"Ich habe das Gefühl, Berlin ist noch in der Pubertät"
Mit "Das Boot" und "Männer" wurde Uwe Ochsenknecht berühmt. Was hat der Mann nicht alles gespielt in all den Jahren seiner beeindruckenden Karriere! Nun ist er zum achten Mal der Star der Müllabfuhr - und genießt die außergewöhnliche Rolle wie am ersten Tag, wie er sagt.
Uwe Ochsenknecht, ganz in orange mit Wuschelmähne, macht seine Sache wie eigentlich immer gut. So gut, dass er gelegentlich für einen echten Müllmann gehalten wird. "Das amüsiert uns immer sehr", schmunzelt der Star-Schauspieler im Interview. Viel Kurioses erlebt habe er inzwischen beim Drehen der Reihe "Die Drei von der Müllabfuhr" (im Ersten). Gerade steht der 66-Jährige für neue Filme der Reihe vor der Kamera, derweil die beiden Teile "Zu gut für die Tonne" und "(K)eine saubere Sache" an den Freitagen, 14. und 21. Oktober (20.15 Uhr, ins Fernsehen kommen. Nach einem langen Drehtag nimmt sich Ochsenknecht am Abend Zeit für ein ausgiebiges Gespräch und erzählt gut gelaunt von schimpfenden Passanten, seinen Erfahrungen mit der Müllabfuhr und warum Berlin für ihn noch lange keine Weltstadt ist.
Vor dem Dreh? Training auf dem Müllwagen!
teleschau: Was gefällt Ihnen an der Rolle des Müllmanns Werner Träsch so gut, dass Sie sie jetzt schon zum achten und neunten Mal mitgespielt haben?
Uwe Ochsenknecht: Wir drehen im Moment sogar zwei weitere Filme der Reihe. Ich finde es gut, mal über Müllmänner Filme zu machen. Das gab es bisher noch nicht. Man gewinnt einen Einblick in das Berufsleben dieser Leute. Noch dazu das Lokalkolorit Berlin, die typischen Probleme der Stadt. Vielleicht können wir auch erreichen, dass man ein bisschen mehr Respekt vor Müllmännern - oder Müllwerkern, wie es jetzt heißt - hat. Für uns ist es selbstverständlich, dass unser Müll weggebracht wird, aber das ist es nicht. Das wird uns erst bewusst, wenn sie mal streiken. Da türmen sich schnell Berge auf! Dieses ganze Umfeld in menschliche Geschichten verpackt, das finde ich interessant. Unsere Müllmänner werden durch ihre Arbeit mit unendlich vielen Geschichten konfrontiert und gehen darauf ein, weil sie ein großes Herz haben. Ich finde, die Bücher werden von Folge zu Folge besser.
teleschau: Inwiefern haben Sie Einfluss auf Ihre Figur Werner, haben Sie ihn zu Beginn mitentwickelt?
Ochsenknecht: Er wurde mir nicht fertig vorgesetzt, aber richtig spüren und zum Leben erwecken kann man die Figur erst, wenn man sie spielt. Das haben wir ganz gut geschafft, glaube ich. Werner entwickelt sich immer weiter, vor allem durch seine Freundin Gabi. Er probiert Neues aus und wird offener und entspannter. Das ist eine absolute Teamarbeit, es werden Vorschläge und Inhalte rechtzeitig vor Drehbeginn diskutiert, und bis jetzt haben wir immer einen gemeinsamen Nenner gefunden. Es ist wirklich ein tolles Team! Wir sind auch hinter den Kulissen befreundet und freuen uns jedes Jahr, wenn wir und wiedersehen. Nur schade, dass der süße Hund aus Folge 7 nicht mehr dabei ist (lacht).
teleschau: Sie erhalten und gewähren Einblicke in die Welt der Müllabfuhr. Was daran ist echt?
Ochsenknecht: Alles ist echt bei uns (lacht). Die Kantine ist tatsächlich von der BSR, die Autos sind echt. Die Sprüche auf den Müllwagen wie "Mülltitalent" oder "Tonni und Clyde" stammen von den Müllmännern selber, das war keine Werbeagentur. Wir machen es so authentisch wie möglich. Vorher sind wir ein, zweimal morgens um sechs mit der Werkscrew mitgefahren, um zu sehen, wie die miteinander umgehen und wie die Vorgehensweise ist. Das sind ganz lustige Jungs und Mädchen da. Die gehen sehr respektvoll miteinander um, da hört man keinen bösen Ton. Wir können froh sein, dass es Menschen gibt, die so einen Job machen. Die werden zwar gut bezahlt, aber das große Geld sehen die natürlich auch nicht.
"Dass gute Lebensmittel in der Tonne landen, ist pervers genug"
teleschau: Wie reagieren die Berliner auf die Müllmänner?
Ochsenknecht: Wir verstecken die Kameras immer gut, damit die Passanten nicht stehenbleiben und hineingucken. Darum halten sie uns ab und zu für echte Müllmänner und klagen uns ihr Leid, dass wir viel zu selten kommen und dass wir die Autos zuparken. Das amüsiert uns immer sehr. Was tatsächlich auffällig ist, dass viele sich beschweren, wenn so ein Müllwagen kurzfristig in zweiter Reihe parkt und einer warten muss, bis er wegfahren kann. Da denke ich schon manchmal, Leute, haltet die Füße still, wir bringen hier gerade deinen Dreck weg. Die zwei Minuten kannste ja wohl warten, oder keiner holt ihn ab. Wie ungerecht und blöd, die Leute, die deinen Scheiß wegbringen, auch noch so dämlich anzumeckern.
teleschau: Claus Theo Gärtner, bekannt als "Matula", sagte einmal, er würde privat nie mit dem erhobenen Zeigefinger herumlaufen, wie seine Figur es tut. Wie ist das bei Ihnen? Ihr Werner kann das ja auch ganz gut ...
Ochsenknecht: Ungerechtigkeiten mag ich genauso wenig wie der Werner, und ich trete auch für jemanden ein, der ungerecht behandelt wird. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber wofür ich mich einsetze, möchte ich nicht an die große Glocke hängen und damit den Eindruck erwecken, dass ich mir selber auf die Schulter klopfe und mir sage, was für ein toller Hecht ich bin. Was die Filme angeht, bin ich immer daran interessiert, dass eine kleine Botschaft dabei ist. Aber ja nicht mit dem Zeigefinger, es ist ja kein Lehrfilm, sondern der Zuschauer kann aus den Spielsituationen von sich aus etwas mitnehmen, wenn er möchte. So machen wir das ein bisschen eleganter ...
teleschau: Zum Beispiel in der Folge "Zu gut für die Tonne": Viele Zuschauer werden durch den Film auf den haarsträubenden Umstand gestoßen, dass fast 50 Prozent der produzierten Lebensmittel in der Tonne landen!
Ochsenknecht: Es gibt tatsächlich das Gesetz, dass Produkte, deren Mindesthaltbarkeit abläuft, vom Supermarkt entsorgt werden müssen. Die kommen dann in den großen Container, den jeder Supermarkt hat, hoch verschlossen wie im Sicherheitstrakt. Die Sachen dürfen auch nicht verschenkt oder der Tafel gegeben werden. Pervers genug. Das kann man nicht ausreichend thematisieren.
teleschau: Hat die Rolle Ihren eigenen Umgang mit Müll und Konsum verändert?
Ochsenknecht (entschieden): Nee, bei mir nicht. Ich habe schon immer einen Fokus darauf gehabt, dass wir so wenig Plastik wie überhaupt nur möglich einkaufen und dass wir den Müll natürlich auch trennen und dass wir die Natur nicht verschmutzen.
"Berlin kann nicht über Nacht zur Weltstadt werden"
teleschau: Sie leben in Berlin, sind in Biblis geboren und in Mannheim aufgewachsen. Was gefällt Ihnen an Berlin?
Ochsenknecht: Eigentlich bin ich zwiegespalten. Es ist immer schön, wiederzukommen, wenn ich länger nicht hier war. Aber Berlin hat mir ein bisschen zu viel von allem. Sei das jetzt Straßenlärm, Müll und zu wenig Parkplätze, davon gibt es viel (lacht). Natürlich sind immer viele Touristen in der Stadt, es ist sehr hektisch, und laut und ich sehe viele Menschen mit Bierflaschen auf der Straße rumlaufen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Berlin immer noch in der Pubertät ist. Es zieht sich, bis Berlin erwachsen wird.
teleschau: Wie meinen Sie das?
Ochsenknecht: Die Stadt hat sehr viel erlebt in ihrer Geschichte. Vielleicht hat sie dadurch die eigene Identität ein bisschen verloren, die sie erst langsam wieder finden muss. Ich fände es ganz falsch, wenn man Berlin jetzt von heute auf morgen zu einer Weltstadt machen wollte. Bei allen großen Städten der Welt - Paris, London, Madrid - hat es auch lange gedauert, bis die sich zu dem entwickelten, was sie sind. Und nur, weil hier überall dransteht: "Made in Berlin", oder weil man in manchen Lokalen nur noch auf Englisch bedient wird und die Kellner sagen: "Sorry, I don't speak German", hat man noch lange keine Weltstadt. Trotzdem lebe ich hier, habe aber einen Zweitwohnsitz auf Mallorca, wo ich immer bin, wenn ich Zeit habe.
teleschau: Wie verbringen Sie Ihre freie Zeit am liebsten?
Ochsenknecht: Ich mache gern Sport, zum Beispiel Joggen. Auf Mallorca und in Berlin spiele ich rund zweimal die Woche für je drei Stunden Padel-Tennis und nehme Trainerstunden. Dann habe ich auch mein Fitnessstudio. Ich lese natürlich auch gerne oder schaue mir Filme an.
teleschau: Welche Filme?
Ochsenknecht: Ich mag eigentlich alles. Am liebsten schaue ich mir Psycho-Krimis an, die alten Hitchcocks natürlich, aber es gibt auch viele gute neue Sachen, wo man bis zum Schluss nicht weiß, wer es war, und dann völlig daneben liegt. So was mag ich sehr gerne.
teleschau: Vom Drama "Engelchen flieg!", in dem Sie den überforderten Vater eines behinderten Mädchens gegeben haben, bis zu den Müllmännern spielen Sie eine enorme Bandbreite an unterschiedlichsten Rollen. Für welches Genre interessieren Sie sich am meisten?
Ochsenknecht: Gott sei Dank bietet man mir verschiedene Rollen an und legt mich nicht nur auf eine Figur fest, denn mich reizt immer die Abwechslung. Hochwertige Komödien mache ich gerne, das liegt mir auch ganz gut. Sonst ist es schön gemischt, das gefällt mir. Theater macht immer wieder Spaß, da habe ich gerade heute ein Gespräch geführt. Das werde ich wohl bald wieder in Angriff nehmen. An Regie denke ich immer mal, da habe ich auch ein Projekt am Laufen, aber das ist alles in der Entwicklung und dauert eine Weile.
teleschau: Welche Projekte stehen für Sie demnächst an?
Ochsenknecht: Wir haben am 9. Oktober Premiere von einem schönen Kinderfilm "Die Mucklas ... und wie sie zu Pettersson und Findus kamen", eine Fortsetzung der "Pettersson und Findus"-Filme. Der ist sehr schön geworden. Und am 9. Dezember kommt auf Amazon eine Weihnachtsserie, die ich gemacht habe, die heißt "Friedliche Weihnachten", sechs Folgen. Dann natürlich die beiden neuen Müllmann-Filme im Oktober.