"Hart aber fair"-Zoff zum Heizungschaos: "Schuld sind alle hier am Tisch"

"Grüner Filz bei Habeck: Ist die Energiewende in Gefahr?", titelte die aktueller "Hart aber fair"-Ausgabe. (Bild: ARD/WDR)
"Grüner Filz bei Habeck: Ist die Energiewende in Gefahr?", titelte die aktueller "Hart aber fair"-Ausgabe. (Bild: ARD/WDR)

Vetternwirtschaft im Grünen Wirtschaftsministerium und kommunikatives Chaos beim Heizungsgesetzesentwurf. Die neueste Ausgabe von "Hart aber fair" mit Moderator Louis Klamroth lieferte hitzige Debatten, aufgewärmte Argumente und jede Menge heiße Luft. Nur von der viel zitierten Klarheit fehlte jede Spur.

Ins Studio von "Hart aber fair" hat es Sandra Moraitidis am Montagabend nicht geschafft: Seit Bekanntwerden des geplanten neuen Heizgesetzes, ab 1.1. 2024 reine Öl- und Gasheizungen zu verbieten, geht es in ihrem Betrieb für Heizungs- und Klimatechnik in Nordrhein-Westfalen rund. "Es sind Hamsterkäufe getätigt worden und alles ist abgegrast am Markt", erklärt die Unternehmerin, "es gibt keine Öl-, keine Gasanlagen, keine Wärmepumpen. Die Leute sind verunsichert. Schön wäre es für Endverbraucher, dass Klarheit herrscht."

Ihr Wunsch stieß an diesem Abend auf taube Ohren, denn "so richtig klar ist da gar nichts" - formuliert es Louis Klamroth treffend. Während Katrin Göring-Eckardt, B'90/Grüne und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, aus "Fairness den Leuten gegenüber" von einer Verabschiedung des Gesetzesentwurfs noch vor der Sommerpause ausgeht, sieht Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender des Koalitionspartners FDP, das anders: "Es ist nicht entscheidend, wann dieses Gesetz in diesem Jahr kommt, sondern dass es ein gutes Gesetz gibt." Ob er damit - wie FDP Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kürzlich forderte - einen Neustart beim Heizungsgesetz andeutete oder nicht, das blieb trotz mehrmaligem Nachfragen offen.

Moderator Louis Klamroth hatte alle Hände voll zu tun, die aufgeheizte Atmosphäre zu bändigen. (Bild: ARD/WDR)
Moderator Louis Klamroth hatte alle Hände voll zu tun, die aufgeheizte Atmosphäre zu bändigen. (Bild: ARD/WDR)

Die FDP, der "Oppositionspartner" der Grünen

Im aktuellen Entwurf fehle es an "echter Technologieoffenheit", monierte Dürr. Was Letzteres bedeutet, dazu lieferten sich die Gäste bei Louis Klamroth hitzige Diskussionen: Laut Julia Klöckner, Wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, liege der Fokus zu stark auf dem Thema Wärmepumpen: "Das ist eine gute Erfindung, passt aber nicht überall", kritisiert sie, dass "das Pferd falsch aufgesattelt wurde, nämlich von hinten". Zuerst brauche es eine kommunale Wärmeplanung, damit Hausbesitzende entscheiden können, welche Heizung passt - und dazu gehören Biomasse und Holzpellets.

"Der Entwurf ist schon wirklich technologieoffen", betont Göring-Eckardt. So werde von 65 Prozent erneuerbaren Energien ausgegangen, "ob es erreicht wird mit Hybridheizung, also mit einer kleineren Wärmepumpe, plus Gasheizung, ob es erreicht wird mit anderen Technologien - alles gut, alles richtig, alles möglich."

Für ihren Koalitionspartner - oder "Oppositionspartner", wie "Spiegel"-Journalist Markus Feldenkirchen in einem Freud'schen Versprecher meint - fehlt es an etwas Entscheidendem: "In Deutschland haben wir ein Gasnetz, das eine halbe Million Kilometer lang ist, das hat einen Wert von 270 Milliarden Euro. Meine Sorge beim aktuellen Gesetz ist, dass das Gaswerk außer Kraft gesetzt wird und dann muss ein Stromnetz für mehrere Hunderte Milliarden Euro zugebaut werden. Das zahlt jemand, nämlich die privaten Haushalte."

Sinnvoller wäre es, die Gasnetze beispielsweise mit Biogas oder Wasserstoff weiterzunutzen, meint er und fügt hinzu: "Das sagt nicht nur die FDP, sondern das sagt der Verband der kommunalen Unternehmen, das heißt alle Stadtwerke in Deutschland."

Zwischen Grünen und FDP gibt es in Sachen  Heizwende wenig Konsens, Katrin Göring-Eckardt und Christian Dürr veranschaulichten das bei "Hart aber fair". (Bild: ARD/WDR)
Zwischen Grünen und FDP gibt es in Sachen Heizwende wenig Konsens, Katrin Göring-Eckardt und Christian Dürr veranschaulichten das bei "Hart aber fair". (Bild: ARD/WDR)

Göring-Eckardt: "Da ist in der Tat eine große fossile Lobby am Start"

"Herr Tenhagen, geht das?", es ist nicht das erste und einzige Mal, dass sich Louis Klamroth an Hermann-Josef Tenhagen, als Wirtschaftsjournalist und Chefredakteur des Verbraucher-Ratgebers "Finanztip" Experte in diesen Fragen, richtet. "Technisch geht das, aber das Herstellen von Wasserstoff in diesen Mengen ist nirgendwo am Horizont", meint der "Anwalt der Verbraucher". Als solcher steht für ihn ohnehin eine andere Frage im Zentrum: Nicht jeder kann sich etwa eine Wärmepumpe um 25.000 Euro leisten. "Die Leute wollen nur wissen, wo ihre Förderung herkommt und wie viel das ist, verflixt noch mal."

Eine klare Antwort gibt es darauf nicht. Im Gesetzesentwurf ist von 30 bis 50 Prozent der Kosten die Rede. Die CDU fordert 50 Prozent für alle plus Sonderförderung, die SPD eine Staffelung nach Einkommen. Auch die Grünen wollen jetzt bis zu 80 Prozent Förderung für Geringverdiener und damit für Haushalte, die weniger als 20.000 Euro Einkommen pro Jahr haben. "Wir haben den Fehler gemacht, dass wir nicht von Vornherein mitgedacht haben, was das sozial, ökologisch und ökonomisch bedeutet. Die soziale Frage mitzudenken ist das A und O, wenn man solche großen Veränderungen plant", gesteht Göring-Eckardt ein Manko beim Vorlegen des Gesetzesentwurfs ein.

Es war nicht das Einzige: "Es geht nicht darum, dass alle Leute im nächsten Jahr ihre Heizungen neu bauen müssen", schließlich würden laut Herrn Tenhagen jährlich bloß 0,7 Prozent und damit etwa 140.000 Heizungen kaputtgehen. "Wir haben dafür Zeit. Das hätten wir von Anfang an deutlicher sagen müssen", meint sie. Deutlich Stellung bezieht Göring-Eckardt hingegen hinsichtlich ihres Koalitionspartners FDP: "Was ich nicht akzeptiere ist, dass man jetzt immer neue Ausreden dafür findet, weil man es eigentlich nicht will", sagt sie, "da ist in der Tat eine große fossile Lobby am Start. Und die alten Antworten für neue Fragen wird nicht funktionieren."

"Compliance-Regeln gibt es ja bereits, an die muss man sich halten"

Kritik an der FDP kommt auch im Laufe des Abends von anderer Seite: "Dass Sie das beherzt angehen wollen, den Eindruck vermitteln Sie nicht", zieht Journalist Markus Feldenkirchen Dürr stellvertretend in die Verantwortung. Doch damit nicht genug: "Schuld sind alle hier am Tisch", meint er. So habe die Union über Jahre das Problem des Klimawandels hinweg ignoriert, sodass jetzt eine Aufholjagd stattfinden müsse. Journalisten hätten nicht auf die Wissenschaft gehört. "Man muss es den Grünen zugute alten, dass sie sich in Form von Robert Habeck und dem Ministerium zumindest bemühen", meint er, allerdings: "muss ich Projekte, die ich vorhabe, professionell vorbereiten, und ich muss mein Umfeld darauf checken, ob es wirklich glaubwürdig ist."

Dass nach Staatssekretär Patrick Graichen, der wegen Vetternwirtschaft zurücktreten musste, jetzt mit Staatssekretär Udo Philipp ein weiteres Teammitglied von Robert Habeck zu "möglichen Interessenkonflikten" befragt wird, war schon zuvor Thema bei "Hart aber fair". "Compliance-Regeln gibt es ja bereits, die müssen nicht erfunden werden, an die muss man sich halten, und das erwarte ich schlicht und einfach", nach Mitleid mit dem Koalitionspartner klingt Christian Dürrs Antwort für Louis Klamroth nicht: "Das ärgert, glaube ich, auch alle Menschen in Deutschland, wenn man den Eindruck hat, dass Politik sich mit sich selbst beschäftigt und nicht mit den Herausforderungen des Landes." Von Letzteren gibt es mit Wärme- und Energiewende ja genug ...