Insider erklärt - Deutschland gegen Übermacht Spanien: Ein Taktik-Aspekt gibt große Hoffnung

Im EM-Viertelfinale spielt Deutschland gegen Spanien<span class="copyright">Imago</span>
Im EM-Viertelfinale spielt Deutschland gegen SpanienImago

Nach einem dramatischen Achtelfinale gegen Dänemark wartet nun auf die deutsche Mannschaft das bisher wohl beste Team der EM. Auch wenn die Spanier kurzzeitig gegen Georgien ins Straucheln kamen, strotzen sie vor Stärke. Und sie sind das erste Team mit Viererkette, gegen das Deutschland antritt - das ergibt Chancen für die DFB-Elf.

Sowohl im Achtelfinalspiel der Deutschen als auch der Spanier sah es zwischenzeitlich nach einer Sensation aus. Im erstgenannten Fall nahm jedoch der Video-Assistent (VAR) den Treffer Dänemarks zurück. Im zweiten Fall drehten die Spanier nach einem Rückstand gegen Georgien noch das Spiel am Sonntagabend.

Somit gibt es nun im Viertelfinale eine Neuauflage des EM-Endspiels von 2008. Von damals ist natürlich niemand mehr dabei, aber die Spanier haben sich in ihrem grundlegenden Spielstil wenig verändert.

Die Spanier geben alles, um den Gegner einzuschnüren

Unter der Leitung von Cheftrainer Luis de la Fuente, der vor seiner Beförderung zum Nationaltrainer ein recht unbeschriebenes Blatt war, spielen die Iberer gnadenlosen Ballbesitzfußball. Der Gegner soll bestenfalls im vorderen Spielfelddrittel eingeschnürt werden.

Das Gegenpressing, sprich der Druck auf den Gegner unmittelbar nach Ballverlusten, ist enorm. Italien oder nun auch Georgien konnten nur sehr selten Konterangriffe einleiten. Georgien traf nach einem gelungenen Gegenstoß durch ein Eigentor von Robin Le Normand zum zwischenzeitlichen 1:0.

Die Deutschen müssen das Rennen gegen Spanien von vorn fahren

Genau solch ein Führungstreffer muss auch der deutschen Mannschaft gelingen. Denn als die Spanier erstmalig bei diesem Turnier in Rückstand geraten waren, wirkte ihre Restverteidigung – also die Absicherung des Ballbesitzes durch die letzte Verteidigungslinie – bei weitem nicht mehr so sattelfest wie noch zuvor. Im Radfahrer-Sprech würde man sagen, sie müssen ein Rennen von vorn fahren.

Dass die Spanier noch zurückkamen, lag sicherlich am enormen Qualitätsunterschied zu den Georgiern. Gegen die im 5-3-2 verteidigende Mannschaft aus dem Kaukasus spielte Spanien viel über die Breite und initiierte des Öfteren Durchbrüche über die dribbelstarken Flügelstürmer Nico Williams und Lamine Yamal. Auf die deutsche Verteidigung wird eine schwere Aufgabe zukommen – so viel steht fest.

Spanien verteidigt mit Viererkette, Kramer: „Dagegen tun wir uns ein bisschen leichter“

Allerdings kann man das auch von der spanischen Verteidigung behaupten. Interessanterweise sind die Spanier das erste Team, auf das Deutschland bei diesem Turnier trifft, das mit einer Vierer- statt einer Fünferkette verteidigt.

„Gegen eine Viererkette tun wir uns ein bisschen leichter. Von den Winkeln und von allem her“, sagte ZDF-Experte Christoph Kramer. „Spanien ist eine Mannschaft, die immer den Ball haben will. Ihre ganzen Spielertypen sind darauf ausgerichtet, dass sie alles mit dem Ball machen wollen. Wir sind von den Spielertypen her eine ähnliche Mannschaft. Es wird darauf ankommen, wer seine Dominanz dem anderen aufzwingen kann.“

Was Kramer konkret meint, ist das ein Team mit Viererkette etwas mehr Platz für Vorstöße über die Halbräume zulässt. Deutschland hatte gegen die Schweiz oder auch Dänemark ein paar Problemchen, sich über die Mitte zu kombinieren, weil die Schnittstellen aufgrund des zusätzlichen Verteidigers recht eng sind und man stets vertikal hindurch spielen muss. Das erschwert das Timing und die Dosierung von Pässen.

Einige Male sahen wir etwa Ilkay Gündogan, wie er einen Steilpass etwas zu fest durch die Schnittstelle hindurchspielte, wodurch das Zuspiel nicht mehr erreichbar war.

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Eckner

 

Eine Viererabwehr gibt etwas mehr Raum und erlaubt eher diagonale Anspiele von Halbräumen nach innen. Das gilt auch für das Andribbeln von Jamal Musiala, Leroy Sané oder auch Florian Wirtz.

Das Prunkstück der Spanier ist aber ohnehin nicht die Abwehr selbst, sondern das Mittelfeldzentrum mit Rodri und Fabián Ruiz. An den beiden – besonders aber an Rodri – muss man erst einmal vorbeikommen. Die beiden sind hauptverantwortlich dafür, dass Spanien den Ball und somit das Spiel kontrolliert. Da Deutschland, wie Kramer sagt, ebenfalls dominant spielen will, muss zunächst das Duell mit Spaniens Mittelfeld gewonnen werden, um anschließend die Viererkette der Iberer anzusteuern.