Joe Biden wird 80: Ein Greis in Höchstform

Am 20. November feiert US-Präsident Joe Biden seinen 80. Geburtstag. Er ist der mit Abstand älteste US-Präsident aller Zeiten. Kann er seinem Amt noch gerecht werden?

Joe Biden feiert seinen 80. Geburtstag. (Bild: Spike Johnson/Shutterstock.com)
Joe Biden feiert seinen 80. Geburtstag. (Bild: Spike Johnson/Shutterstock.com)

Es läuft nicht schlecht für Joe Biden. Der US-Präsident hat bei den Midterms - den Wahlen zum Repräsentantenhaus und Senat - wesentlich besser abgeschnitten als erwartet. Der Oldie im Weißen Haus läuft offenbar immer zur großen Form auf, wenn es um was geht.

Mittlerweile spricht man im politischen Establishment von Washington, gegen das eine Schlangengrube wie ein Kinderplanschbecken anmutet, schon vom "zeitlosen Joe". Das ist stark übertrieben, denn Biden wird am 20. November erst 80.

Allerdings: So alt war noch keiner! Joe Biden ist mit seinen 80 Jahren der mit Abstand älteste US-Präsident aller Zeiten. Doch er sitzt fest und vor allem sicher im Sattel.

Widersacher Trump provoziert Biden

Während sein Widersacher und Vorgänger im Amt, Donald Trump (76), in der laut "Spiegel" "goldverzierten Plüschwelt" seiner Golf-Residenz Mar-a-Lago in Florida eine erneute Kandidatur bei den nächsten Wahlen zur US-Präsidentschaft 2024 ankündigte und mit den üblichen Lügen und Schimpftiraden den Wahlkampf eröffnete, gab Joe Biden beim G20-Gipfel auf Bali den souveränen Commander-in-Chief.

"Als er auf Bali kurz vor seinem Abflug gefragt wurde, ob er einen Kommentar zu der Ankündigung seines Rivalen habe, sagte Biden: 'Nicht wirklich'", notierte der "Spiegel". Dafür ließ der Präsident den stellvertretenden Sprecher des Weißen Hauses, Andrew Bates, via Twitter die Rede des Ex-Präsidenten kommentieren: "Gelangweilt? Da sind Sie nicht allein."

Der Präsident und der Clown - so sieht Biden die Konfrontation mit Trump. Ein Bild, das sich scheinbar auch in den Köpfen seiner Landsleute festzusetzen scheint. In der Tat sehen wir einen gut gelaunten Mann, der die hysterischen Trump-Attacken staatsmännisch abperlen lässt.

Die Frage ist nur: Traut man einem Achtzigjährigen, der bei Beginn einer zweiten Amtsperiode das 82. Lebensjahr überschritten hätte, das wichtigste Amt der Welt überhaupt noch zu?

Ist der Präsident noch dynamisch genug?

In den USA haben Präsidentschaftsbewerber vier Grundvoraussetzungen zu erfüllen: Sie müssen das passive Wahlrecht besitzen (dürfen weder entmündigt noch Strafgefangene sein), sie müssen die US-Staatsbürgerschaft besitzen (natural born citizen = in den USA geboren) und seit mindestens 14 Jahre in den Staaten leben. Darüber hinaus müssen sie mindestens 35 Jahre alt sein.

Nach oben ist die Grenze offen, das heißt die Kandidaten sollten körperliche und geistige Fitness mitbringen. Zuviel Altersmilde könnte als Charakterschwäche ausgelegt werden, dynamisches Auftreten macht sich immer gut.

Beobachter wollen einen Schrumpfungsprozess in der menschlichen Dynamik beim mächtigsten Amt der Welt wahrgenommen haben. "Das Weiße Haus macht die Menschen sehr schnell alt. Das zeigen die Vorher-nachher-Bilder, die regelmäßig von früheren Amtsinhabern veröffentlicht werden", schreibt das Schweizer Nachrichtenportal "watson.ch", was vor allem bei Präsident Barack Obama (61), der 19 Jahre jünger ist als Biden, zu beobachten war.

David Axelrod, der ehemalige Chefstratege von Barack Obama, erklärte in der New York Times: "Die Präsidentschaft ist ein monströs anstrengender Job, und die nackte Realität ist die, dass das Alter des Präsidenten (Biden - die Red.) bei einer zweiten Amtszeit näher bei 90 als bei 80 liegen würde."

"Creepy sleepy Joe"

In der Tat ist Joe Biden ein betagter Mann. "Creepy sleepy Joe Biden", der gruselige, verschlafene Joe Biden. So hat ihn Donald Trump genannt, ein Mann, der erwiesenermaßen ständig lügt. Allerdings ist Trump auch schon 76. In der ewigen Altenliste der US-Präsidenten ist er nach Joe Biden unangefochten die Nr. 2, bei einer Wiederwahl wäre er 78. Gleichwohl haben Trump und sein Anwalt Rudy Giuliani, 78, von Biden behauptet: "Er zeigt Anzeichen von Demenz!" Ein Vorwurf, der von "Fox News" ständig wiederholt wurde.

Das ist eigentlich eine Unverschämtheit gegenüber einem Mann, der vor seinem Job als erster Mann im Weißen Haus acht Jahre lang unter Barack Obama Vize-Präsident der USA war und 36 Jahre als Senator des US-Bundesstaats Delaware im Kapitol saß. Der als Jurist seit 1991 an der School of Law der privaten Widener University amerikanisches Verfassungsrecht lehrte.

Der falsche Spruch zur falschen Zeit

Allerdings hat sich Biden auch den Ruf erarbeitet, oft zur falschen Zeit das Falsche zu sagen, schreibt das amerikanische "Time"-Magazin. Er sei eine "Gaffe-Machine" (Patzer-Maschine), was aber nichts mit seinem Alter zu tun hat.

So sagte er 2007 über seinen späteren Chef Obama, dieser sei "der erste Afro-Amerikaner, der sich artikulieren kann, klug und sauber ist".

2008 bat er den demokratischen Parteifreund Senator Chuck Graham aus Missouri den ihm geltenden Applaus entgegenzunehmen. "Steh auf, Chuck, mach, dass sie dich sehen!" Graham ist seit einem Autounfall als Jugendlicher querschnittsgelähmt...

Bisweilen hat er Aussetzer. Zum Vorwahlkampf 2020 sagte er zu einem Mann, der Bidens Forderung nach einem verschärften Waffenrecht in den USA kritisierte: "Sie quatschen Scheiße!" Anschließend deutete Biden an, man könne das Ganze auch vor der Tür klären.

Andererseits hat Joe Biden, der früher unter Stottern litt und diese Schwäche mit dem Rezitieren von Gedichten vor einem Spiegel bekämpfte, wie kein anderer demokratischer Politiker die Gabe, das Publikum gefühlsmäßig in die Arme zu nehmen. Er zeigt Herz, und dann wirkt er nicht alt oder gar tattrig. Dann leuchten seine Augen, selbst wenn es um Todtrauriges geht.

Bidens tragisches Familienleben

Dieses Charisma wurzelt in der ganz persönlichen Tragik des Joe Biden. 1972 starben seine erste Frau Neilia (geb. 1942) und die einjährige Tochter Naomi Christine bei einem Autounfall. Die beiden Söhne Joseph "Beau" (geb. 1969) und Robert Hunter (geb. 1970) überlebten schwerverletzt. Joseph "Beau" fiel 2015 einem Krebsleiden zum Opfer.

Als Vize-Präsident sagte Joe Biden bei einer Veranstaltung für Eltern von gefallenen US-Soldaten: "Es wird der Tag kommen, da wird euch der Gedanke an eure Lieben zuerst ein Lächeln auf die Lippen zaubern, bevor euch eine Träne übers Gesicht läuft... Der Schmerz wird nie ganz weggehen, aber er wird kontrollierbar. Das verspreche ich euch."

Nach Angaben seiner Ärzte ist Präsident Biden körperlich topfit. Er trinkt und raucht nicht, er hat kein Übergewicht, trainiert regelmäßig im Fitnessraum. Und er sieht für sein Alter blendend aus.

Nach den Midterms kommentierte ntv geradezu euphorisch über Biden: "Er ist eine Persönlichkeit der Balance und des Ausgleichs und also nicht der Versuchung erlegen, dem rechten Keil programmatisch einen linken entgegenzusetzen oder auf den Hass mit Furor zu reagieren. Joe Biden hat Donald Trump mit Integrität und Cleverness, mit Maß und Mittigkeit geschlagen - zum zweiten Mal hat der Klügere gewonnen."

Gibt es eine Alternative zu Joe Biden?

Natürlich wünschen sich die meisten Amerikaner einen jüngeren Kandidaten für die nächste Präsidentschaft. Allerdings spüren sie auch, dass kein Besserer zur Verfügung steht, um einen Donald Trump erneut in die Schranken zu weisen, wie er es schon 2020 tat, als die meisten Wähler, so das Magazin "The Atlantic", jemanden wollten, "der nicht wie ein Verrückter tweetet, ihnen nicht rät, Desinfektionsmittel gegen Covid zu schlucken, und nicht die Ehre von Kriegshelden, Bürgerrechts-Ikonen oder behinderten Reportern besudelt. Jemanden, der ganz einfach anständig und seriös ist."

Das ist nun mal der 80-jährige Joe Biden. Anfang kommenden Jahres will er - nach intensiven Beratungen mit seiner Frau - sich entscheiden, ob er 2024 noch einmal antritt.

VIDEO: Trump kündigt Kandidatur für 2024 an – Biden ist nicht beeindruckt