Hilfsbereitschaft für Ukraine-Flüchtlinge lässt leicht nach
Berlin (dpa) - Der russische Angriff auf die Ukraine hat in Deutschland eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst, die bis heute anhält. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim). Die Studie, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und sich auf zwei repräsentative Umfragen stützt, zeigt allerdings auch, dass die Bereitschaft, Geflüchtete aus der Ukraine zu unterstützen, seit den ersten Kriegstagen etwas nachgelassen hat.
War Anfang März noch mehr als jeder Vierte (27 Prozent) bereit, geflüchtete Menschen aus der Ukraine vorübergehend im eigenen Zuhause aufzunehmen, so sank der Anteil derjenigen, für die das denkbar wäre, später auf 17 Prozent.
So bewundernswert die Hilfsbereitschaft der Menschen sei, eine dauerhafte Lösung sei sie nicht, sagte der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae. «Wir müssen feste Mechanismen etablieren, damit die Flüchtlinge besser auf die Bundesländer verteilt werden, die noch Kapazitäten haben», forderte er. Voraussetzung dafür seien aktuelle, belastbare Daten darüber, wie viele Flüchtlinge sich wo aufhalten. Laut Schätzungen sind derzeit rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland. Genaue Zahlen gibt es auch deshalb nicht, weil die Zahl der Zurückgekehrten nicht sofort erfasst werden kann.
Forderung nach einem Flüchtlingsgipfel
Zudem brauche es einen Flüchtlingsgipfel, um über eine faire und sinnvolle Verteilung der Unterbringungs- und Versorgungskosten auf Bund und Länder zu sprechen, sagte Thomae. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich diese Woche offen gezeigt für eine solche Runde.
Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang sagte, ihr Bundesland sei weiter bereit zur Aufnahme von Flüchtlingen, vermisse bei der Bewältigung dieser Aufgabe jedoch Unterstützung von der Bundesregierung. «Der Bund verkennt völlig die angespannte Situation in den Kommunen», sagte die CDU-Politikerin. Er müsse endlich seine lange angekündigte Rückführungsoffensive für Ausreisepflichtige in die Tat umsetzen und dadurch für Entlastung sorgen. «Auch auf die versprochene finanzielle Entlastung des Bundes warten wir bisher vergebens», fügte sie hinzu.
Sachsen-Anhalt liegt wie derzeit acht weitere Bundesländer über seiner Aufnahmequote nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel und erhält daher seit Monaten keine Zuweisungen mehr vom Bund. Unabhängig davon treffen, wie in anderen Ländern mit einer solchen Sperre auch, weiterhin Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine direkt ein, etwa über persönliche Kontakte oder private Initiativen.
Auch aus anderen Bundesländern und von den kommunalen Spitzenverbänden kommt inzwischen der Ruf nach einem Flüchtlingsgipfel mit Bund, Ländern und Kommunen. Sollte dies in den nächsten Tagen nicht umgesetzt werden, dürfte die Frage der Unterbringung der schätzungsweise eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bei der für den 28. September geplanten Ministerpräsidentenkonferenz auf den Tisch kommen.
Wie aus der Dezim-Untersuchung weiter hervorgeht, konnte sich im Sommer immerhin noch fast jeder Zweite (47 Prozent) vorstellen, sich ehrenamtlich für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu engagieren. Im März waren es laut Dezim noch 58 Prozent.
Auch weniger Spenden
Leicht gesunken ist auch die Bereitschaft, für Geflüchtete aus der Ukraine Geld zu spenden. Im März waren noch 69 Prozent der Befragten dazu bereit. Im Sommer lag die Spendenbereitschaft bei 58 Prozent. Allerdings hatte sich zwischen der ersten Befragung Anfang März und der zweiten Umfrage - zwischen Ende Juni und Anfang August - die Lage der Geflüchteten verändert. Während Ukraine-Flüchtlinge anfangs Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hatten, erhalten sie seit Juni Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger.
Die Befragung habe gezeigt, dass die Bereitschaft, Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine durch ehrenamtliche Tätigkeit oder die private Aufnahme zu helfen, unter Menschen, die nach Deutschland eingewandert sind, über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung liege, teilte das Dezim mit. Etwas unter dem Durchschnitt lag den Angaben zufolge bei dieser Gruppe, die Bereitschaft, Geld für die geflüchteten Menschen zu spenden. Dies könne womöglich mit den geringeren Einkommen der Eingewanderten zusammenhängen, heißt es in der Studie.
Eine überdurchschnittliche Bereitschaft, Flüchtlinge aus der Ukraine im eigenen Zuhause aufzunehmen, konstatierten die Forscher bei Menschen, die angaben, sich mit den Grünen oder der Linkspartei zu identifizieren. Unterdurchschnittlich war die Bereitschaft, den Kriegsflüchtlingen in den eigenen vier Wänden Platz zu machen, laut Studie bei Menschen, die sich mit der AfD oder mit keiner Partei identifizieren.