Hamilton in der Mercedes-Falle
Lewis Hamilton versuchte es mit Galgenhumor. Irgendwie blieb dem Mercedes-Superstar auch nichts anderes übrig. Platz 18 im Qualifying, drittletzter Startplatz beim Großen Preis von China am Sonntag – für den siebenmaligen Weltmeister ist das ein Desaster.
Formel 1: Von Sprinterfolg zu Quali-Pleite in wenigen Stunden
„Ich werde mein Bestes geben. Der 18. Platz ist natürlich ziemlich mies. Und daher kann es eigentlich gar nicht mehr schlechter werden“, sagte er. Und versuchte, die Schmach wegzulachen.
Der Samstag in Shanghai steht sinnbildlich für die bisherige Saison des 39-Jährigen. Der Sprint am frühen Morgen deutscher Zeit weckte bei ihm Erinnerungen an bessere Zeiten, als er das Mini-Rennen teilweise anführte und am Ende Zweiter wurde.
Was zeigt: Mit ein bisschen Glück und den richtigen Bedingungen sind Highlights für die strauchelnden Silberpfeile durchaus drin. Klar war aber, dass Hamilton im Sprint überperformt hatte. „Das Ergebnis vom Sprint hat nicht den wahren Speed der Autos gezeigt“, bestätigte Teamchef Toto Wolff. „Wir haben mit Lewis davon profitiert, dass sich unsere Gegner hinter uns in einem Kampf aufgerieben haben.“
Hamilton leistet sich Fahrfehler
Deshalb erfolgten große Änderungen am Setup, um das Auto in den langsamen Kurven zu verbessern. Man habe versucht, zu experimentieren, sagte Hamilton: „Das müssen wir momentan. Es war gar nicht so schlecht an manchen Stellen, aber ich hatte Probleme in Kurve 14.“
Das war sein persönlicher Knackpunkt: Denn in der Kurve verbremste sich der Brite böse, verlor Momentum und Rhythmus. Bitter: Er war zu dem Zeitpunkt auf einem lockeren Kurs in Richtung Q2, war schneller als Teamkollege George Russell, verhaute durch den Verbremser aber den letzten Sektor, in dem er 0,625 Sekunden (!) langsamer war als Russell. Und am Ende 18. wurde.
„Vielleicht war er unzufrieden, ist zu viel Risiko eingegangen“, mutmaßte Sky-Experte Ralf Schumacher.
Rosberg mit heftiger Kritik an Hamilton
Deutlich härter ins Gericht mit dem siebenmaligen Weltmeister ging dessen Ex-Teamkollege Nico Rosberg. Der Champion von 2016 schien regelrecht Spaß daran zu finden, seinen einstigen Jugendkumpel und Mercedes-Rivalen abzuwatschen. Die Kritik ist zu einem großen Teil berechtigt, muss man allerdings dazu sagen.
„Es ist ein heftiger Tag für ihn. Das war ein Fehler, den ein siebenmaliger Weltmeister normalerweise nicht machen sollte“, so Rosberg bei Sky. „Er war auf einer Superrunde, er war eigentlich safe. Und er weiß, dass da der Wind von hinten kommt. Der Wind hat sich hier gedreht im Vergleich zu gestern. Und das ist natürlich riskant. Und dass du dann so spät bremst, dass du es komplett verhaust da, gerade in der entscheidenden Phase - das war echt ungünstig.“
Teamchef Toto Wolff verwies in der Mercedes-Pressemitteilung auch darauf, dass Hamilton ohne den Patzer „problemlos aus Q1 herausgekommen“ wäre. Fakt ist: In Qualifying-Duellen steht es inzwischen 1:4 aus Sicht von Hamilton, auch in der Gesamtwertung hat Russell mit 25:17 Punkten die Nase vorne.
Und natürlich muss sich der Brite immer wieder mit der Tatsache auseinandersetzen, dass er nach der Saison zu Ferrari wechselt. Verbunden mit der Frage: Ist er mit seinem Kopf schon in Maranello?
Steht Hamilton der Wechsel zu Ferrari im Weg?
Für Rosberg steht fest: „Lewis hat gerade eine schwierige Phase. Auch, weil er weiß, er ist schon bald in einem anderen Team. Du bist dann nur noch halb ein Teil der Familie. Irgendwann kommt dann der Punkt, wo Toto sagt, du darfst nicht mehr in alle Daten schauen. Das ist super unschön, wenn du merkst, dass das Team Sachen vor dir versteckt.“
Allein: Hamilton hat die Situation selbst heraufbeschworen. Deshalb hat Rosberg auch kein Mitleid für seine Aussage, Russell habe ein anderes Setup gehabt. „Für mich ist das ein bisschen seine Ausrede in diesem Jahr: ‚Wir sind so weit auseinander mit dem Setup und das ist das Problem‘“, sagte Rosberg: „Und George, der sitzt dann daneben sagt: ‚Auseinander mit dem Setup? Letztes Mal, als ich geguckt habe, hatten wir das gleiche Setup.‘“
So oder so: Laut Chefingenieur Andrew Shovlin war keiner seiner Fahrer glücklich mit dem Silberpfeil. „Die neue Windrichtung hat die Balance der Autos gestört. In einigen Kurven hatten wir Untersteuern, in anderen brach das Heck aus.“
Egal woher der Wind weht, der Sonntag wird für Hamilton nicht einfach. „Wir können immer noch Spaß haben“, räumt er trotzdem ein, „obwohl wir von P18 starten.“ Vor allem mit Galgenhumor.