmoderation auf dem Roten Platz in Moskau ...

Knopp: Ja, das war 1990 - direkt nach dem Fall der Mauer. Das muss man sich vorstellen - heute wäre das völlig undenkbar. Aber damals war alles möglich, nachdem die deutsch-sowjetischen Beziehungen schon in den 80er-Jahren erste geradezu romantische Züge angenommen hatten. Die Einheit wurde uns von den russischen Freunden ja gewissermaßen geschenkt - so sehe ich das. Es herrschte ein Gefühl des Aufbruchs, des Miteinanders.

teleschau: Also: Kohl, Gorbatschow, die Scorpions, der Mauerfall, die Wiedervereinigung ... und dazwischen irgendwo auch Sie?

Knopp: Na ja, so komisch es heute klingen mag, damals war das einfach so ein leichtes Gefühl. Es war die Zeit der Annäherung, es entstanden Freundschaften. Vieles schien möglich in dieser Stimmung - auch ein solches Gemeinschaftsprojekt, eine Dokuserie über das schwierigste Kapitel der gemeinsamen Geschichte. 18 Folgen, die in Deutschland und in der Sowjetunion zur gleichen Sendezeit ausgestrahlt wurden - ein Ereignis, das wir letztendlich wie so vieles auch Michail Gorbatschow zu verdanken hatten. Es betrübt mich zu sehen, was nach seiner Ära als Staatschef aus dem Land geworden ist. Nach ihm hat sich so vieles in Russland zum Negativen verändert, dass es mir richtig wehtut. Natürlich war auch damals nicht alles einfach. Man musste schon mit Devisen nachhelfen, wenn man etwas erreichen wollte. Aber die Korruption, die seit gut 20 Jahren in Russland grassiert, ist etwas ganz anderes. So etwas hätte ich mir damals nicht vorstellen können.

teleschau: Wie gestaltete sich die Kooperation damals?

Knopp: Sehr offen und freundschaftlich. Ich hatte Zugang zu Archiven, zu Akten, von denen ich dachte, sie würden uns für immer verschlossen bleiben. Es war ein großes Abenteuer. Eine wunderbare Zeit. Leider, leider ist das alles vorbei. Vorerst zumindest.

Sie haben noch mal gebaut: Guido Knopp (mit seiner Frau Gabriella beim Bayerischen Fernsehpreis 2013 in München). "Nun könnte ich wohl auch ein Werk über die Realisierung eines solchen Vorhabens verfassen - das war nicht ohne", lacht der ehemalige ZDF-Zeitgeschichtler. (Bild: 2013 Getty Images/Dominik Bindl)
Sie haben noch mal gebaut: Guido Knopp (mit seiner Frau Gabriella beim Bayerischen Fernsehpreis 2013 in München). "Nun könnte ich wohl auch ein Werk über die Realisierung eines solchen Vorhabens verfassen - das war nicht ohne", lacht der ehemalige ZDF-Zeitgeschichtler. (Bild: 2013 Getty Images/Dominik Bindl)

"Wir haben uns einer bösen Illusion hingegeben"

teleschau: Waren wir aus heutiger Sicht alle zu blauäugig?

Knopp: Ich würde es anders formulieren: Wir haben uns einer bösen Illusion hingegeben. Wir glaubten für einige Jahre, wir könnten nun auf Abschreckung verzichten, wir könnten durch dauerhaften wirtschaftlichen, kulturellen, auch historischen Austausch mit Russland dort eine friedliche Systemveränderung erreichen. Wandel durch Handel - so lautete ja das Credo. Nun zahlen wir dafür einen hohen Preis. Diese Illusion hat uns, wie wir heute wissen, in eine wirtschaftliche Unfreiheit geführt. Dabei hätten wir nur mal hinsehen müssen: Russland war unter Putin schon lange auf dem Weg in eine Diktatur, in eine aggressive Macht mit Appetit auf ihre Nachbarländer. Ich schreibe gerade ein Buch zu den Hintergründen. Es heißt: "Putins Helfer" - ich porträtiere die wesentlichen Leute hinter Putin: unter anderem Lawrow, Shoigu, Medwedew und natürlich den Propagandamann Solowjow. Es erscheint im September.

teleschau: Was ist die Kernaussage?

Knopp: Dass dieses Land durch und durch korrupt ist! Und so etwas begünstigt seit jeher autokratische Strukturen.

teleschau: Wie konnte das hierzulande so lange ignoriert werden?

Knopp: Der Fehler war, Russland auf Teufel komm raus vertrauen zu wollen. Das lässt sich natürlich mit unserer eigenen Geschichte erklären: mit dem Furchtbaren, das wir in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts alles angerichtet haben - und mit der Dankbarkeit für die Einheit. Wir wollten Freunde sein mit Russland. Aber Putin ist nicht Gorbatschow.

teleschau: Er hat die Ukraine angegriffen.

Knopp: Der wir unbedingt helfen müssen - da gibt es kein Vertun für mich. Und wir müssen zusehen, dass aus der kaputtgesparten Bundeswehr eine ernstzunehmende Armee wird, die uns im Verbund der NATO schützen kann.

teleschau: Immerhin sind Sie ein Mann, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, vor neuen Kriegen und der Wiederholung der Geschichte zu warnen. Was ging in Ihnen am 24. Februar 2022 vor?

Knopp: Ich war nicht überrascht. Die Beobachtungen und Warnungen der Dienste, vor allem der amerikanischen und der britischen, die leider besser waren als unsere eigenen, gaben nichts anderes her als das Szenario eines solchen Angriffs. Was mich hingegen schon überrascht hat, war die Tatsache, dass die russische Armee es nicht geschafft hat, die Ukraine zu überrennen. Das hat zum einen mit der tapferen Gegenwehr der von den westlichen Staaten unterstützten Ukrainer zu tun, aber auch mit dem Zustand der russischen Armee, die für viel stärker gehalten wurde, als sie in Wirklichkeit ist. Sie scheint erbärmlich aufgestellt zu sein - von Korruption zerfressen und von teils brutalen Ritualen wie der so genannten Dedowschtschina, bei der Rekruten von älteren Soldaten gedemütigt werden, geprägt. Der Dienst in der Roten Armee ist kein Zuckerschlecken. Nicht umsonst sind so viele junge Männer aus dem Land geflüchtet, um der Mobilisierung zu entgehen.

teleschau: Was heißt all das für den weiteren Kriegsverlauf?

Knopp: Dass die Ukraine bestehen wird, zumal die Unterstützung noch verstärkt werden soll. Die Russen werden nach meiner Einschätzung militärisch nicht gewinnen.

teleschau: 1998 brachten Sie die historische Simulation "Der dritte Weltkrieg" auf Sendung. Da wurde als Fiktion von einer atomaren Eskalation zwischen Russland und dem Westen erzählt - mit verheerendem Ausmaß. Haben Sie sich in den vergangenen Monaten öfter mal an das Programm von damals erinnert?

Knopp: Durchaus. Damals arbeiteten wir natürlich mit einer ganz anderen Distanz zum Atomkriegsszenario. Wir glaubten, der Kalte Krieg sei ein für allemal überwunden, der große Frieden ist ausgebrochen - und nun ist alles anders. So konnte man sich an solche zeitgeschichtlichen Dystopien schon mal heranwagen. Wir wollten erzählen, dass alles auch ganz anders hätte kommen können. Heute würde ich die Finger von diesem Stoff lassen. Wolodimir Solowjow spricht im russischen TV doch fast jeden Abend von einem Präventivschlag auf Berlin. Das ist so gruselig. Wir haben es leider wirklich mit einer Zeitenwende zu tun.

teleschau: Wie würden Sie den Begriff für die deutsche Seite definieren?

Knopp: Es ist ein Erwachen, ein Zurückkommen in die Wirklichkeit. Jetzt begreifen wir die Welt, wie sie ist. Und nicht so, wie wir sie gerne hätten. Und wir machen uns ehrlich: Wir können nicht von der Hand weisen, dass auch wir mit unserer unrühmlichen Historie einiges mit den Verwerfungen heutiger Tage zu tun haben.

Vor allem mit seinen Dokumentationen über die NS-Zeit, großen Reihen wie "Hitlers Helfer" oder "Der verdammte Krieg", die ein Millionenpublikum erreichten, hat der vielfach ausgezeichnete ZDF-Professor selbst TV-Geschichte geschrieben. Im Interview wird er nun "zum Zeitzeugen in eigener Sache", wie Guido Knopp, der am 29. Januar sein 75. Lebensjahr vollendet, es schmunzelnd formuliert. (Bild: Guido Knopp privat / ZDF / Kerstin Bänsch)

"Vielleicht wäre die Zeit reif für eine Art History-Netflix"

teleschau: Bräuchte es nicht gerade in diesen Zeiten mehr zeitgeschichtliche Aufklärung? Bei ARD und ZDF ist über den Zweiten Weltkrieg bei Weitem nicht mehr so viel zu sehen wie zu Ihren Zeiten.

Knopp: Nun, wir durften die Hoch-Zeiten der Dokumentation erleben und mitgestalten. Aber ich finde schon, dass meine tüchtigen Nachfolger gute Arbeit machen. Zeitgeschichte wird nur heute eher fiktional mit szenischen Darstellungen erzählt. Das erzeugt beim Publikum von heute mehr Wirkung als eine Dokumentation. Da gab es in den vergangenen Jahren sehr gute Formate - von Serien wie "Babylon Berlin" oder "Das Boot" bis hin zu Spielfilmen wie "Die Wannseekonferenz". Auch Serien wie "Ku'damm" oder "Charité" dienen der Aufklärung.

teleschau: Ihre großen Reihen wie "100 Jahre" oder "Der verdammte Krieg" wären wie gemacht für die Mediathek. Doch dort findet man sie nicht ...

Knopp: Ja, das hat leider mit der Rechtefrage zu tun. Immerhin kann man die Reihen noch auf DVD erwerben.

teleschau: Sie sagten einmal: "Das Gute an einem Geschichtsfilm ist, dass er nicht altert."

Knopp: Das stimmt ja auch. Und das Interesse an meinen alten Sendungen ist nach wie vor groß, ich werde immer wieder danach gefragt. Mich freut das, und vielleicht wäre die Zeit in der Tat reif für eine Art History-Netflix (lacht). Aber, wie gesagt, das ist auch eine Frage der Rechte - und damit nicht zuletzt der finanziellen Mittel.

teleschau: Vor genau 80 Jahren, am 2. Februar 1943, endete mit der Kapitulation des Nordkessels die Schlacht um Stalingrad. Man fragt sich unweigerlich, was Sie zu diesem Jahrestag veranstaltet hätten?

Knopp: Ich hätte mir da schon einiges einfallen lassen, keine Frage. Aber wahrscheinlich hätte ich es damit auch nicht mehr in die Primetime geschafft ... Es sind andere Zeiten, auch was die Medien angeht.

teleschau: Was denken Sie, wenn Sie auf Demonstrationen Menschen mit Putin-Fahnen sehen?

Knopp: Dass es sich da um unverbesserliche Zeitgenossen handelt. Sie kommen übrigens von ganz rechts und von ganz links, und sie haben die unterschiedlichsten Motive. Auch einige ehemalige Russlanddeutsche sind unter diesen Leuten.

teleschau: Was glauben Sie: Wie wird sich das deutsch-russische Verhältnis in Zukunft gestalten?

Knopp: Die Zeit der romantischen Gefühle ist wohl ein für alle Mal vorbei. Aber wir müssen uns bei der ganzen Debatte auch vergegenwärtigen, dass Russland nicht Putin ist - es wird auch eine Zeit nach Putin und nach diesem Krieg geben. Ein naives Miteinander wird es dann nicht mehr geben. Ich möchte für ein friedliches Nebeneinander plädieren. Es darf nicht in Feindschaft münden.

"Als ich zum ZDF kam, war da nichts mit zeitgeschichtlichen TV-Dokumentationen. Ich musste, nein, ich konnte bei null beginnen", blickt Guido Knopp (mit dem Bayerischen Fernsehpreis 2013) im Interview zurück. Er baute ab 1984 die ZDF-Redaktion Zeitgeschichte auf.  (Bild: 2013 Getty Images/Dominik Bindl)
"Als ich zum ZDF kam, war da nichts mit zeitgeschichtlichen TV-Dokumentationen. Ich musste, nein, ich konnte bei null beginnen", blickt Guido Knopp (mit dem Bayerischen Fernsehpreis 2013) im Interview zurück. Er baute ab 1984 die ZDF-Redaktion Zeitgeschichte auf. (Bild: 2013 Getty Images/Dominik Bindl)

"Ich war in meiner Jugend ein wieselflinker Linksaußen"

teleschau: Was sollte man zu Ihrem Ehrentag noch über Sie und Ihre Karriere sagen, Herr Knopp?

Knopp: Dass ich nicht nur Hitler gemacht habe (lacht)! Denken Sie bitte auch an meine Fußballfilme: "Wir Weltmeister" und "Das Wunder von Bern - die wahre Geschichte", auf die ich wirklich stolz bin.

teleschau: Natürlich. Sie sind ein großer Fußballfan.

Knopp: Und ob. Ich war in meiner Jugend ein wieselflinker Linksaußen. Heute gehe ich mit meinem Sohn immer noch hin und wieder gerne ins Stadion bei Heimspielen von Mainz 05. Überhaupt: Wenn man in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgewachsen ist, einen deutschen Pass hat und den Fußball mag, dann hat man großes Glück gehabt. Wir durften spannende und bewegende Zeiten erleben, von '54 angefangen ...

teleschau: Können Sie sich denn noch an das "Wunder von Bern" erinnern?

Knopp: Ja, ich war sechs Jahre alt. Meine Familie hatte ein Radio, beim Nachbarn stand bereits ein Fernseher. Alle saßen also bei den Nachbarn, um Fußball zu gucken. Nur ich bin immer wieder zurück zum Radio, weil die Übertragung von Herbert Zimmermann für mich viel faszinierender war. Die Fernsehstimme hat man doch heute vergessen. Aber Zimmermanns Radiostimme ist längst ein Bestandteil der Gründungslegende der Bundesrepublik geworden. Ich kann ihnen immer noch die komplette Aufstellung im Schlaf runterbeten.

teleschau: Also, die Zeit haben wir noch ...

Knopp: Turek, Posipal, Kohlmeyer, Eckel, Liebrich, Mai, Fritz Walter, Ottmar Walter, Rahn, Schäfer, Morlock. So!

"Der Fehler war, Russland auf Teufel komm raus vertrauen zu wollen", sagt Professor Guido Knopp. "Das lässt sich natürlich mit unserer eigenen Geschichte erklären: mit dem Furchtbaren, das wir in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts alles angerichtet haben - und mit der Dankbarkeit für die Einheit. Wir wollten Freunde sein mit Russland. Aber Putin ist nicht Gorbatschow." (Bild: Guido Knopp privat)