Johann Lafer im Interview: "Die Jungen sind meine Freigeister"
In seiner SAT.1-Show "Drei Teller für Lafer" kehrt Spitzenkoch Johann Lafer ab 13. Mai zu den Wurzeln der guten alten Kochshow zurück. Warum? Weil die Idee des nachmittäglichen Formats gut in unsere Zeit passt, wie der 66-Jährige verrät. Auch als Schauspieler ist Johann Lafer demnächst zu sehen.
Früher waren Kochsendungen dazu da, dass Menschen neue oder bessere Gerichte in der heimischen Küche zuzubereiten lernen. Doch das schien irgendwann zu langweilig. Immer mehr übernahmen Wettbewerbsspiele, Comedy, Talk oder Doku- und Help-Formate das Kochlöffel-Zepter. Den österreichischen Sternekoch Johann Lafer zieht es nun zurück zu den Wurzeln. In seiner neuen SAT.1-Show "Drei Teller für Lafer" (ab 13. Mai, 15 Uhr) lässt er von Montag bis Freitag jeden Nachmittag Hobbyköche aus drei Generationen gegeneinander antreten. Unter einem - eher losen - Motto dürfen junge, mittelalte und ältere Koch-Amateure in der Studioküche ein Gericht zubereiten, bei dem Lafer hilft und das er bewertet. Das Wichtigste an der Show ist jedoch das Kochen selbst. Im Interview erklärt der 66-jährige Küchen-Veteran, warum gerade so eine Show perfekt in unsere Zeit passt. Auch als Schauspieler ist Johann Lafer bald zu sehen: In der ARD-Soap "Rote Rosen" spielt er vom 29. Mai bis 3. Juni (jeweils 14.10 Uhr, Das Erste) eine Gastrolle.
teleschau: Sie treffen in jeder Sendung auf drei Generationen am Herd. Kochen junge, mittelalte und ältere Menschen unterschiedlich?
Johann Lafer: Ja, durchaus. Die ältere Generation kocht noch einigermaßen nach gelernten Normen. Da wird nicht so viel improvisiert, vielleicht fehlen auch der Wunsch oder das Talent, dies zu tun. In der mittleren Generation sieht man die gegenwärtigen Trends am deutlichsten: vegetarische oder vegane Küche, angesagte Produkte und Zubereitungsarten. Und in der jungen Küche - da ist alles möglich. Ich hatte gerade eine junge Frau in der Sendung, die hat ein paniertes Schnitzel mit Champignon-Rahmsoße zubereitet. So etwas war früher "verboten". Als ich sie fragte, wie sie darauf gekommen ist, meinte sie: "Ja, ich weiß, das macht man so nicht. Aber es ist mein Lieblingsessen, und deshalb mache ich mir das so". Die Jungen sind meine Freigeister.
teleschau: Was interessiert Sie selbst an Ihrer Sendung?
Lafer: Ich finde, es ist die erste Kochsendung seit Langem, vielleicht sogar die erste überhaupt, die den Leistungsstand deutscher Küchen in ihrer Gesamtheit abbildet. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen dick aufgetragen, aber ich stehe hinter dieser Theorie. Dadurch, dass wir ganz normale Leute aus drei Generationen pro Folge dabei haben, die frei darin sind, das zu kochen, was sie möchten, sieht man wirklich, was die Leute gerne kochen - und vor allem wie sie das tun. Auch die Ergebnisse sind sehr authentisch. Mal schmeckt es ganz toll, mal durchschnittlich, aber immer wieder misslingen Gerichte auch. Genau so, wie in den meisten deutschen Privatküchen täglich passiert.
"Man muss die Jungen ihre Erfahrungen selbst sammeln lassen"
teleschau: Verstehen Sie alle drei Generationen gleich gut?
Lafer: Mit 66 Jahren gehöre ich ja mittlerweile auch zu den Älteren. Wahrscheinlich verstehe ich die deshalb am besten. Hinzu kommt, dass man als gelernter Koch mit Regeln groß geworden ist. Das alles ist erst mal meine Welt. Dass die Mittelalten Trends ausprobieren und sich darüber austauschen, ist ebenfalls nachvollziehbar. Man will in der Mitte des Lebens Neues entdecken, sucht nach frischen Impulsen. Tatsächlich ist es so, dass ich die Jungen am wenigsten verstehe, weil mir vieles von dem, was sie tun, chaotisch vorkommt. Ich frage mich: Wo kommt das jetzt her, wer hat das jemals so zusammengestellt? Aber - vielleicht ist dies der Geist, aus dem Neues entsteht. Auch, wenn mir dabei vieles falsch vorkommt. Es ist beim Kochen wie im Leben: Man muss die Jungen ihre Erfahrungen selbst sammeln lassen. Überhaupt bin ich der Meinung: Jeder Impuls, der dazu führt, dass sich die Menschen mit Kochen beschäftigen, fühlt sich für mich wertvoll an.
teleschau: Das Fernsehen ist seit drei Jahrzehnten voll mit Kochsendungen, nachdem solche Formate zuvor längere Zeit für Fernsehmacher uninteressant schienen. Sind wir durch diesen lang anhaltenden Trend bessere Köche geworden?
Lafer: Interessanterweise nicht. Es ist sogar das Gegenteil eingetreten. Sehr viel weniger Menschen können heute normale Dinge kochen, wenn man es mit der Zeit vor 20 oder 30 Jahren vergleicht. Es wird weniger daheim gekocht. Heute gehen meist beide Elternteile arbeiten. Man isst in der Kantine oder der Schulmensa. Abends sind dann alle müde, und man macht sich schnell noch irgendetwas. Die alte Kochkultur hatte viel mit traditionellem Leben und traditionellen Geschlechterrollen zu tun. Die gibt es heute nicht mehr. Dazu ist unser Leben viel stressiger geworden. Alle haben wenig Zeit. Fürs Kochen braucht man aber Zeit. Das alles sind gesellschaftliche Entwicklungen, die nicht durch den Trend aufgefangen werden, dass manche Menschen Kochsendungen schauen und daheim Rezepte ausprobieren.
teleschau: Das klingt jetzt ein bisschen kulturpessimistisch ...
Lafer: Ja, es ist aber wahr. Fertigkost, die zu Recht in der Kritik steht, weil sie meist ungesund ist, hat mittlerweile einen hohen Anteil an dem, was wir essen. Kochkultur, so wie ich sie als junger Mensch kennengelernt habe, ist ein gutes Stück weit verloren gegangen. Ich habe den Beruf des Kochs erlernt, weil ich davor in der Küche mitgeholfen habe. Und weil ich die Leidenschaft meiner Lehrer und Vorbilder geteilt habe, Produkte aus der Natur in gutes Essen zu verwandeln. Es ist wunderbar und faszinierend zu sehen, wie sich Dinge aus der Natur durch Kochkunst in etwas verwandeln, das Menschen glücklich, zufrieden und satt macht. Diese Erfahrung war der entscheidende Impuls meines Berufslebens und diesen Impuls konnte man früher grundsätzlich überall finden. Heute muss man solche Kindheitserfahrungen eher mit der Lupe suchen. Die meisten Kinder und Jugendlichen wachsen anders auf.
"Man muss erst mal die 'Basics' kennen, um experimentieren zu können"
teleschau: Wären sie dafür, dass junge Leute erst mal traditionell kochen lernen, bevor sie mit dem Experimentieren anfangen?
Lafer: Ja, man muss erst mal die "Basics" kennen, um experimentieren zu können. Dieses Basiswissen fehlt heute vielen. Wenn ich es auf den Bau übertrage: Wer nicht weiß, wie man ein Fundament errichtet, wird kein stabiles Haus errichten können.
teleschau: Durch die Corona-Pandemie ist die Zahl derer, die heute ganz oder teilweise im Homeoffice arbeiten, durch die Decke gegangen. Das müsste Ihrem Wunsch, dass daheim wieder mehr und mit Ruhe gekocht wird, doch entgegengekommen sein?
Lafer: Es gibt verschiedene Trends, die gerade das Kochen daheim fördern. Zum einen das Homeoffice, aber auch stark gestiegene Preise in der Gastronomie - nicht zuletzt durch die 19 Prozent Mehrwertsteuer. Die Lebenshaltungskosten haben zuletzt deutlich angezogen, weshalb viele sparen müssen. Man geht also seltener essen und probiert mehr daheim. Da setzt auch die Idee meiner neuen Sendung an. Wir wollen den Menschen die Angst nehmen, zu Hause Dinge auszuprobieren, und wir wollen zeigen: Es ist gar nicht so schwer zu kochen. Man kann auch mal scheitern, aber das macht nichts. Und: Anderen gelingt auch nicht immer alles!
teleschau: Alfred Biolek holte 1994 mit "alfredissimo!" das Kochen zurück ins deutsche TV. Seitdem ist der Trend nie mehr abgeebbt. Wundert Sie das?
Lafer: Essen betrifft alle, das Thema Kochen viele Menschen. So lässt sich die Langlebigkeit des Trends erst mal erklären. Die Art, wie Kochsendungen funktionieren, hat sich in diesen 30 Jahren aber auch verändert. Zuletzt stand weniger das Kochen im Mittelpunkt, sondern verrückte Spiele, Wettbewerbe und Tempo rund ums Kochen. Ich will mit "Drei Teller für Lafer" eigentlich zurück zu den Wurzeln, dem Kochen selbst. Wir wollen einfach nur zeigen, wie man aus welchen Zutaten ein gutes Essen zubereiten kann.
teleschau: Und dafür gibt es wieder genug Interesse?
Lafer: Es wird sich zeigen, aber wir glauben daran. Ein Wunsch oder ein Motto unserer Zeit, dem viele Menschen zustimmen würden, lautet: einfacher, aber besser! Das betrifft bei Weitem nicht nur das Kochen. Wir haben lange in Sphären geschwebt, wo wir dachten: Es ist alles grenzenlos, jedes Ziel ist erreichbar und überhaupt: "Never give up". Nun aber leben wir in einer neuen Zeit mit vielen Krisen, die uns ein Stück weit umdenken lassen. Wir ahnen oder wissen mittlerweile: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Wir müssen schauen, dass wir unsere Dinge zusammenhalten.
"Ich glaube schon, dass der Trend umkehrbar ist"
teleschau: Also spiegelt sich im Kochen und Essen daheim eine neue Bescheidenheit wider?
Lafer: Ja. Früher, als wir noch nicht so grenzenlos unterwegs waren, als es uns noch nicht so gut ging, war das gemeinsame Essen der Höhepunkt des Tages. Wir werden nun zwar nicht mehr ins Jahr 1900 zurückkehren, wo die Familie stets gemeinsam und vollzählig zum Essen am großen Tisch erschien. Dafür haben wir alle zu viele Termine, zu viel zu tun. Wenn wir es aber zumindest in Teilen hinbekommen, dass es hin und wieder so ist, wird das unserer Psyche gut tun. Und auch dem gesellschaftlichen Zusammensein. Davon bin ich überzeugt.
teleschau: Haben wir als Gesellschaft überhaupt eine Chance, den Trend zu Fastfood und verführerischer Fertigkost noch einmal umzukehren? Oder ist das Selbstkochen nur etwas für eine kleine Elite von Ernährungs-Enthusiasten?
Lafer: Ich glaube schon, dass der Trend umkehrbar ist. Wenn ich in die Generation junger Erwachsener wie meiner Kinder schaue, sehe ich ganz viel Bewusstsein für Ernährung, Gesundheit und auch ein großes Interesse daran, Zusammenhänge zu verstehen. Klar, es gibt Schichten, die sind diesbezüglich schwerer erreichbar. Aber auch dort ist eine Trendumkehr kein Ding der Unmöglichkeit. Jeder Mensch will sich und seinen Kindern doch etwas Gutes tun. Wenn man merkt, wie einfach dies durch schlichtes Kochen funktioniert, kann man schnell überzeugt werden, seinen Lebensstil zu ändern.