Guido Reil (AfD) bei Lanz: “Merkel hat Eier”

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In der Lanz-Sendung am Dienstag ging es drunter und drüber. Im Mittelpunkt der hitzigen Diskussion: einmal mehr die AfD, dieses Mal vertreten durch Guido Reil. Bis vor einiger Zeit war dieser ein eher unauffälliger SPD-Politiker, aktiv im Essener Stadtteil Karnap. Nach 26 Jahren trat er aus der Partei. Seit Mai ist er nun AfD-Mitglied und gern gesehener Talkshow-Gast.

“Als ich damals die Flüchtlinge an den Bahnhöfen gesehen habe, habe ich mir eine Flasche Whisky gekauft und mich betrunken.” Gleich zu Beginn machte er klar, dass er in dieser Runde kein Blatt vor den Mund nehmen wird. Den Satz „Wir schaffen das“ hätte er zu keiner Zeit unterschrieben, auch nicht als SPD-Mann. Doch bei aller Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik, müsse Reil doch eins gestehen: “Die Frau hat Eier.” Merkel ist für ihn “der einzige Mann in der Bundesregierung.” Ob das nun als Kompliment gemeint ist, das fragt sich nicht nur Markus Lanz. Doch dann wettert Reil erst richtig los: “Das ist eine Einladung an die Welt gewesen.” Das Gejubel an den Bahnhöfen, die Grenzöffnung allein habe einen Großteil der Flüchtling nach Deutschland getrieben. „Ist das Ihr Ernst?“, hakt Lanz völlig fassungslos nach. Glaube er wirklich, die Tatsache, dass Aleppo in Schutt und Asche liegt habe so gar nichts mit der Flucht dieser Menschen zu tun? Für Reil ist die Antwort einfach: Es gebe schließlich auch in Syrien oder im Irak Orte, an denen nicht gekämpft und gebombt werde.

Vor allem die Schauspielerin und Schriftstellerin Renan Demirkan stellt sich den Aussagen Reils immer wieder leidenschaftlich entgegen: „Du kannst es in Kölsch machen oder in Platt machen. Hömma, ist nicht wahr“, weist sie ihn zurecht wie einen frechen Schüler. Demirkan, Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt und Talkmaster Lanz wirken geschlossen in ihrer Kritik gegen den AfD-Vertreter. Der zeigt sich unbeeindruckt. “Ich hab die Flüchtlinge live gesehen“, erzählt er, als gehe es um exotische Tiere. Die erste Frage der jungen Männer an ihn, damas in seiner Rolle als Essener Kommunalpolitiker für die SPD: “Wo ist das Fitnessstudio?“ Natürlich ereifert er sich dann über die gute Kleidung der Flüchtlinge. Was, und Smartphones haben die auch noch? Dieses Muster kennt man mittlerweile zu Genüge.

„Da kommen schickere Migranten“

Doch auch Poschardt macht sich mit seinem Versuch, Reils Sorgen „psychoanalytisch“ zu ergründen, ein wenig lächerlich, wenn er auf ihn die „erotische Angst des weißen working-class-Vertreters“ projiziert: „Da kommen schickere Migranten.“ Viel interessanter als derart plumpe Diagnosen ist, dass Reil sich Poschardts Aussage nach im Gespräch fernab des Studios noch gänzlich anders verhalten habe. “Wir haben uns vor der Sendung 45 Minuten lang unterhalten und nun gehen die Lichter der Kameras an und Sie fahren hier in eine ganz andere Rolle.” Für Poschardt ist der Grund dafür klar: “Sie wollen einen Listenplatz in NRW, die sind natürlich begrenzt.“ Ein verweichlichter Politiker mit Sozi-Herz habe da in der AfD wohl keine Chance.

Genau dieser Vorwurf begleitet dann die restliche Diskussion. Für die anwesenden Gäste, allen voran Schriftstellerin Demirkan, ist der Grund für seinen Parteiwechsel ganz einfach. Wahrscheinlich zu einfach. Bei der SPD wurde Reils Stimme offenbar nicht gehört, nun bei der AfD hingegen reißen sich die Medien um ihn, gestern Plasberg, heute Lanz. Vorausgesetzt, Reil liefert, was man von einem AfD-Anhänger in den Medien wohl erwartet. Die Diskussion bei Lanz läuft nach dem immer gleichen Muster ab, wie schließlich auch Welt-Chefredakteur Poschardt bemängelt: Er spricht von einer „gefährlichen Reproduktion, die am Ende die AfD stärkt“, wenn in einer Gesprächssituation einer von der AfD allein auf weiter Flur steht - „und ein, zwei,drei vier, fünf argumentieren gegen ihn an.“ Genau wie es auch gestern bei Lanz der Fall war. Für AfD-Anhänger bestätigt das nur ihre Vorbehalte gegenüber den „Systemmedien“ und den „Heinis von der Lügen- oder Lückenpresse.“ Diesen Gefallen will jedoch weder Poschardt noch Lanz der AfD machen.

Darum zeigt sich Lanz schließlich betont bemüht, Reil aussprechen zu lassen. Er solle „sehr klar und deutlich sagen können“, was ihm „auf dem Herz liegt“, warum er zur AfD wechselte. Es sei Frust gewesen, auch über den letzten Parteitag, bei dem ausgerechnet Leute wie Petra Hinz umjubelt wurden, eine Politikerin, die mit ihrem Lebenslauf – wie erst danach bekannt wurde – alle hinter das Licht geführt hatte. "Haben Sie denn aber das Gefühl, dass sie jetzt im richtigen Verein sind, was die Vorspiegelung falscher Tatsachen angeht?”, gibt Lanz süffisant zu bedenken. Und hat die Lacher auf seiner Seite. Selbst von Reil. Humor hat der Mann offenbar.

Foto: Screenshot/ZDF