Harald Lesch rechnet im BR mit Söder und Aiwanger ab: "Haarsträubende Falschaussagen"

Harald Lesch hat den Eindruck, dass in der Politik elementare Kenntnisse zu Energiefragen nicht vorhanden sind. (Bild: BR)
Harald Lesch hat den Eindruck, dass in der Politik elementare Kenntnisse zu Energiefragen nicht vorhanden sind. (Bild: BR)

"Da liegt man als Wissenschaftler mit Krämpfen auf dem Boden": Im BR-Talk "Der Sonntags-Stammtisch" redete sich Harald Lesch über mangelndes wissenschaftliches Know-how in der Politik in Rage. Besonders zwei bayerische Landespolitiker hätten ihn "unglaublich geärgert".

Harald Lesch ist nicht nur Hochschulprofessor und Wissenschaftsvermittler im ZDF, sondern auch Buchautor. Aktuell schreibt er an einem Band mit dem Titel "Physik für Politiker". Seine Motivation für das Projekt offenbarte der 63-Jährige als Gast der BR-Sendung "Der Sonntags-Stammtisch": "Ich und viele Kolleginnen und Kollegen haben den Eindruck, dass wirklich ganz wichtige Kenntnisse über das, was notwendig wäre zu einer Transformationssituation - wo es um Energiewende, Klimaschutz und so weiter geht - offenbar nicht verstanden werden."

Dieser Eindruck basiere unter anderem darauf, dass es unter Politikern noch immer eine "Gläubigkeit an 'Wunderwaffen'" gebe, also an neue Technologien, die es einem ermöglichen würden, "weiterzumachen wie bisher". Im Energiebereich sei das etwa die viel diskutierte Kernfusion. In Wahrheit, so Lesch im BR-Talk am Sonntag (21. Januar), sei ein Umstieg auf erneuerbare Energien unumgänglich. Die bei Politikern beliebte Forderung der Offenheit in Technologiefragen entlarvte er als intellektuellen Offenbarungseid: "Technikoffenheit ist eigentlich ein Ausdruck für technische Ahnungslosigkeit. Aber es wird halt immer wieder in die Debatte geworfen."

Im BR-"Sonntags-Stammtisch" begrüßte Moderator Hans Werner Kilz Anja Kohl, Wolfgang Bosbach (Zweiter von links), Harald Lesch und Klaus Bogenberger (rechts). (Bild: BR)
Im BR-"Sonntags-Stammtisch" begrüßte Moderator Hans Werner Kilz Anja Kohl, Wolfgang Bosbach (Zweiter von links), Harald Lesch und Klaus Bogenberger (rechts). (Bild: BR)

"Da liegt man als Wissenschaftler mit Krämpfen auf dem Boden"

Man merke an den Äußerungen "aus allen Teilen der Politik", dass über das Thema Energie "einfach viel zu wenig Know-how" vorhanden sei, kritisierte der ZDF-Moderator ("Leschs Kosmos"). "Unglaublich geärgert" habe er sich in diesem Zusammenhang über Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident hatte unlängst über neuartige Kernkraftwerke gesprochen, die ein Endlager unnötig machen würden. Über die Aussagen Söders habe das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in einem Faktencheck festgestellt: "alles falsch".

Nicht besser kommt bei Harald Lesch Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger weg. Der bayerische Vize-Ministerpräsident hatte 2019 in der BR-Sendung "Münchner Runde" behauptet, 25 Quadratkilometer Aufforstung pro Jahr würden die CO2-Emissionen Deutschlands kompensieren. Lesch ist fassungslos: "Da liegt man als Wissenschaftler mit Krämpfen auf dem Boden. Wie kann der Mann denn so was sagen? Wie kann es denn sein, dass so was in der Runde einfach durchgelassen wird, wo es doch 1,2 Millionen Quadratkilometer sind, die notwendig wären?" Insgesamt beobachte er in der Politik "viel naturwissenschaftliche Ahnungslosigkeit".

Harald Lesch: Schuldenbremse "nagelt der Politik die Tür zu"

Auch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ist dem Astrophysiker ein Dorn im Auge. Hätte es die schon immer gegeben, "hätte man zum Beispiel in München kein Kanalsystem Anfang des Jahrhunderts machen können". Heute stehe man wieder vor Herausforderungen, die deutlich über das eine Jahr hinausgehen, welches das Bundesverfassungsgericht zur Bemessungsgrenze für die Neuverschuldung erhoben hat. Die Freude in der Union über das Urteil der Verfassungsrichter habe ihn sehr gewundert, "weil das nagelt der Politik in Deutschland doch dermaßen die Tür zu".

Lesch redete sich am BR-"Stammtisch" in Rage: "Wir stehen vor technischen, vor gesellschaftlichen Herausforderungen, die so noch nie da waren, deswegen ist jeder Rückgriff auf etwas, wie's mal war, eigentlich falsch. Wir müssen nach vorne gucken - was muss getan werden? -, und dafür müssen wir Geld in die Hand nehmen." Stattdessen erlebe er, "wie Politiker in Deutschland mit teilweise haarsträubenden Falschaussagen" auffielen.

"Technikoffenheit ist eigentlich ein Ausdruck für technische Ahnungslosigkeit"

Wieder wetterte der Wissenschaftler gegen den CSU-Chef Markus Söder. Der hatte vergangenes Jahr vorgerechnet, die Heiz-Pläne der Bundesregierung würden Hauseigentümer bis zu 300.000 Euro kosten. Lesch kann die Kalkulation nicht nachvollziehen: "Eine Wärmepumpe kostet keine 300.000 Euro. Er hat es aber gesagt. Warum?" Sein Rat: "Haltet mal den Ball flach!"

Überrascht über die Vielzahl der Anwürfe gegen den CSU-Vorsitzenden zeigte sich im BR-"Sonntags-Stammtisch" Unionspolitiker Wolfgang Bosbach, der unverblümt nachfragte: "Er ist jetzt nicht direkt Ihr Freund, Markus Söder?" Lesch antwortete betont gequält mit einem Seufzer: "Er ist Ministerpräsident von Bayern. Und ich lebe in München. Und das ist in Bayern."