"Gun Nation - Amerikas tödlicher Waffenwahn": ZDF-Doku zeigt besorgniserregende Zustände in den USA
Immer mehr Menschen in den Vereinigten Staaten bewaffnen sich - obwohl sich das Ausmaß an Waffengewalt ohnehin bereits auf einem Rekordhoch befindet. Wie viele Todesopfer kann das Land noch verkraften?
"Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden": Jene - zugegebenermaßen etwas sperrigen - 27 Worte (im englischsprachigen Original: "A well regulated Militia, being necessary to the security of a free State, the right of the people to keep and bear Arms, shall not be infringed"), die im zweiten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten stehen, sind von großer Bedeutung. Bis heute berufen sich US-amerikanische Waffenbefürworter auf den 231 Jahre alten Verfassungszusatz, um gegen schärfere Gesetze zu argumentieren.
Einer dieser sogenannten "Pro-Gun Advocates" ist Ken Campbell. Auch er hält nichts von davon, privaten Waffenbesitz stärker zu regulieren. In der Dokumentation "Gun Nation - Amerikas tödlicher Waffenwahn" (zu sehen am Sonntag, 15. Januar, 20.15 Uhr, bei ZDFinfo, sowie bereits vorab in der ZDF Mediathek) beteuert der ehemalige Sheriff: "Das Recht, eine Waffe zu besitzen, wurde mir nicht von der Regierung erteilt, sondern von Gott." Ihm sei suspekt, dass Waffengegner neue Gesetze fordern. Denn Mord, so erklärt Campbell, sei "ohnehin schon illegal. Sollen wir Mord doppelt bestrafen?" Dass es in den USA mehr Tote durch Schusswaffen als in anderen Ländern gebe, glaube er nicht.
Als Geschäftsführer der "Gunsite Academy" in Arizona ist Campbell davon überzeugt, dass die Menschen in den USA nicht weniger, sondern mehr Waffen brauchen. Private Schießschulen wie Campbells Akademie sind in den Vereinigten Staaten keine Seltenheit. Hier, so heißt es im Film, trainieren "nicht nur Scharfschützen, sondern auch ganz normale Bürger". Ein fünftägiger Kurs in der "Gunsite Academy" kostet rund 2.000 Dollar; auf dem Lehrprogramm steht unter anderem, wie man einen Menschen mit nur einem einzigen Schuss tötet.
Reise durch ein gespaltenes Land
Klar ist: Der Wunsch nach ziviler Selbstverteidigung verschwindet nicht, er wird immer größer - zumindest in den Vereinigten Staaten. Noch nie kauften die Bürgerinnen und Bürger dort so viel Waffen wie in den vergangenen Jahren. Auch die Kehrseite dieses vermeintlichen Selbstschutzes beleuchtet die französisch-amerikanische Regisseurin Sabrina Tassel in ihrer Dokumentation: Die Filmemacherin trifft auf Menschen wie Brandon Wolf, der den tödlichen Anschlag auf einen Nachtclub in Orlando im Jahr 2016 überlebte.
Heute ist Wolf als Aktivist tätig und setzt sich dafür ein, dass weitere Attentate verhindert werden. "Schießereien passieren so oft, dass die Gesellschaft kaum noch hinsieht", berichtet er. "Kinder in den USA müssen üben, wie man mit einem Schulrucksack klaffende Wunden abbindet." Tatsächlich steigt in den USA jährlich die Zahl der Todesopfer durch Waffengewalt. 2020 wurden im Schnitt mehr als 50 Menschen pro Tag erschossen. Auch Wolf hat beim Massaker im "Pulse"-Club Freunde verloren. Er zählt zu den zahlreichen Hinterbliebenen, die sich nach dem Mord an ihren Angehörigen zu Selbsthilfegruppen und NGOs zusammengeschlossen haben und härtere Gesetze fordern.
Rufe nach mehr Prävention auf der einen, private Aufrüstung auf der anderen Seite: Die Dokumentation zeigt eindrücklich, wie sich zwischen Waffenbefürwortern und -gegnern ein immer größer werdender Riss durch Amerika zieht.