John Wick muss wieder Blut vergießen: Das sind die Kino-Highlights der Woche
"Der vermessene Mensch", "Seneca" und "John Wick - Kapitel 4", der neueste Teil der gefeierten Actionkino-Reihe mit Keanu Reeves: Das sind die Kino-Neustarts am 23. März.
Es ist eigentlich schon verrückt: Ein paar Gangster töten einen kleinen Hund, und dann wird daraus eine mehrteilige Actionkino-Reihe, die knapp 600 Millionen US-Dollar einspielt. Neun Jahre liegt der spektakuläre erste Auftritt von Keanu Reeves als John Wick inzwischen zurück. Heute fragt - zumindest unter den Fans - kaum noch jemand, wie das alles begonnen hat oder ob all das blutige Rachenehmen verhältnismäßig ist. John Wick ist Kult, der vielleicht größte Actionheld der Gegenwart. Und sein unbändiger Zorn ist noch immer nicht versiegt. "John Wick - Kapitel 4" läuft ab sofort im Kino.
Außerdem neu im Kino: Lars Kraume blickt mit "Der vermessene Mensch" auf die unrühmliche deutsche Kolonialgeschichte, während John Malkovich als Hauptdarsteller in Robert Schwentkes "Seneca" über das Leben und den Tod philosophiert.
John Wick - Kapitel 4
"Wenn du jetzt auch nur einen Fuß wieder in diesen Sumpf setzt, könntest du etwas aufwecken, das dich packt und wieder hineinzieht": Diese mahnenden Worte wurden dem ehemaligen Auftragskiller John Wick bereits im ersten Film von seinem alten Weggefährten Winston (Ian McShane) mit auf den Weg gegeben, und rückblickend erweisen sie sich als geradezu prophetisch. Jemand hat mal nachgezählt: Wenn man die bisherigen drei "John Wick"-Filme zusammenzählt, liegt der "Kill Count" bei 299. Und das, obwohl John Wick ursprünglich nichts anderes als Ruhe und Frieden wollte.
Der Durst nach Vergeltung, nach Genugtuung, nach dem doppelten und dreifachen Begleichen offener Rechnungen - er ist weiterhin stärker als jeder Friedenswunsch des Protagonisten. Der Hundefreund und Autonarr John Wick möchte die "Hohe Kammer", mit der er sich schon seit Film zwei herumschlägt, ein für alle Mal besiegen und bekommt es dabei mit einem mächtigen neuen Gegenspieler zu tun, dem Marquis de Gramont (Bill Skarsgård, "Es"). Aber bevor er ihm gegenübersteht, muss er bei seiner ganz eigenen Friedensmission zwischen New York und Paris erst einmal wieder viele andere kleine und große Gegner ausschalten. 300, 301, 302 ...
Das exzessive Blutvergießen, die vermeintlich als "cool" dargestellte Gewalt: Die Grundidee der "John Wick"-Reihe wurde im Lauf der Jahre immer wieder kritisiert. Regisseur Chad Stahelski bleibt aber auch mit "Kapitel 4" (Drehbuch: Shay Hatten, Michael Finch) auf dem Kurs, den er 2014 mit dem ersten Film einschlug. Lässige Sprüche, atemberaubende Verfolgungsjagden vor malerischen Kulissen, mitreißend choreografierte Kampfszenen und viel, viel Blei in der Luft. "John Wick - Kapitel 4" setzt als Neo-Noir-Actionfilm einmal mehr Maßstäbe und erntete, wie auch die letzten Filme, vorab schon viel Kritikerlob.
Neben knuffigen Hunden und Wicks ikonischem Ford Mustang kehren mit dem vierten "John Wick"-Film, auf den demnächst ein Spin-off mit Ana da Armas folgt ("Ballerina"), auch einige bekannte Gesichter auf die Leinwand zurück. Ian McShane ("Winston") ist wieder dabei, Keanu Reeves' alter "Matrix"-Kollege Laurence Fishburne ("Bowery King") ebenfalls. Darüber hinaus ist auch Lance Reddick, einer der Sympathieträger der bisherigen Filme, ein letztes Mal als Hotelier "Charon" zu sehen. Reddick verstarb kurz vor der Veröffentlichung von "John Wick - Kapitel 4" im Alter von 60 Jahren.
Der vermessene Mensch
Düstere Momente der deutschen Geschichte, aufgearbeitet auf der großen Leinwand: Da geht es meistens um den Nationalsozialismus, selten auch - wie zuletzt indirekt bei "Im Westen nichts Neues" - um den Ersten Weltkrieg. Lars Kraume greift in seinem neuen Film aber noch weiter zurück, sein Thema in "Der vermessene Mensch" ist die deutsche Kolonialpolitik um 1900 in Verbindung mit der damals schon weit verbreiteten Rassentheorie. Ein spannender, aber auch höchst unbequemer Blick in die Vergangenheit.
"Gibt es minderwertige Rassen?", tippt ein junger Ethnologe in seine Schreibmaschine. Viele Menschen hätten diese Frage im frühen 20. Jahrhundert für eine rhetorische gehalten, vor allem auch Vertreter der Wissenschaft. Damals war es eine weitverbreitete Überzeugung, dass der europäische Mensch etwa dem afrikanischen "Buschmann" geistig und kulturell deutlich überlegen sei. Man vermaß und verglich Schädel und stellte alle möglichen Schlussfolgerungen an, um die Theorien der Rassenlehre zu untermauern.
Der besagte junge Ethnologe Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) aber zweifelt. Sein Professor Josef Ritter von Waldstätten (Peter Simonischek, "Toni Erdmann") stellt ihm ein eigenes "Exemplar" zur Untersuchung zur Verfügung, eine junge Frau (Girley Charlene Jazama), an der Hoffmann nichts Minderwertiges finden kann. Dann wird er als Teil einer Forscherdelegation nach Deutsch-Südwestafrika entsandt. Hoffmann soll weiteres "Material" zum Zwecke der Forschung beschaffen, gleichzeitig lernt er die Völker der Herero und Nama immer besser kennen und verstehen.
Hoffmanns Aufenthalt in Afrika nimmt schließlich einen desaströsen Verlauf, mancher wird sich aus dem Geschichtsunterricht vielleicht noch an den "Herero-Aufstand" erinnern. Aus jener finsteren historischen Epoche stammt auch der Begriff vom "Platz an der Sonne", den das deutsche Reich sich neben den großen Kolonialmächten wie etwa dem britischen Empire unbedingt sichern wollte. "Ein Platz an der Sonne", so wollte Drehbuchautor und Regisseur Lars Kraume ("Das schweigende Klassenzimmer") ursprünglich auch seinen neuen Film nennen. Er entschied sich schließlich doch für den mehrdeutigen Titel "Der vermessene Mensch". Das trifft den Kern dieser auf vielen Ebenen gruseligen Geschichte wohl auch weitaus besser.
Seneca
"Niemand hat das Schicksal so emporgehoben, dass es sich ihm nicht ebenso oft in seiner bedrohlichen Gestalt gezeigt hätte wie in seiner Gunst. Traue nicht dieser Windstille: Ein Augenblick genügt, um das Meer aufzuwühlen." - So sprach Seneca der Jüngere in seinen "Briefen an Lucilius" vom Tod, der jeden zu jeder Zeit und überall heimsuchen könne. Große Herrscher ebenso wie große Denker, die Geschichte von Seneca selbst hat es auf denkwürdige Art gezeigt. Im Jahr 65 nach Christus nahm sich der Philosoph auf Geheiß von Kaiser Nero das Leben. Robert Schwentke erzählt von diesen letzten Tagen Senecas in einer Tragikomödie mit Star-Besetzung.
Schwentke ist seit vielen Jahren schon bestens vernetzt in der internationalen Filmwelt. Unter anderem inszenierte er das Drama "Die Frau des Zeitreisenden" (2009) mit Rachel McAdams und Eric Bana sowie die Actionkomödie "R.E.D. - Älter, Härter, Besser" (2010) mit Bruce Willis, Morgan Freeman, Helen Mirren und John Malkovich. Für "Seneca" arbeitete der Regisseur und Autor nun erneut mit Charakterkopf Malkovich, der ohnehin nicht mehr als eine Toga braucht, um wie ein alter römischer Geistesmensch auszusehen; auf der Darstellerliste stehen unter anderem auch Louis Hofmann ("Dark"), Lilith Stangenberg, Samuel Finzi und Geraldine Chaplin. Schwentke inszeniert seinen Seneca mit fatalistischem Witz, zeichnet ihn aber darüber hinaus auch als widersprüchliche Persönlichkeit.
Seneca ist heute vor allem als Philosoph bekannt, daneben war er aber auch Staatsmann. Als Senator mit großem Redegeschick wurde Seneca zu einem der mächtigsten und reichsten Männer des antiken Roms. Darüber hinaus, auch das wird bei heutigen Erwähnungen Senecas immer hervorgehoben, war er außerdem der Lehrer von Nero, einem der berüchtigtsten Herrscher der römischen Geschichte.
Seneca (Malkovich) versucht, Nero (Tom Xander) seit dessen Geburt die wichtigsten Tugenden mit auf den Weg zu geben, um ihn so zu einem besseren Menschen zu machen. Doch während der Alte von Milde, Zurückhaltung und Verzicht predigt, träumt der Junge von ausschweifenden Festen und dem Ausspielen seiner Macht. Irgendwann hat Nero genug von der alten Nervensäge Seneca. Er blafft seinen Mentor im Film an, er solle "das Maul halten". Später lässt er ihm dann sein Todesurteil überbringen: Seneca hat bis zum nächsten Morgen Zeit, um sich selbst zu töten.
Seneca war Anhänger der Stoa (daher rührt der heutige Begriff "stoisch"), und so gehörte es zu seinem philosophischen Grundverständnis, selbst den Tod hinzunehmen ohne mit der Wimper zu zucken - verhindern kann man ihn ja sowieso nicht. Im Angesicht seines nahenden Endes läuft der spitzzüngige Redner im Film noch einmal zur großen Form auf. Aber ganz kalt lässt ihn die Sache dann doch nicht. Wann sollte er als Denker sich selbst die ganz großen Fragen stellen, wenn nicht jetzt?