Hidden Headlines: Können Maschinen bald Hits vorhersagen?

Eine neue Künstliche Intelligenz erkennt nur anhand der Daten einer Smart Watch, ob ein Hörer oder eine Hörerin gerade einen Hit hört. Produzieren kann der Algorithmus deshalb aber noch lange keine erfolgreiche Musik.

Können Roboter Hits erkennen oder sogar produzieren? (Symbolbild: Getty Images)
Können Roboter Hits erkennen oder sogar produzieren? (Symbolbild: Getty Images)

Weniger als vier Prozent aller Lieder schaffen es in die Charts. Streaming-Plattformen, Produzent*innen und Künstler*innen suchen deshalb schon lange nach einer Erfolgsgarantie. Eine Künstliche Intelligenz könnte nun neue Hinweise liefern. Die Software erkennt – das versprechen zumindest die Forschenden dahinter in einer aktuellen Studie – anhand der körperlichen Reaktion von Hörer*innen, ob gerade ein Hit oder ein Flop läuft.

Warum der ganze Wirbel?

Weckt ein Lied Emotionen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es erfolgreich wird. Forschende der Claremont Graduate University nahe Los Angeles haben das nun genutzt, um eine Künstliche Intelligenz zu entwickeln. Die basiert auf Daten, die mit gewöhnlichen Smart Watches erhoben wurden, während Proband*innen bestimmte Lieder hörten.

Die Daten, beispielsweise der Verlauf des Herzschlags, sollen Rückschlüsse auf Vorgänge im Gehirn zulassen. Sie zeigen etwa, wann und ob Dopamin oder Oxytocin ausgeschüttet wurden. Daraus wollen die Forschenden lesen können, wie aufmerksam die Proband*innen den Liedern zuhörten und wie ihre emotionale Reaktion darauf ausfiel. Tatsächlich, das schreiben die Forschenden, konnten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit anhand der Daten erkennen, wann die Proband*innen ein erfolgreiches Lied hörten und wann nicht.

Das sind die Hintergründe

Insgesamt haben an der Studie, die kürzlich im Journal Frontiers in Artificial Intelligence erschienen ist, 33 Proband*innen im Alter zwischen 18 und 57 Jahren mitgemacht. Dafür wurden sie gebeten, sich Lieder anzuhören. Dabei handelte es sich entweder um Erfolge, sie wiesen mehr als 700.000 Aufrufe auf einer Streaming-Plattform auf, oder um Flops. Insgesamt waren es 24 Lieder der Genres Rock, Hip-Hop und EDM.

Während die Proband*innen die Lieder hörten, trugen sie eine Smart Watch. Die zeichnete sogenannte neurophysiologische Signale auf, also beispielsweise den Herzschlag. Diese Signale werteten die Forschenden dann aus.

Wie sehen die Ergebnisse aus?

Leiter der Untersuchung war Paul Zak. Er ist Neuroökonom, eine Verknüpfung der Disziplinen Neurowissenschaften und Wirtschaftswissenschaften, und einer der am häufigsten zitierten Forschenden der Welt. Er untersucht vor allem, wie das Hormon Oxytocin das Verhalten der Menschen beeinflusst.

Zak sprach kürzlich mit El País über seine aktuelle Studie. Demnach würden Menschen oft sagen, ein Lied wegen des Rhythmus oder der Melodie zu mögen. Genauer begründen könnten sie es aber nicht. „Aber ihr Gehirn weiß genau, ob ein Lied gut ist oder nicht. Auch wenn dieses Wissen nicht ins Bewusstsein tritt.“

Zaks Daten zeigten in 69 Prozent der Fälle, ob die Proband*innen gerade einen Hit oder Flop hörten. Das war dem Forschenden aber noch nicht gut genug. Deshalb trainierten sie mit den Daten eine Künstliche Intelligenz. Die konnte dann – wie genau ist nicht ganz klar – in 97 Prozent der Fälle erkennen, ob neurophysiologischen Signale entstanden sind, während die Proband*innen ein erfolgreiches Lied hörten oder ein nicht-erfolgreiches.

Was bedeutet das?

Daten, einzig und allein erhoben mit einer konventionellen Smart Watch, reichten in diesem Fall also aus, um einen vielgehörten Hit zu erkennen. Das Team weist aber darauf hin, dass die Studie einen sehr kleinen Umfang hatte. Sprich: nur wenige Proband*innen und Lieder. Dennoch sind sie überzeugt, dass die Methode auch auf andere Unterhaltungsformate übertragen werden könnte. Man würde also testen, ob jemand einen erfolgreichen Film oder eine erfolgreiche Serie schaut.

Es gibt aber auch bereits praktische Anwendungen für die KI im Musikbereich. Sie konnte in einer Case Study bei unbekannten Liedern vorhersagen, wie diese auf Spotify performen würden. Sie prophezeite mit 92-prozentiger Genauigkeit die Anzahl der Streams – und zwar einen Monat nach Veröffentlichung.

El País wollte deshalb von Paul Zak wissen, ob seine KI auch einen perfekten Song produzieren könnte. Er sagte, sie könne eher ein bestehendes Lied verbessern, indem sie die Reaktionen eines Testpublikums messe. Mit ein wenig Feintuning an Rhythmus oder Harmonie könnte sie die „emotionalen Reaktionen bei den Hörer*innen" verbessern. „Wir brauchen aber auf jeden Fall Künstler*innen, die zuerst die Kreativarbeit leisten“, sagt er.