Joko Winterscheidt: "Ich sehe mich nicht als Aktivist"

Der Komiker und Moderator Joko Winterscheidt (44) tritt seit seinen Anfängen bei VIVA mit Kollege Klaas Heufer-Umlauf (39) als Spaßbeauftragter auf. Egal ob "Das Duell um die Welt", "Circus HalliGalli" oder "Joko & Klaas gegen ProSieben": Winterscheidt unterhält Menschen und fällt selbst durch seine ansteckende Lache auf. Zuletzt war er etwa in der Amazon-Produktion "LOL: Last One Laughing" zu sehen.

Doch der 44-Jährige hat auch eine ernsthafte Seite: Zusammen mit Heufer-Umlauf machte er in einem mehrstündigen Beitrag auf die Situation der Pflegekräfte aufmerksam. Später verschenkten beide ihre Instagram-Kanäle, um die Frauenproteste im Iran zu unterstützen.

Mit seiner neuen Amazon-Dokuserie "Joko Winterscheidt Presents: The World's Most Dangerous Show" taucht der Entertainer nun erneut in ein Thema ein, das von Schenkelklopfern weit entfernt ist. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät er, wie es zu diesem Vorhaben kam, warum es keine einmalige Sache bleiben wird und warum er sicher ist, dass seine Fans bei dem Projekt hinter ihm stehen.

Sie sind als der Spaßvogel mit der witzigen Lache bekannt, für seichte Unterhaltung und pubertären Humor. Wie kommt es, dass Sie sich nun an die Wissenschaft wagen?

Joko Winterscheidt: Ich wage mich nicht an die Wissenschaft, sondern versuche, meine Reichweite und Aufmerksamkeit, die ich in den vergangenen Jahren erreicht habe, auf ein Thema zu lenken, das unsere Zukunft extrem prägen und beeinflussen wird. Die Klimakrise ist leider keine wissenschaftliche Theorie mehr, sondern bittere Realität, die auch die Menschen beschäftigen wird, die - wie ich - nicht immer vorbildlich und klimaneutral gelebt haben.

Wir alle werden uns früher oder später mit diesem Thema auseinandersetzen müssen und wenn ich mit meiner Reichweite ein kleines bisschen dazu beitragen kann, dann habe ich alles erreicht, was ich mir mit dieser Dokumentation vorgenommen habe.

Sehen wir Sie bald bei Klima-Demos und in Talkshows für Klimaschutz streiten?

Winterscheidt: Ich bin kein Wissenschaftler und sehe mich nicht als Aktivist. Ich mache seit 15 Jahren aus Überzeugung und mit Leidenschaft Unterhaltung und richte jetzt nur die Scheinwerfer, die sonst auf mich gerichtet sind, auf ein Thema, das mir persönlich Angst macht und bei dem ich eine große Unsicherheit verspüre. Ich wollte ein Gefühl dafür entwickeln, was da auf uns zukommt und habe gleichzeitig gehofft, dass ich dabei auch Menschen, Ideen und Lösungen finde, die mir Hoffnung für die Zukunft geben.

Ich kann leider nicht sagen, dass mir die intensive Beschäftigung mit dem Thema die Angst und Unsicherheit genommen hat, aber ich habe auch gelernt, dass die nötigen Veränderungen in unserem Leben nicht nur ein düsteres Horrorszenario, sondern auch eine große Chance sind. Mir hat diese Erkenntnis sehr geholfen und wenn sich dieses Gefühl auch auf die Zuschauer und Zuschauerinnen dieser Doku überträgt, bin ich mehr als zufrieden.

Haben Sie privat etwas umgestellt nach der Show? Falls ja: Was zum Beispiel?

Winterscheidt: Ich will da nichts beschönigen: Auch wenn ich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach habe, meinen Fleischkonsum reduziere und vermehrt mit der Bahn reise, wird aus mir sicher kein Aushängeschild für vorbildliches und klimaneutrales Leben mehr. Das habe ich nie behauptet und wäre sicher auch nicht sehr glaubwürdig.

Trotzdem hinterfrage ich meine Verhaltensweisen und Gewohnheiten mehr als noch vor ein paar Jahren und bin der festen Überzeugung, dass nicht nur bewundernswert konsequente und idealistische Menschen über den kommenden Klimawandel diskutieren und reden sollten. Der Klimawandel trifft auch die, die bislang nichts davon wissen wollten.

Was können Sie Neues zu dem Thema beitragen, was ein Harald Lesch etwa nicht schon zigmal aufgedröselt hat?

Winterscheidt: Alles, wirklich alles, was ich zu dem Thema zu sagen habe, können Wissenschaftler wie Harald Lesch oder Klimaaktivisten und Aktivistinnen besser, glaubwürdiger und kenntnisreicher formulieren. Doch leider höre ich selbst manchmal meinem besten Freund in der Kneipe oder auf einer Party eher zu, als Experten und Expertinnen und Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen.

Ich hoffe, dass ich mit dieser Dokumentation eher der Freund sein kann, der sich auf Augenhöhe und mit solidem Halbwissen dem Thema annimmt und sich auf die Suche nach Menschen macht, die wirklich Ahnung und Ideen haben, ob und wie wir aus dieser Scheiße wieder rauskommen. Dazu kommt bedauerlicherweise, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selten in der Primetime zu finden sind und ihnen selten große Dokumentationen für Prime Video angeboten werden. Ich habe versucht, dieses Privileg zu nutzen und die Aufmerksamkeit mit den Menschen zu teilen, die wirklich etwas zu sagen haben.

Trauen Sie Ihren Fans zu, sich auf das Thema einzulassen und selbst aktiv zu werden?

Winterscheidt: Hundertprozent. Ich hoffe aber vor allem, dass ich auch Leute außerhalb dieser Gruppe erreiche. Ich komme nicht mit erhobenem Zeigefinger und sage, was alles falsch läuft. Ich spüre, es muss sich etwas verändern, und will meinen Teil dazu beitragen, Denkanstöße zu geben. Ich beanspruche für mich nicht, eine weiße Weste zu haben, sondern sehe mich eher als jemanden, der normal wie alle anderen lebt. Dadurch habe ich vielleicht einen anderen Blick auf die Dinge.

Sie geben einen kurzen Überblick über die verschiedenen Ansätze, richtig in die Tiefe gehen Sie aber eher nicht. Wollen Sie das vielleicht künftig noch ändern?

Winterscheidt: Einmalig war es sicher nicht. Die Klimakrise ist ja kein Werkzeug, das man dann benutzt, wenn man es braucht. Sie ist allgegenwärtig und wird unsere Zukunft dominieren. Was die Tiefe angeht, überlasse ich das gerne den Profis. Ich bin nicht angetreten, um die Welt zu retten, ich will Chancen präsentieren und vor allem zeigen, dass es noch nicht zu spät ist. Aber dafür braucht es vor allem Aufmerksamkeit und Bewusstsein für das Thema. Das ist dann genau der Punkt, an dem jemand wie ich etwas Sinnvolles dazu beitragen kann.

Sie sprechen es in der Serie an: Amazon als Unternehmen wird von vielen im Zusammenhang mit Klimaschutz sehr kritisch gesehen. Denken Sie, die Show kann auch zu deren Handeln positiv beitragen?

Winterscheidt: Natürlich musste auch ich mir die Frage stellen, ob diese Doku am Ende ein Feigenblatt für Amazon ist und man Gefahr läuft, das Richtige zu wollen und das Falsche zu erreichen. Nichtsdestotrotz ist Amazon eine unfassbar große Plattform, mit der man - auch international - viele Menschen erreicht. Im Grunde lief es schnell auf die Frage hinaus, was uns wichtiger ist: Jeden Widerspruch dieses Projekts zu entkräften und einfach die nächste Gameshow zu produzieren oder die Chance zu ergreifen und die enorme Reichweite für dieses Thema zu nutzen. Dass das Risiken für alle Seiten beinhaltet, war und ist uns zu jedem Zeitpunkt bewusst und haben wir auch in der Dokumentation zum Thema gemacht.