Henning Baum über Angriffe auf die Feuerwehr: "Das ist nicht die Gesellschaft, in der wir leben wollen"
Im vierten "Einsatz für Henning Baum" (Donnerstag, 16. Mai, 20.15 Uhr) blickt der Schauspieler als Auszubildender hinter die Kulissen der Feuerwehr. Was ihn dabei am meisten beeindruckte, verrät der 51-Jährige im Interview.
Schauspieler Henning Baum ("Der letzte Bulle") ist kein Mann für halbe Sachen: Dreimal schon blickte der gelernte Rettungssanitäter für RTL hinter die Kulissen der Polizei, der Bundeswehr und des Rettungsdienstes. Im vierten "Einsatz für Henning Baum" blickt er auf die Feuerwehr. Die Dokumentation "Einsatz für Henning Baum: 112 Inside Feuerwehr" ist am Donnerstag, 16. Mai, 20.15 Uhr, bei RTL zu sehen. Im Interview beschreibt der inzwischen 51-Jährige, welche besonderen Eigenschaften Feuerwehrleute auszeichnen. Außerdem spricht der gebürtige Essener über die Nachwuchssorgen in dem Berufsfeld und findet klare Worte für all diejenigen, die die Feuerwehrleute in einen Einsatz locken, um sie anschließend anzugreifen.
teleschau: Viele Kinder träumen davon, Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau zu werden. Wie war das bei Ihnen?
Henning Baum: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich Feuerwehrmann werden wollte, aber ich habe damals natürlich auch fasziniert auf die Feuerwehr geguckt. Ich glaube, ich hatte als Kind gar keinen expliziten Berufswunsch.
teleschau: Könnten Sie sich das heute - nach Ihren Eindrücken durch die Dokumentation - für den kleinen Henning Baum vorstellen?
Baum: Ja, klar. Sogar viel mehr! Ich habe so viel über die Feuerwehr gelernt, wie ich mir zu Beginn der Doku gar nicht vorgestellt hatte. Die Feuerwehr ist ein viel komplexeres Arbeitsfeld, als ich zunächst angenommen habe. Obwohl ich den Rettungsdienst kenne und weiß, dass da auch Feuerwehrleute arbeiten, hatte ich mir die Aufgaben der Feuerwehr nicht so vielfältig vorgestellt.
teleschau: Inwiefern?
Baum: Wer bei der Feuerwehr arbeitet, hat im Grunde gleich mehrere Berufe: Wer früher zur Feuerwehr gegangen ist, hatte meist schon einen Handwerkberuf erlernt. Darauf wurde dann die Ausbildung bei der Feuerwehr gesetzt, also alles, was mit Brandbekämpfung und den spezifischen Aufgaben einer Feuerwehr zu tun hat. Darüber hinaus sind alle Feuerwehrleute auch noch Rettungssanitäter und einige Notfallsanitäter, haben also eine dreijährige Ausbildung abgeschlossen. Das heißt, sie sind in der Notfallmedizin hoch qualifiziert.
"Das sind sehr zupackende, entschlossene Menschen"
teleschau: In welchen Situationen ist eine handwerkliche Ausbildung für die Feuerwehr nützlich?
Baum: Während meiner Zeit bei der Feuerwehr gab es einen Gasalarm in einem Wohnhaus. Gemeinsam mit einem Kameraden habe ich dann das Wohnhaus inspiziert. Und da dieser eine Ausbildung zum Wasserinstallateur hatte, fiel ihm direkt auf, dass bestimmte Rohre völlig falsch verlegt waren und dies die Ursache des Problems sein könnte. Das sieht jemand ohne diese Ausbildung gar nicht. Durch diese vielfältigen Aufgaben ist die Feuerwehr anspruchsvoll, es wird einem dort aber auch nie langweilig.
teleschau: Wie würden Sie die Menschen beschreiben, die bei der Feuerwehr arbeiten?
Baum: Das sind sehr zupackende, entschlossene Menschen. Leute, die einen klaren Blick haben, die nicht lange zaudern und auch in krisenhaften Momenten, die Lage klar analysieren können, um dann zu entscheiden, was zu tun ist und das auch tun. Diese Fähigkeiten sind sicher auch in anderen Bereichen von Nutzen, bei der Feuerwehr aber sind sie unabdingbar. Und es kommt noch etwas dazu: Bei der Feuerwehr ist ein extrem hohes Maß an Kameradschaft nötig. Die Kameraden müssen sich absolut aufeinander verlassen können, denn der Beruf ist lebensgefährlich. Das habe ich im Einsatz selbst erlebt.
"Ich habe selten Orte betreten, die mich sofort mit einer solchen Energie erfüllt haben"
teleschau: Wie drückt sich dieser Zusammenhalt im Alltag aus?
Baum: Auf der Wache herrscht ein sehr aufgeschlossenes und geordnetes Klima. Die Kameraden pflegen einen wirklich freundschaftlichen Umgang miteinander: Morgens geben sich die Feuerwehrmänner und -frauen zur Begrüßung die Hand, sie bereiten zusammen die Mahlzeiten vor und essen miteinander, wobei sie jederzeit zu einem Einsatz abberufen werden können. Der Tagesablauf bei der Feuerwehr ist eingebettet in bestimmte Rituale. Das stärkt den Zusammenhalt und hat etwas unglaublich Wohltuendes. Ich habe selten Orte betreten, die mich sofort mit einer solchen Energie erfüllt haben, wie die Feuerwache in Hamburg. Da gibt es kein Gezeter und keine Intrigen, weil jede Person weiß, wie wichtig Einigkeit ist. Diese Einigkeit führt zu einer großen Handlungsstärke. Und das ist eigentlich das, was wir uns auch in der Familie, im Freundeskreis, im Dorf oder auch in unserem gesamten Land, in der Gesellschaft wünschen.
teleschau: Ist es dieser Zusammenhalt, der die Menschen dazu bringt, sich täglich für andere in Gefahr zu bringen?
Baum: Der bringt sie nicht dazu, aber er macht das möglich. Denn die Feuerwehrleute wissen, wenn sie in eine gefährliche Brandsituation hineingehen, können sie sich aufeinander verlassen. Die Leute passen aufeinander auf, und das müssen sie auch! Ich habe das in der Ausbildung selbst erlebt: Mitten im Brand sieht man die Hand vor Augen nicht.
Über Angriffe auf Feuerwehrleute
teleschau: Welches der vielen Erlebnisse ist Ihnen von Ihrer Ausbildung am meisten in Erinnerung geblieben?
Baum: Sicherlich die enorme Hitze, mit der ich lernen musste, umzugehen, und die Rauchbildung in der Brandkammer. Wir haben da einen starken Wohnungsbrand simuliert, mussten mit schwerem Atemschutz am Boden durch die Wohnung kriechen. Plötzlich gab es einen großen Feuerschwall und wir hatten den Kopf mitten in den Flammen. Trotz Schutzausrichtung mussten wir wirklich komplett auf den Boden gehen, um das überhaupt auszuhalten. Die Enge und die Angst, die einen in einer solch klaustrophobischen Situation befallen kann ... - denn ich kann nicht einfach die Maske runterreißen und sagen: "Game over! Ich steig aus dem Spiel aus!" Das wäre lebensgefährlich. Ein anderes Beispiel war der Fall, in dem ein älterer Herr im Fitnessstudio umgekippt ist und von mir und meinen Kollegen reanimiert werden musste.
teleschau: Wie gehen Sie mit solchen Situationen um, damit Sie das nachträglich nicht belastet?
Baum: Mich belastet das nicht! Ich habe eine Ausbildung als Rettungssanitäter, da gehört das zum Alltag. Man muss versuchen, die Fälle während der Dienstzeit zu bearbeiten und auch dort zu lassen, andernfalls wird es schwierig. Es gibt sicherlich Einsätze, die weit über das hinausgehen, was sich Durchschnittsmenschen vorstellen können. Aber auch das können die Feuerwehrleute in der Regel gut verarbeiten. Das ist nicht das, was das große Problem ist ...
teleschau: Sondern?
Baum: Das große Problem ist, dass Feuerwehrleute - neben den beruflichen Gefahren wie zum Beispiel einer Rauchvergiftung - nicht selten in einen Einsatz gelockt werden, um einen Brand zu löschen und dann von einem Mob angegriffen werden. Und dieser Mob tut das mit Lust, filmt sich dabei und brüstet sich damit im Internet. Das ist genau das, was Feuerwehrleute zu Recht belastet. Und was auch unsere Gesellschaft belastet. Die Gesellschaft muss sich klarmachen, was da passiert.
"Wir alle sollten uns fragen, ob wir wirklich genug dagegen tun"
teleschau: Für die Doku sprachen Sie auch mit Politikerinnen und Politikern. Kam das Thema dabei auf den Tisch?
Baum: Nein, deswegen habe ich nicht mit Politikern gesprochen, aber Politik und Staatsanwaltschaft sollten sich das Problem gut ansehen. Das muss sich auch die Staatsanwaltschaft ansehen. Wir alle sollten uns fragen, ob wir wirklich genug dagegen tun. Denn das ist nicht die Gesellschaft, in der wir leben wollen.
teleschau: Haben Sie Vorschläge, wie man dieses Problem lösen könnte?
Baum: Dafür haben wir die Justiz und die Politik. Das sind Fachleute, die können sich damit auseinandersetzen. Ich kann nur bitten, genau hinzugucken, denn diese Zustände dürfen wir so nicht dulden.
"Der Feuerwehrmann muss das aus einem inneren Antrieb heraus tun"
teleschau: Mit welchen weiteren Problemen sieht sich die Feuerwehr tagtäglich konfrontiert?
Baum: Es gibt wie immer Probleme mit dem Nachwuchs. Denn es fehlen Leute, die auch wirklich eingestellt werden können. Rettungssanitäter und Notfallsanitäter fehlen, dabei ist der Beruf hochinteressant und hoch qualifiziert.
teleschau: Wie könnte man hierfür mehr Bewerber erreichen?
Baum: Das ist eine schwierige Frage. Irgendwelche Sprüche oder Spielereien sind da jedenfalls fehl am Platz. Der Feuerwehrmann muss das aus einem inneren Antrieb heraus tun. Das sind auch keine Leute, die als Erstes nach einer Work-Life-Balance schreien. Mit der Haltung braucht man da gar nicht anzutanzen.
teleschau: Ist der Wunsch nach einer besseren Bezahlung auch ein Thema, ähnlich wie in der Pflege?
Baum: Feuerwehrleute werden nach einem Beamtentarif bezahlt. Sicherlich, auch da könnte es mehr Geld geben. Das große Problem ist aber, dass sie durch den Personalmangel immer mehr und immer länger arbeiten müssen, was sie am Ende auslaugt. Mir scheint, es ist bei der Feuerwehr wie auch bei der Polizei wichtig, dass diejenigen, die an den Schnittstellen zwischen der Behörde und der Politik sitzen, genau hinhören, was ihre Leute im Einsatz erleben und was deren Bedürfnisse sind. Der vertikale Dialog ist wichtig.
"Es gibt jede Menge Berufsgruppen, die eine solche Beobachtung verdienen"
teleschau: Ist dieser Austausch auch ein Grund, weswegen Sie verstärkt solche Sendungen wie "Einsatz für Henning Baum" machen? Wollen Sie die Berufsgruppen ins Bewusstsein der Allgemeinheit holen?
Baum: Ja, das hat schon was damit zu tun. Ich möchte, dass das Publikum einen Einblick bekommt in den Berufsalltag der jeweiligen Berufsgruppe, dass sich Menschen ein eigenes Bild machen können und dass das vielleicht zu Verständnis und zu einem besseren Zusammenhalt in der Gesellschaft beiträgt. Das ist vielleicht nur ein frommer Wunsch von mir. Ich weiß nicht, wie gut das klappt. Aber vielleicht gelingt es uns durch die Sendung, die Spaltung, die in unserem Land Einzug gehalten hat, ein bisschen zurückzudrängen und stattdessen Einigkeit und Zusammenhalt zu stiften.
teleschau: Der Besuch bei der Feuerwehr war bereits Ihr vierter Einsatz für RTL. Zuvor waren Sie bereits bei der Polizei, der Bundeswehr und im Rettungsdienst. Welche Berufsgruppe hätte Ihrer Meinung nach noch eine solch intensive Beobachtung verdient?
Baum: Es gibt jede Menge Berufsgruppen, die eine solche Beobachtung verdienen. Nehmen Sie zum Beispiel das Handwerk. Die jungen Leute wollen heutzutage alle studieren oder Bitcoin-Händler werden, aber keiner will mehr Handwerker werden. Doch egal, welchen Beruf wir letztlich porträtieren: Es ist immer interessant, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich kann jedem nur raten, mal mit offenen Augen durch die Welt zu gehen.