Israel setzt sich weiter für Geiseln ein
Tel Aviv/Gaza (dpa) - Israel ist im Kampf gegen die islamistischen Hamas-Angreifer im Gazastreifen bereit zur Bodenoffensive und treibt zugleich die Bemühungen um Freilassung der Geiseln voran. Der Auftrag laute: «die Hamas zu eliminieren, ihre Infrastruktur als Militär, als Organisation, als Regierung. Und: Die Entführten zu befreien», sagte Israels Energieminister Israel Katz der «Bild»-Zeitung. Derweil ließ die Hamas zwei weitere Frauen frei, wie Israels Regierung in der Nacht bestätigte. Unklar ist, ob es mehr als zwei Wochen nach Kriegsbeginn zu einer begrenzten Feuerpause für Hilfslieferungen in den Gazastreifen kommt.
Terroristen im Auftrag der im Gazastreifen herrschenden Hamas hatten am 7. Oktober in Israel ein Massaker unter Zivilisten angerichtet. Mehr als 1400 Menschen kamen dabei und in den folgenden Tagen ums Leben. Mindestens 222 weitere wurden laut Israels Armee gewaltsam in den Gazastreifen verschleppt, darunter mehrere Deutsche. Seither bombardiert Israels Armee Ziele im Gazastreifen und bereitet eine Bodenoffensive in dem abgeriegelten Küstengebiet vor. Mehrere Einheiten trainieren laut Angaben der Armee derzeit dafür.
Israel bleibt hart: Wir gehen rein
«Die Hamas möchte, dass wir uns mit den Entführten beschäftigen und unser Militär nicht reingeht, um ihre Infrastruktur zu eliminieren. Das wird nicht passieren», sagte Katz. Seine Regierung bedankte sich bei Ägypten und dem Internationalen Roten Kreuz für ihren Beitrag bei der Freilassung zwei weiterer Geiseln. Die 79 und 85 Jahre alten Frauen seien an Israels Armee übergeben worden, teilte das Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in der Nacht mit. Am vergangenen Freitag hatte die Hamas auf Vermittlung Katars bereits überraschend eine US-amerikanische Mutter und ihre Tochter freigelassen.
JUST IN: Two more hostages have been released from Hamas custody, sources tell CNN https://t.co/78vzYEp9uu pic.twitter.com/T3NO5hK7Sb
— CNN (@CNN) October 23, 2023
«Wir handeln mit jedem Akteur, um die Entführten freizubekommen», sagte Israels Energieminister Katz. «Wir tun alles, um sie nach Hause zu bekommen.» Israel versuche außerdem, «trotz des grausamen Feindes zwischen der Hamas und der Zivilbevölkerung zu unterscheiden». Im Süden von Gaza gebe es genug Raum, der nicht bombardiert werde: «Wer sich dort aufhält, bleibt unversehrt». Ein BBC-Reporter im Süden berichtete jedoch in der Nacht von Angriffen auch dort.
Nach UN-Angaben sind rund eine Million Bewohner des nördlichen Gazastreifens in den südlichen Teil geflohen. Israels Armee hatte dazu aufgerufen, um zivile Opfer bei einer Ausweitung der Kämpfe zu vermeiden. Inzwischen passierten die ersten Lkw mit Hilfsgütern die Grenze von Ägypten nach Gaza. Hilfsorganisationen der UN beklagen aber, dass kein Treibstoff dabei ist. Die Hamas habe «mehr als» eine Million Liter Treibstoff gelagert, «gibt diesen aber nicht an bedürftige Krankenhäuser ab», schrieb dazu der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus auf X (vormals Twitter).
Israel: Hamas sitzt auf einer Million Liter Treibstoff
«Die Hamas ist für das Leid in Gaza verantwortlich, nicht Israel», sagte der Sprecher. Nach Angaben der zuständigen Cogat-Behörde in Israel nutzen die Islamisten den von ihr gehorteten Treibstoff dafür, um «ihre Terror-Tunnel zu beleuchten, Raketen abzufeuern und für ihre eigenen Häuser» statt ihn der Zivilbevölkerung bereitzustellen. Es gibt keine unabhängige Bestätigung dafür. Die Vereinten Nationen fordern einen humanitären Waffenstillstand, was aber umstritten ist.
Feuerpause oder Waffenstillstand? Debatte geht weiter
«Jeder Waffenstillstand würde der Hamas die Möglichkeit geben, sich auszuruhen, aufzurüsten und sich darauf vorzubereiten, weitere terroristische Angriffe gegen Israel zu verüben», gab der Sprecher des Matthew Miller gestern in Washington zu Bedenken. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte zuvor auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Forderungen nach einer humanitären Feuerpause (Englisch: humanitarian pause) und den Forderungen nach einem humanitären Waffenstillstand (humanitarian ceasefire) erklärt, dass für ihn ein Waffenstillstand weit mehr sei als eine Feuerpause.
🇮🇱⚔️🇵🇸 The population in Gaza cannot be deprived of water and electricity - Josep Borrell declared today in a conference. But who is going to implement that if the very European Union is complicit with Israel and so are the US England and Canadian governments? @AbbyMartin @AOC pic.twitter.com/2ZPPT4XfyB
— letsfreePalestine (@LtsFrePalestine) October 24, 2023
Bei einem Waffenstillstand brauche es eine Vereinbarung zwischen den Parteien, erklärte Borrell in Luxemburg. Eine Feuerpause sei dagegen schneller umzusetzen. Gleichzeitig gebe es lediglich eine zeitlich begrenzte Einstellung von Angriffen. So etwas brauche man, um humanitäre Hilfe sicher in den Gazastreifen bringen zu können. Borrell geht davon aus, dass sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten bei ihrem nächsten Gipfeltreffen geschlossen hinter Aufrufe zu einer begrenzten Feuerpause für Hilfslieferungen stellen.
China rief die Konfliktparteien zu Friedensgesprächen auf. Es müsse verhindert werden, dass die Situation weiter eskaliere und es zu einer noch größeren humanitären Katastrophe komme, sagte Chinas Außenminister Wang Yi in einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Eli Cohen, so das Pekinger Außenministerium.
Weiter Gefechte auch an Israels Nordgrenze
Derweil kommt es auch an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon weiter zu gewaltsamen Zwischenfällen. Israel hat den Libanon eindringlich davor gewarnt, in den Krieg mit der Hamas einzusteigen. Israels Armee teilte mit, sie habe «Terrorzellen» angegriffen, die Raketen vom Libanon abfeuern wollten. Die pro-iranische Hisbollah bestätigte, sie habe gestern israelische Truppen angegriffen. Israel habe daraufhin Ziele im Süden des Libanon beschossen.
Was heute wichtig wird
Während Israel seine Vorbereitungen für eine mögliche Bodenoffensive im Gazastreifen vorantreibt, dauern im Hintergrund die Bemühungen um die Freilassung weiterer Geiseln der islamistischen Hamas weiter an. Weltweit im Gespräch ist auch die Forderung nach einer Feuerpause.