Zu wenige Coming-outs? Hitzlsperger enttäuscht
Für den ehemaligen Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger wäre ein zeitgleiches Coming-out mehrerer Fußballspieler ein „sehr bedeutender“ Schritt. „Man kann eine Gesellschaft nicht allein dadurch verändern, dass man Leuten sagt: Ihr müsst aufhören, zu diskriminieren und auszugrenzen. Was aber sehr wirkungsvoll ist: Wenn Betroffene selbstbewusst sagen, ich erkenne hier das Problem gar nicht, ich bin so, und das ist kein Makel, sondern völlig in Ordnung so! Ein Gruppen-Coming-out könnte genau diese Botschaft transportieren“, sagte Hitzlsperger im Playboy.
Marcus Urban, Vorstand des Vereins für Vielfalt und Gesellschaft, will ein derartiges Gruppen-Coming-out vorantreiben. Geplant ist ein Termin im Mai. Urban hat zu diesem Zweck die Kampagne "Sports Free" ins Leben gerufen. "Es wäre ein großer Schritt, der für sehr viel Aufmerksamkeit sorgen würde. Und dann könnte wieder eine Entwicklung stattfinden", ergänzte Hitzlsperger, der sich vor zehn Jahren selbst geoutet hatte.
Hitzlsperger enttäuscht von Entwicklung
Mit der Entwicklung seitdem ist der 41-Jährige nicht zufrieden. „Es outen sich nicht ansatzweise so viele homosexuelle Spieler, wie es gibt. Und das ist eine Enttäuschung, wenn man bedenkt, dass sich die Rahmenbedingungen alles in allem verbessert haben“, so Hitzlsperger.
Er rechnete in diesem Zusammenhang im AZ-Interview vor: „Je nachdem, welche Studien man zugrunde legt, sind fünf bis etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung homosexuell. Es gibt etwa 500 000 aktive Profifußballer, das würde summa summarum 25 000 bis 50 000 homosexuelle Spieler bedeuten. Das ist das Absurde – es ist keine kleine Minderheit.“
Es werde zwar über das Thema Homosexualität gesprochen, führte der ehemalige Vorstandschef des VfB Stuttgart aus: "Aber wir sehen sie nicht, die schwulen Fußballer. Deswegen kann und muss man – immer noch – von einem Tabu reden." Es scheine aber weiter "eine Angst vorhanden zu sein – und ich kann das ja zu hundert Prozent nachvollziehen".
Für Hitzlsperger ist dies aber "kein Problem des Männerfußballs, sondern des Männersports. Ich kenne zum Beispiel von unseren Handballern, die gerade die WM gespielt haben, oder unseren Basketball-Weltmeistern auch keinen sich bekennenden aktiven Sportler. Daher sage ich: Moment mal, ja, der Profifußball hat ein Problem – aber andere Sportarten auch."
Dies sei, so Hitzlsperger, "wirklich merkwürdig und zeigt, dass es gesellschaftlich nach wie vor ein Thema ist. Das Versteckspiel fordert ja auch Kraft und Energie, es erzeugt Druck und Angst – und all das sollte nicht sein."
Am 13. Februar startet bei Amazon Prime der Film "Das letzte Tabu", der sich mit Homosexualität im Männerprofifußball beschäftigt.