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Ein Hochamt der Hochstapelei

Gleich die erste deutsche Serie bei Paramount+ ist ein Volltreffer. Auch, wenn es vielleicht ein paar Betrugsgeschichten zu viel waren im Serienjahr 2022: Dani Levys zehnteilige Groteske um einen sympathischen Nichtsnutz, der sich als Scheich aus Katar ausgibt, unterhält und wärmt dazu das Herz.

Hochstapelei zwischen Deutschland, der Schweiz und Katar: Dani Levys (

"The Dropout" mit einer tollen Amanda Seyfried (bei Disney+). Natürlich die viel beachtete Netflix-Version der Geschichte Anna Sorokins ("Inventing Anna"). Und ganz sicher auch die am Wirecard-Skandal orientierte deutsche Serie "King of Stonks" (ebenfalls Netflix). Das Streaming-Serienjahr 2022 war voll mit Hochstapler-Geschichten. Deshalb mag man skeptisch sein, wenn Komödienspezialist Dani Levy ("Alles auf Zucker!", "Die Känguru-Chroniken") als erste deutsche Serie des neuen Streaming-Anbieters Paramount+ mit "Der Scheich" (ab 22. Dezember) ebenfalls ein Betrügerstück abliefert. Doch die Skepsis verfliegt spätestens ab dem zweiten Teil der dreisten Geschichte um den sympathischen Tagträumer Ringo (Björn Meyer), der wegen eines unverschuldeten Missgeschicks zwei durchgeknallten Crack-Heads 100.000 Euro binnen zweier Tage zurückzahlen muss.

Übergewichtig, aber mit jeder Menge Fantasie

"Mit dir ist jeden Tag Weihnachten", sagt Ringos Lebensgefährtin Carla (toll: Petra Schmidt-Schaller) über jenen Mann, der auf den ersten Blick nicht unbedingt wie der Hauptgewinn einer Partnerbörse wirkt: Ringo ist ein übergewichtiger Brillenträger ohne festen Job, dafür aber mit einer Menge Fantasie. Er bemalt höchst kreativ Häuserwände, vertickt Fußball-Superstar-Trikots mit selbst gefälschten Unterschriften und ist generell groß darin, den Alltag mit seiner Patchwork-Familie zum Fest zu machen.

Der Immobilien-Loser Urs (Philippe Graber, rechts) und ein Scheich (Björn Meyer), der keiner ist: Gemeinsam startet man ein
Der Immobilien-Loser Urs (Philippe Graber, rechts) und ein Scheich (Björn Meyer), der keiner ist: Gemeinsam startet man ein "großes" Geschäft. (Bild: Paramount+)

Carla, die ihr drittes Kind erwartet, hat mit Ringo bereits ein Töchterchen. Und dann ist da noch ihr ältester Sohn von ihrem früheren Partner, einem stolzen, aber etwas dämlichen Griechen, gespielt von Pasquale Aleardi. Eigentlich kommt Carla aus ebenso gutem wie reichem Hause. Doch mit ihren arroganten Eltern hat sie - im Gegensatz zu ihrer Schwester - gebrochen. So lebt man ein bescheidenes Leben in einer ebenso bescheidenen Wohnung.

Zwischen bekloppter Überdrehtheit und genialer Überhöhung

Weil Ringo also binnen kürzester Zeit die angesprochenen 100.000 Euro besorgen muss - ein Plot, den es im Film wohl sehr viel öfter als im wirklichen Leben gibt - kommt er während eines Familienausflugs von Titisee in die nahe Schweiz auf die Idee, sich als Sohn der weit verzweigten Familie des Emirs von Katar auszugeben. So zieht er die Aufmerksamkeit des Immobilienmaklers Urs (Philippe Graber) auf sich, der ihm eine historische Villa am See verkaufen will. Weil Ringo gehört hat, dass in Katar umgarnte Geschäftspartner ein großzügiges Geldgeschenk erwarten/erhalten, investiert der Taugenichts vom Titisee immer mehr in seine neue Rolle als Scheich, um das Geschäft über die Bühne zu bringen.

Der Kauf der Villa soll in der zehnteiligen Serie (alle Episoden sind zum Start verfügbar) aber nur der Anfang dieser "von wahren Lügen" inspirierten Geschichte sein: Als arabischer Trauminvestor betritt Ringo bald in Zürich das Parkett einer raffgierigen Finanzwelt, bringt diese an den Rand des Zusammenbruchs und löst nahezu eine Staatskrise aus.

Carla (Petra Schmidt-Schaller) und Ringo (Björn Meyer) sind bei Carlas reichen und arroganten Eltern zu Gast. (Bild: Paramount+)
Carla (Petra Schmidt-Schaller) und Ringo (Björn Meyer) sind bei Carlas reichen und arroganten Eltern zu Gast. (Bild: Paramount+)

Zwei durchgeknallte, Crack-süchtige Gangster, die auf die Namen Pius und Benediktus hören oder ein Streit mit den fiesen reichen Eltern Carlas, bei dem einfach mal aufgehört wird zu reden, weil die Beteiligten der Szene plötzlich zum galligen Text des Roxy Music-Songs "Bitter-Sweet" die Lippen bewegen - die immer ein bisschen zwischen bekloppter Überdrehtheit und genialer Überhöhung schwebenden Stoffe Dani Levys sind nicht jedermanns Sache. Vor allem dann nicht, wenn sie allzu sehr in die "bekloppte Ecke" abzudriften scheinen. Was in "Der Scheich" allerdings nicht passiert, denn je länger die Serie nach einem vielleicht etwas zu prätentiösen ersten Teil in Richtung Betrügerstück unterwegs ist, desto feiner und besser werden Drehbuch und Rollenprofile. Das Zentrum der toll unterhaltenden wie auch warmherzigen Serie, ist jedoch das großartige Spiel des Hamburger Theaterschauspielers Björn Meyer und Petra Schmidt-Schallers, die als "unglaubwürdiges" Paar niemals einen Zweifel daran aufkommen lassen, dass es sich hier um eine große Liebe handelt.

Gerade am Rande der Burleske geparkte Komödien wie "Der Scheich" gehören mit zum Schwersten, was man im lustigen Fach zu fabrizieren gewillt ist. "Der Scheich" ist ein späte, aber ganz sicher eine der besten Betrügerserien im Jahr 2022 - und ganz nebenbei ein prima Start für die angekündigten deutsche Serienoffensive bei Paramount+.

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