Hochverarbeitete Lebensmittel - Ernährungswissenschaftler sagt: Die Nova-Klassifizierung können Sie vergessen
Ob Tiefkühlpizzen, Snacks oder Tütensuppen - hochverarbeitete Lebensmittel gelten als ungesund. Doch ihre Zuordnung in Verarbeitungsklassen erscheint willkürlich und unlogisch, meint Ernährungswissenschaftler Uwe Knop.
Was sind hoch verarbeitete Lebensmittel und wie unterscheiden sie sich von weniger verarbeiteten Produkten?
Bei den international als „ultra-processed foods“ (UPF) bezeichneten Lebensmitteln handelt es sich in der Regel um industriell hergestellte Produkte, die ohne weitere Zubereitung verzehrt werden können. Dazu gehören z.B. Tiefkühlpizzen, süße und herzhafte Snacks wie Kartoffelchips, Tütensoßen & -suppen und Softdrinks sowie Mahlzeiten in Schnellrestaurants.
Hoch verarbeitete Lebensmittel (UPF) werden international nach Nova, je nach Verarbeitungsgrad, in 1-4 klassifiziert - und das auf Basis einer absurden Willkür-Logik, die wissenschaftlich kontrovers kritisiert wird. So bekommt beispielsweise eine Limonade mit 7 Zutaten die „beste“ Nova-Note 1 ("unverarbeitet") und manche Räucherlachse haben eine 1 und andere die „schlechteste“ 4 - viel Räucher-Rauch um Nichts! Am besten mal durchstöbern und sich selbst ein Bild machen. Letztlich sagen die Nova-Nummern überhaupt nichts von Relevanz aus.
Welche Auswirkungen haben hoch verarbeitete Lebensmittel auf unsere Gesundheit und welches Krankheitsrisiko bergen sie?
Genau das wäre die relevante Aussage. Aber: Das ist vollumfänglich unbekannt, das weiß niemand. Daher ist Nova nicht mehr als Spielerei ohne medizinische Relevanz für unsere Gesundheit oder Krankheit.
Was sagt die aktuelle Studienlage über den Konsum von hoch verarbeiteten Lebensmitteln aus?
Hier sind kürzlich zwei große Studien (hier und hier) erschienen, die klar zeigen: Wir sind wissenschaftlich meilenweit davon entfernt, eine gesicherte Aussage zu den gesundheitlichen Effekten von UPF zu treffen. Grundsätzlich haben alle Studien das gleiche Kernproblem; Sie können nur Korrelationen zeigen, also statistische Zusammenhänge, aber keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen, also Kausalitäten. Und die Korrelationen bei den beiden neuen Studien waren so schwach, dass sich darauf basierend noch nicht mal Hypothesen generieren lassen.
Hinzu kam, dass nur für wenige Lebensmittelgruppen überhaupt eine „ungesunde Korrelation“ beobachtet werden konnte - und zwar bei tierischen Produkten sowie bei künstlich und mit Zucker gesüßten Getränken. Der vermehrte Verzehr von Brot und hochverarbeitetem Getreide hingegen war mit einem verminderten Risiko verbunden - und für pflanzliches UPF war gar nichts zu sehen. Zu dieser Studie haben andere Wissenschaftler auch einen kritischen Brief an die Autoren geschrieben, weil die völlige überzogene öffentliche Interpretation dieser Daten als „bahnbrechend“ für massives Kopfschütteln in der Fachwelt sorgte.
Bei der zweiten Studie war das Gesamtsterberisiko insgesamt nur um 4 Prozent erhöht. Für die einzelnen Todesursachen wie Krebs, Herz-Kreislauf-und Atemwegserkrankungen konnten die Forscher gar nichts finden - außer bei „anderen“ und neurodegenerativen Erkrankungen (wie Demenz). Allein daran erkennt man den statistischen Unsinn: Die Dementen sterben sicher nicht früher wegen TK-Pizza, sondern vielleicht, weil sie alles zu essen bekommen, was in der Pflege einfach machbar ist. Das nennt man „reverse Kausalität“, also eine umgekehrte Beziehung der Faktoren.
Welche Empfehlungen können Sie auf Basis dieser Studien für eine gesunde Ernährung geben?
Die Studien ändern nichts an der aktuellen Situation: Wir sind zwar umringt von etlichen Regeln und Ratschlägen zu gesunder Ernährung und täglich wird ein Tsunami neuer Studien veröffentlicht. Doch die Ergebnisse widersprechen sich oft und was überhaupt gesunde Ernährung ist, das weiß bis heute niemand, Wer also gerne UPF in seinen Speiseplan integriert, der muss aus wissenschaftlicher Sicht keine Angst vor Krebs und frühem Tod haben.
Dieser Artikel ist jedoch auch kein Plädoyer pro UPF - denn es gibt auch keinen einzigen, gesundheitlich relevanten Grund dafür, sie zu essen. Meine persönliche Meinung: Je kürzer die Zutatenliste, desto besser. Je frischer und natürlicher die Lebensmittel, desto geschmackvoller und leckerer.
Welche Ernährung am besten zu einem passt, erfährt man durch die natürlichstes Ernährungsart des Menschen: Mit Intuitivem Essen und dem Vertrauen in den eigenen Körper kann man nachhaltig individuell gesunde Ernährungsgewohnheiten entwickeln - und seinen persönlichen „Schlüssel zum biologischen Wohlfühlgewicht“ finden.