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In diesem Land wird am meisten Cola pro Kopf getrunken

Süße Getränke und Junkfood statt Reis, Bohnen und Chili. Die Ernährung in Mexiko hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Das führt zu immer mehr Fällen von Übergewicht und Diabetes.

In Mexiko werden an jeder Straßenecke zuckerhaltige GEtränke verkauft. Leitungswasser hingegen ist oft knapp oder verunreinigt
In Mexiko gibt es fast jeder Straßenecke zuckerhaltige Getränke. Leitungswasser hingegen ist oft knapp oder verunreinigt. Foto: Artur Widak / gettyimages

„Wenn man Cola anstatt Wasser trinken muss, weil Wasser knapp ist, dann läuft etwas gehörig falsch.“ Mit diesen Worten beginnt ein aktueller Weltspiegel-Beitrag über Mexiko. Er zeigt, was das zuckerhaltige Getränk und eine ungesunde Ernährungsweise mit den Menschen macht.

Steigende Diabetesfälle

Rund zwei Drittel der mexikanischen Bevölkerung ist übergewichtig. Das liegt auch an einer sehr zuckerhaltigen Ernährung, die zu vielen Fällen von Diabetes führt. So erzählt ein Mariachi-Musiker im aktuellen Weltspiegel-Beitrag: „Viele Familienmitglieder, Freunde und andere Musiker haben die Krankheit.“

Es ist demnach die zweihäufigste Todesursache in Chiapas, einer abgelegenen Region im Südosten des Landes. Aber nicht nur dort: In ganz Mexiko hat sich die Zahl der Toten durch Diabetes zwischen 2011 und 2021 verdoppelt.

Cola statt Wasser

Das könnte auch daran liegen: Oft ist Leitungswasser knapp oder ungenießbar und viele Gebäude sind ohne Strom. Wozu aber alle Zugang haben: Cola. Die gibt es überall zu kaufen. Rund zwei Liter pro Kopf und Tag trinken Mexikaner*innen im Schnitt. Am meisten weltweit.

Das ist wohl nicht bei allen freie Wahl. Denn in Chiapas beispielsweise darf eine Coca-Cola-Fabrik mehr als eine Million Liter Grundwasser am Tag zapfen, ganz legal. Ob es bei der Menge bleibt, das prüft aber niemand.

So soll es für Anwohner*innen in der Region mittlerweile leichter sein, Softdrinks zu kaufen als an sauberes Wasser zu gelangen. Coca-Cola widerspricht, dass es einen Zusammenhang zwischen mangelndem Leitungswasser und dem eigenen Verbrauch vor Ort gebe. Man nehme den Menschen kein Wasser weg, sondern spendiere ihnen sogar Wassertanks und Sammelbehälter.

Zucker für Kinder

Die Gewöhnung an eine zuckerhaltige Ernährung beginnt in Mexiko früh. Gemeinsam mit einem Arzt schauen sich die Redakteur*innen des Beitrags einen Kiosk nahe einer Schule an. Das Ergebnis: Zu Trinken gibt es nur süße Limonaden, das Essensangebot besteht aus Chips und ähnlich Ungesundem. Der Arzt sagt: „Die Firmen binden Kinder so früh an ihre Produkte. Wir wissen aus Studien, dass die Produkte rund ein Drittel der Kalorien ausmachen, die Kinder hier zu sich nehmen.“ Bei den Getränken sei Cola am präsentesten.

Es sei wie eine Cola-Kolonialisierung, beschreibt es der Arzt. Und die schreite immer weiter voran. Selbst Maja-Zeremonien habe das Getränk mittlerweile gekapert, erreicht habe der Getränkehersteller das durch aggressive Werbung. Und die Narrative verfangen offenbar, denn im Weltspiegel-Beitrag heißt es etwa, dass eine angebotene Cola als besonders gastfreundlich gelte.

Träume und Ängste sind die Ursache

Das Getränk ist sogar in besonders traditionell lebenden Gesellschaftsteilen etabliert. Das führt dazu, dass Schamanen und Heilerinnen selbst bei „Patient*innen“ mit diagnostiziertem Diabetes Softdrinks reichen und dann in rituellen Reinigungen die bösen Geister austreiben. Dabei haben sie diese teilweise selbst gerufen: Denn sie raten von regelmäßigem Alkoholkonsum ab und empfehlen, diesen durch Limonaden zu ersetzen. In einem Interview erklärt eine Schamanin: Nicht der Zucker mache krank, sondern böse Träume und Angst.

Keine Kontrolle, keine Strafen

Das Thema ist mittlerweile auch in der Politik angekommen. Junk-Food an Kinder zu verkaufen, ist in Teilen Mexikos verboten. Denn: Jedes dritte Kind ist zu dick. Nur bei der Umsetzung hakt es. Weil entweder Verkäufer*innen nichts von den Gesetzen wissen oder es keine Kontrollen und keine Strafen bei Missachtung gibt.

Deshalb haben sich aktivistische Gruppen gebildet, die aufklären wollen. Gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten versuchen sie, Menschen den Grund für die steigenden Diabeteserkrankungen und Todesfälle näherzubringen. Doch die gewohnte Ernährung umstellen, das fällt vielen schwer. Besonders, wenn es kaum Alternativen zu ungesunden Produkten zu kaufen gibt.