Immer Alkohol im Spiel - ARD-Mann kritisiert eigene EM-Berichterstattung: „Das macht mich richtig wütend“

EM, Spanien - Kroatien, Vorrunde, Gruppe B, 1. Spieltag. Kroatische Fans gehen über den mit Müll bedeckten Breitscheidplatz an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.<span class="copyright">Christoph Soeder/dpa</span>
EM, Spanien - Kroatien, Vorrunde, Gruppe B, 1. Spieltag. Kroatische Fans gehen über den mit Müll bedeckten Breitscheidplatz an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.Christoph Soeder/dpa

Betrunkene Schotten, Engländer, Deutsche - egal aus welchem Land sie kommen, die Bilder von alkoholisierten Fans sind im Fernsehen überall zu sehen. Der ARD-Journalist Hagen Decker ist deswegen „richtig wütend“. Decker kritisiert die EM-Berichterstattung des ÖRR aufs Schärfste.

Hagen Decker berichtet im ARD-Podcast „Sucht & Süchtig“ über sein Leben als abstinenter Kokain-Süchtiger. Mit der EM-Berichterstattung seiner   ARD-Kollegen hat Decker „ein großes Problem“. Jeder könne sein Bier zum Fußball trinken. Aber „seit Tag eins habe ich bei der Fußball-Berichterstattung ein extremes Störgefühl“, erzählt Decker im Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ . Egal wo man hinschalte, gehe es darum, wie viel Bier die Fans getrunken haben und noch trinken. „Und dann wird zurück ins Studio geschaltet, und alle lachen über die Betrunkenen – ohne irgendeine kritische Einordnung.“

ARD-Mann kritisiert EM-Berichterstattung im ÖRR: „Ich dachte, dass wir 2024 weiter sind“

Decker sei mit seinem Podcast ebenfalls Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, deswegen wolle er das nicht so stehen lassen. Es „wird einfach ausgeblendet, dass hier von einer harten Droge die Rede ist, die einen suchtkrank machen kann, und dass man an dieser Sucht sterben kann“, so Decker. „Ich dachte, dass wir 2024 weiter sind und das nicht immer noch so verharmlosen. Gerade die öffentlich-rechtlichen Sender haben in den vergangenen Wochen so viele Fehler gemacht, die Moderatorinnen und Moderatoren haben überhaupt kein Gefühl dafür.“

Die EM sei ein Familienereignis, wo Kinder und Jugendliche zuschauen. So würden sie sozialisiert, dass Bier dazugehöre und normal sei. „Das macht mich richtig wütend. Ich würde mir wünschen, dass Jugendliche in einer Welt aufwachsen, in der es nicht als normal gilt, sechs Bier zu kaufen, bevor man sich mit Freunden trifft“, so Decker gegenüber der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Wer die EM als Kind vorm Fernseher verfolge, dem werde aber genau das beigebracht. Für ihn als Abhängiger sei es eine absolute Farce. Man müsse mitansehen, „wie der Konsum verherrlicht und beworben wird, als ginge es um Wasser“.

„Schäme mich fast für ARD-Kneipenquiz“

Über virale Videos von Fußballfans, die betrunken sind, werde im Studio gelacht und geklatscht. Dieses Komasaufen sei ungesund und gefährlich, so Decker. „Da werden Gehirnzellen zerstört, es ist ein tödliches Nervengift, das aus irgendeinem Grund Teil unserer Kultur ist. Das so zu verharmlosen im Zuge einer Leistungssportveranstaltung, ist doch einfach nur grotesk.“ Das mache das öffentlich-rechtliche Fernsehen, wenn Millionen Kinder und Jugendliche zuschauen.

Wofür sich Decker „fast schäme“, sei das ARD-Kneipenquiz. „Da sitzen Schauspieler und Comedians in einer Kneipe und trinken sehr viel. Da müsste es eigentlich einen Disclaimer vorher ­geben: In dieser Sendung wird Alkohol getrunken, wir warnen: Alkohol kann ­abhängig machen.“