Illner diskutiert über Brexit: Zu viel Europa kann auch schaden

Maybrit Illner diskutiert mit ihren Gästen die Folgen des Brexit. Dabei fehlt dem Talk leider jede Würze, es herrscht gemeinschaftliche Ahnungslosigkeit. Foto: Screenshot / ZDF
Maybrit Illner diskutiert mit ihren Gästen die Folgen des Brexit. Dabei fehlt dem Talk leider jede Würze, es herrscht gemeinschaftliche Ahnungslosigkeit. Foto: Screenshot / ZDF

Nun liegt es vor, das Papier zum Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union. Der “Scheidungsvertrag” wie ihn viele nennen. Und Theresa May steht vor der schwierigen Aufgabe: Unterschreiben – Ja oder Nein? Sie muss das Erbe, dass ihr Boris Johnson und Co. hinterlassen haben, antreten, deren Entscheidungen ausbaden. In Illners Talk fragen sich die Gäste: “Mit schlechtem Beispiel voran – zerbricht Europa am Brexit?”

Man weiß es nicht. Man weiß es einfach nicht. Woher soll man es auch wissen? Das ist das Ergebnis des Talks bei Maybrit Illner. 17 Monate hat es gedauert bis der Ausstiegsvertrag für die Briten aus der EU unter Dach und Fach war. Ob sie ihn nun unterschreiben, ob Theresa May dafür eine Mehrheit im Unterhaus bekommt – wie gesagt, man weiß es nicht. Und auch diese Frage bleibt unbeantwortet: Was folgt danach? Zerbricht Europa in Gänze, weil auch andere Länder den Aufstand, bzw. gleich den Ausstieg proben? Oder ist es gar eine neue Chance, 27 Länder in Gemeinschaft vereint?

Fest steht: In Brüssel wurde der Vertrag hart verhandelt. Die EU-Partner wollten keine Schwäche zeigen gegenüber der britischen Premierministerin Theresa May, kaum Zugeständnisse machen. Zeige man sich allzu weich, so der Gedanke, kämen auch andere Länder auf die Idee, einen soften Ausweg aus dem Staatenbündnis zu suchen.

Denn: Jeder verspricht sich etwas anderes von der EU. Das macht Historiker Andreas Rödder gleich klar: “Die Rede von der Wertegemeinschaft schlägt schnell in eine ideologische Diskussion um. Man muss realistisch sein: Nicht alle denken über Europa wie wir Deutschen.” Für die Franzosen sei die EU ein Bollwerk gegen Deutschland, für die Deutschen sei es eine Art “Resozialisierungsprogramm” nach dem Zweiten Weltkrieg und für die Engländer war es bislang eine Freihandelszone.

Stoiber über historische Fehleinschätzung

Tritt Großbritannien zum 29. März 2019 wirklich aus der EU aus, ändert sich für die Briten nach dem vorliegenden Entwurf nur wenig. Das Land bleibt im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Die EU-Regeln gelten weiter. Mitreden kann Großbritannien dann aber in der EU nicht mehr.

Dass es überhaupt ein Referendum für den Brexit geben würde, hätte Edmund Stoiber nicht gedacht. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident und Ehrenvorsitzende der CSU gibt zu, dass das eine von zwei seiner historischen Fehleinschätzungen war. “Und die zweite?”, fragt Illner amüsiert. “Das war Trump”, sagt Stoiber und Justizministerin Katarina Barley nickt verständnisvoll.

Barley hält den Brexit für eine “Operation am offenen Herzen”. Die Schwere der Situation wirke für sie jedoch direkt proportional zur Wichtigkeit der Situation. Sie sagt: “Das ist jetzt eine Richtungsentscheidung: Wollen wir weiterhin versuchen Kompromisse und Lösungen zu finden, von denen alle etwas haben oder wollen wir weiter auseinanderdriften?” Auch Theresa May sei wirklich nicht zu beneiden. Ein zweites Referendum würde die Situation befrieden, ist ihre Meinung.

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“Eine Mehrheit für die EU gibt es nicht”

Die Präsidentin des Vereins Europäische Bewegung in Deutschland, Linn Selle, sieht das ganz anders: “Eine Mehrheit, die für den Verbleib in der EU stimmen würde, gibt es nicht. Die Stimmung hat sich nicht gedreht“, sagte sie und setzt hinterher: Was würde das überhaupt nützen? Zählte eine zweite Abstimmung mehr als die erste? Da trifft sie einen Punkt. Hatte Katarina Barley nicht gesagt, dass die Briten ein weiterer Garant für Rechtsstaatlichkeit in der EU gewesen sind? Dann kann man auch nicht so lange abstimmen, bis am Ende das richtige Ergebnis herauskommt.

Historiker Rödder warnt: „Europa tut gut daran, nicht immer nur mehr Europa zu fordern.“ Der Staatenverbund müsse offener werden und auch mal bereit sein, einen Schritt zurück zu gehen. “Vorwärts immer, rückwärts nimmer”, lautete der Leitspruch von Erich Honecker, dem Generalsekretär des Zentralkomitees der SED in der DDR. “Und das war auch nicht auf Dauer erfolgreich.”

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