Iran-Expertin liefert sich hitziges Wortgefecht mit Lanz: "Das ist kein importierter Antisemitismus"

Viele Juden in Deutschland beklagen eine zunehmenden Antisemitismus im Alltag. Bei "Markus Lanz" machte FDP-Politiker Johannes Vogel deutlich, wie wichtig eine deutsche Solidarität mit Israel ist. Derweil zweifelte Historiker Michael Wolffsohn an der Idee der Staatsräson.

Iran-Expertin Gilda Sahebi beklagte bei
Iran-Expertin Gilda Sahebi beklagte bei

Seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel wächst die weltweite Verunsicherung und Polarisierung. Bei "Markus Lanz" sprach FDP-Politiker Johannes Vogel am Dienstagabend über die Entwicklungen im Nahen Osten und sagte zunächst bestürzt, dass die Narrative, die Hamas würde einen Befreiungskrieg führen, eine "absolute Entgleisung im Blick auf die Tatsachen" seien. Vogel ergänzte streng: "Aus Gaza kommt die Hamas als Terrororganisation und die facht diesen Hass an, weil sie eben geprägt ist von der Überzeugung, dass Israel vernichtet werden muss." Dies sei laut des FDP-Mannes ein "barbarischer Ur-Hass", der Israel existenziell bedrohe.

Mit Blick auf die unzähligen Gräueltaten der vergangenen Wochen sagte Vogel: "Babys, die geköpft wurden (...). Diese unfassbare Entfesslung von Unmenschlichkeit. Die kann einem ja nur unter die Haut gehen." Historiker Michael Wolffsohn nickte zustimmend und ergänzte: "Jüdische Existenz ist immer Existenz auf Widerruf gewesen." Gleichzeitig machte der Publizist auch deutlich, dass er durchaus Empathie mit dem palästinensischen Volk habe, das unter seiner Terror-Führung leide. "Es ist eine Tragödie des palästinensischen Volkes, nicht nur der Menschen im Gazastreifen", so Wolfssohn.

Für den Historiker Michael Wolffsohn ist eine zentrale Frage des Konflikts, wie sich die Palästinenser von ihrer Führung befreien können. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Für den Historiker Michael Wolffsohn ist eine zentrale Frage des Konflikts, wie sich die Palästinenser von ihrer Führung befreien können. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

 

Israel als deutsche Staatsräson? Historiker Wolffsohn: "Eine Absurdität!"

Dass Wolffsohn auch sein Mitgefühl mit der palästinensischen Seite zeigen könne, brachte Iran-Expertin Gilda Sahebi auf die extreme Polarisierung der Debatte zu sprechen. Sie machte deutlich, dass man häufig verbal angegriffen werde, wenn man sich nicht klar "pro-israelisch" oder klar "pro-palästinensisch" positioniere. Sie ergänzte, dass dahinter auch ein Kampf um das Narrativ stecke, bei dem das iranische Regime eine große Rolle spiele.

Laut Sahebi werde seit Jahren erzählt, dass Israel "der imperialistische Block im Nahen Osten sei, der gegen alles kämpfe, was muslimisch sei". Der Iran sehe sich daher als "Achse des Widerstands", die von Terrorgruppen wie der Hisbollah, der Hamas oder dem islamischen Dschihad unterstützt werde. "Das Ziel ist es, dass es (...) die große Spaltung gibt - die große Polarisierung zwischen dem Westen und dem globalen Süden", so Sahebi. Sie ergänzte: "Das Ziel des iranischen Regimes ist im Prinzip Macht und Geld."

Markus Lanz sprach daraufhin den wachsenden Antisemitismus in Deutschland an und fragte in Richtung Michael Wolffsohn: "Israel ist deutsche Staatsräson. Was löst das bei Ihnen aus?" Der Historiker antwortete prompt: "Da kann ich nur milde lächeln. Das sind schöne Phrasen." Laut Wolffsohn werde der Begriff "inflationär gebraucht" und lasse sich leicht dahinsagen. "Eine Absurdität!", wetterte der Publizist im Gespräch mit Lanz.

Dem widersprach Johannes Vogel jedoch vehement und sagte, dass dies ein Problem sei, das man so nicht hinnehmen könne: "Ich finde furchtbar, dass sie sagen, dass Staatsräson eine Floskel ist." Daraufhin lenkte Vogel den Blick auf den wachsenden Judenhass in Deutschland und erklärte: "Wir müssen gucken, wo kommt dieser Sumpf her? Was ist da der Nährboden?" Als Auslöser sehe der FDP-Politiker unter anderem eine "erschreckende Unkenntnis über den Nahost-Konflikt", der geschürt werde durch Propaganda und "Desinformationen aus dem privaten Umfeld". "Basisfakten (...) sind den Leuten gar nicht bewusst und da müssen wir auch ran", versprach Vogel.

FDP-Vize Johannes Vogel (rechts) forderte bei
FDP-Vize Johannes Vogel (rechts) forderte bei

 

Gilda Sahebi: "Das ist unser Antisemitismus"

Iran-Expertin Gilda Sahebi stimmte dem zwar teilweise zu, sie merkte jedoch gleichzeitig an, dass die vielen politischen Debatten im Land ebenfalls ein Grund für die Anfütterung falscher Narrative seien. "Wir führen mal wieder eine ethnisierte Debatte. Eine Debatte, über 'die' Muslime", bemängelte Sahebi. Vor allem Friedrich Merz' Forderung nach mehr Abschiebungen seien laut der Iran-Expertin inakzeptabel, denn: "Das ist kein importierter Antisemitismus. Das ist unser Antisemitismus! Diese Menschen sind in Deutschland und zu suggerieren, dass diese Menschen nicht zu Deutschland gehören, weil sie eine andere Ethnie haben, das ist rassistisch und das fördert die Spaltung."

Markus Lanz (links) diskutierte am Dienstagabend mit (von links) FDP-Vize Johannes Vogel, Iran-Expertin Gilda Sahebi und Historiker Michael Wolffsohn. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Markus Lanz (links) diskutierte am Dienstagabend mit (von links) FDP-Vize Johannes Vogel, Iran-Expertin Gilda Sahebi und Historiker Michael Wolffsohn. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Lanz konterte daraufhin: "Die These, zu sagen, wir haben hier kein Problem mit Antisemitismus, der zugewandert ist, das finde ich ganz schwierig." Sahebi blieb jedoch bei ihrer Meinung: "Wenn wir sagen, wir sind ein Einwanderungsland und diese Menschen kommen hierher, dann ist das unser Problem. Dann müssen wir mit dem Antisemitismus umgehen." Eine These, die der ZDF-Moderator nicht unkommentiert lassen konnte: "Wenn man irgendwo in ein Land kommt, gibt es auch eine Bringschuld (...) und man muss doch irgendwann mal verstehen, wo man ist!"

VIDEO: Bevölkerung des Gazastreifens wird "entmenschlicht"