Josie Hermer über Fiktion und Realität: "Irgendwo sind wir doch alle Social-Media-süchtig"

Josie Hermer (19) hatte schon immer den Traum, eine erfolgreiche Schauspielerin zu werden. Nach einer Rolle in "Schloss Einstein" spielt sie nun in der neuen RTL+ Serie "Meme Girls" (ab 22. Juni sind alle sechs Episoden bei RTL+ verfügbar) die Influencerin Liv - ihre erste Hauptrolle. Im Interview spricht sie über Chancen und Risiken innerhalb der Social Media-Welt. (Bild: RTL / Hardy Spitz)

Soziale Medien beherrschen den Alltag vieler Menschen: Schauspielerin Josie Hermer (19) kreiert täglich Inhalte auf TikTok und Co., ist sich aber der Risiken dieser Scheinwelt bewusst, wie die Protagonistin der neuen RTL+Serie "Meme Girls" im Interview betont. Es geht um Fiktion und Realität.

Sie ist das, was man heute als "Digital Native" bezeichnet: Schauspielerin Josie Hermer wuchs mit Smartphone und Sozialen Medien auf. Die 19-Jährige gehört zur Generation Z, Hashtags, Likes und Kommentare sind ihr Alltag. Sie ist sehr aktiv auf Plattformen wie TikTok und Instagram, ist sich aber der Scheinwelt, in der sie sich bewegt, bewusst. Täglich versorgt sie ihre Community mit neuen Inhalten und legt dabei großen Wert auf "Authentizität", wie sie im Interview betont. Josie Hermer spricht über Themen, die ihre Generation bewegen - und die damit auch Teil der neuen Comedy-Serie "Meme Girls" sind (alle sechs Folgen ab 22. Juni auf RTL+). Psychische Gesundheit und "Relatable content" nehmen im Online-Diskurs immer mehr Raum ein. Es sei wichtig zu zeigen, dass nicht immer alles perfekt ist, erklärt Hermer. Wie im Leben ihrer Rolle Liv, die Protagonistin der Teenager-Serie. Eine Influencerin ohne Smartphone und Internetzugang? Eine Katastrophe - zumindest vorerst.

teleschau: Würden Sie sich selbst als Social-Media-süchtig bezeichnen?

Josie Hermer: Ja. Irgendwo sind wir doch alle Social-Media-süchtig. Wir fahren nur fünf Minuten mit der Bahn und gucken aufs Handy. Das ist einfach unsere Generation - das will ich gar nicht abstreiten.

teleschau: Was hat Sie dazu veranlasst, Ihre Social-Media-Präsenz in diesem Maße auszubauen?

Josie Hermer: Es war ein schleichender Prozess. Ich habe immer schon gerne Bilder gemacht, später dann auch Videomaterial geschnitten. Es hat mir einfach unglaublich viel Spaß gemacht. Ich liebe den kreativen Prozess. Kreativität kann auch herausfordern. Also wurde ich mit der Zeit aktiver - vor allem während der Corona-Zeit. Da war mir einfach langweilig (lacht).

Sie spielt in der neuen Serie "Meme Girls" die junge Liv. Josie Hermer ist mit ihren 19 Jahren Teil der Generation Z: Soziale Medien und Smartphones spielen eine große Rolle im Leben der Schauspielerin. Dabei ist "vor allem Authentizität wichtig", betont sie im Interview. (Bild: RTL / Hardy Spitz)
Sie spielt in der neuen Serie "Meme Girls" die junge Liv. Josie Hermer ist mit ihren 19 Jahren Teil der Generation Z: Soziale Medien und Smartphones spielen eine große Rolle im Leben der Schauspielerin. Dabei ist "vor allem Authentizität wichtig", betont sie im Interview. (Bild: RTL / Hardy Spitz)

"Viele behaupten, Influencer zu sein, sei kein richtiger Beruf"

teleschau: Was steht bei Ihnen sonst noch auf der Tagesordnung außer der Schauspielerei und Social Media?

Josie Hermer: Im vergangenen Jahr habe ich mein Abitur gemacht. Seitdem konzentriere ich mich aufs Schauspiel. Okay, herumgereist bin ich auch.

teleschau: Hatten Sie jemals einen anderen Berufswunsch?

Josie Hermer: Ehrlich gesagt wollte ich schon immer Schauspielerin werden. Klar, zwischendurch stand Ballerina ganz hoch im Kurs als ich Ballett getanzt habe, aber das hat sich schnell wieder gelegt.

teleschau: Wie begegnen Ihnen Ihre Eltern oder generell Ihr Umfeld aufgrund Ihrer Reichweite und Ihres Berufs?

Josie Hermer: Meine Eltern sind voll supportive und unterstützten mich vom ersten Moment an. Dafür bin ich echt dankbar. Als ich mit Schauspiel und Social Media angefangen habe, habe ich gemerkt, wie sich ein paar Leute aus meinem Umfeld verändern. Dann wusste ich aber auch mit Gewissheit, wer meine wahren Freunde sind.

teleschau: Und diese Freunde sind bestimmt auch ab und an Teil Ihrer Videos ...

Josie Hermer: Ja, auf jeden Fall. Hin und wieder helfen sie mir, meinen Content zu produzieren. Immerhin bin ich manchmal mehrere Stunden pro Tag damit beschäftigt. Auch wenn viele behaupten, Influencer zu sein, sei kein richtiger Beruf, steckt viel dahinter: Vorbereitung, Ideenfindung, Schnitt, Nachbereitung. Ich versuche, alle Zeitfenster sinnvoll zu nutzen - ich schneide Clips beispielsweise oft während längerer Autofahrten.

Im Leben von Liv (Josie Hermer, rechts) und ihren besten Freundinnen spielen vor allem GIFs, Hashtags, Clips und Likes eine wichtige Rolle - und scheinbar auch ihr Selbstbild. Die Comedy-Serie "Meme Girls" greift das Thema Social-Media-Sucht ebenso humorvoll wie ernst auf. (Bild: RTL / Hardy Spitz)
Im Leben von Liv (Josie Hermer, rechts) und ihren besten Freundinnen spielen vor allem GIFs, Hashtags, Clips und Likes eine wichtige Rolle - und scheinbar auch ihr Selbstbild. Die Comedy-Serie "Meme Girls" greift das Thema Social-Media-Sucht ebenso humorvoll wie ernst auf. (Bild: RTL / Hardy Spitz)

"Niemand sollte Social Media unterschätzen"

teleschau: Was raten Sie jungen Menschen, die Influencer werden wollen?

Josie Hermer: Ich bin der Überzeugung, dass niemand auf Krampf mit Social Media erfolgreich sein kann. Ich rate jedem, sich nur dann darauf zu konzentrieren, wenn es wirklich Spaß macht. Immerhin nimmt es viel Zeit und Arbeit in Anspruch. Es beeinflusst deinen Alltag, du gibst private Dinge von dir Preis - das sollte niemand unterschätzen. Jeder muss sich die Frage stellen: "Mache ich das für mich, oder hoffe ich auf Bestätigung von außen?"

teleschau: Welche Eigenschaften braucht es - neben dem Spaß an der Sache - um auf Social Media erfolgreich zu sein und durchzustarten?

Josie Hermer: Ich glaube nicht, dass man das auf ein paar Attribute reduzieren kann. Jeder muss einfach seine Nische finden, seine Community, die das feiert, was man macht. Es braucht eine eigene Ästhetik. Vor allem ist aber Authentizität wichtig. Mittlerweile spielen gesellschaftsrelevante Themen wie psychische Gesundheit einfach eine größere Rolle - es ist wichtig zu zeigen, dass nicht immer alles perfekt ist. Das wollen die Leute sehen.

teleschau: Nervt es nicht, immer am Ball bleiben zu müssen und auch schwache Momente zu teilen?

Josie Hermer: "Nerven" ist nicht das richtige Wort. Ich bin quasi jeden Tag online. Mein Anspruch ist es, jeden Tag zumindest ein Lebenszeichen von mir zu geben - nicht unbedingt in den Momenten, in denen es mir schlecht geht, aber hinterher. Dann spreche ich auch über schwierige Themen ganz offen. Zeige ich mich verletzlich, mache ich mich dadurch aber auch angreifbar - ganz klar.

In "Meme Girls" werden vor allem Themen, die die Generation Z bewegen, aufgegriffen - und das mit einer guten Portion Humor. Von links: Vanessa (Luna Kuse), Mila (Saron Degineh), Liv (Josie Hermer) und Alma (Fine Sendel) erleben einen turbulenten Teenager-Alltag. (Bild: RTL / Hardy Spitz)
In "Meme Girls" werden vor allem Themen, die die Generation Z bewegen, aufgegriffen - und das mit einer guten Portion Humor. Von links: Vanessa (Luna Kuse), Mila (Saron Degineh), Liv (Josie Hermer) und Alma (Fine Sendel) erleben einen turbulenten Teenager-Alltag. (Bild: RTL / Hardy Spitz)

"Wie viel zeigt eine Story wirklich?"

teleschau: Neben all der Bestätigung im Netz spielt auch immer Hate eine große Rolle ...

Josie Hermer: Ich muss sagen, dass ich eine sehr nette Community habe. Mir kommen selten Hasskommentare im Netz entgegen. Eine Followerin hat sich aber schon mal auf mich "eingeschossen".

teleschau: Wie gingen Sie damit um?

Josie Hermer: Ich schaue mir immer an, ob es Hate ist oder vielleicht sogar berechtigte Kritik. Ist es aber total unbegründet oder auch einfach unpassend, ist es mir relativ egal. Klar, es ist immer ein bisschen schwierig, damit umzugehen. Ich habe auch länger gebraucht, um damit klarzukommen, aber ich habe mit der Zeit einen guten Weg gefunden.

teleschau: Der da wäre?

Josie Hermer: Leider fallen die negativen Kommentare immer mehr auf als die positiven. Dann suche ich mir einfach einen positiven Kommentar oder eine nette Nachricht, über die ich mich besonders freue. So ist es immer. Ich erinnere mich daran, dass ich mit meinem Content vielen Menschen eine Freude mache.

teleschau: Wo genau sehen Sie außer Hass im Netz noch die Risiken in der Social-Media-Welt? Vor allem für die Generation Z, die sehr früh damit konfrontiert wird ...

Josie Hermer: User können sich sehr schnell in dieser Welt verlieren und ein falsches Bild von der Realität, vom Leben bekommen. Wie viel zeigt eine Story wirklich? Das ist vielleicht ein 30- oder 40-sekündiger Ausschnitt vom Tag. Da passiert so viel Ungesehenes dazwischen. Vor allem jungen Mädchen wird teilweise ein falsches Bild vermittelt, eine Art romantisierte Welt. Ich finde zwar, jeder sollte sein Leben romantisieren, das Beste daraus machen. Es kann aber eben auch sehr schnell in eine falsche Richtung gehen.

"Die perfekte Welt wird sozusagen aufgebrochen"

teleschau: Es sieht also eigentlich eher mau aus mit den Chancen Sozialer Medien?

Josie Hermer: Nein, im Gegenteil: Ich sehe großes Entwicklungspotenzial. Der Trend geht mehr und mehr in die Richtung. Auch negative Seiten und Makel offen zu zeigen und nicht mehr zu verstecken, gehört dazu. Es wird auch mehr über die Risiken aufgeklärt. Die perfekte Welt wird sozusagen aufgebrochen. Und das ist gut so.

teleschau: Heutzutage lernen sich viele junge Menschen über Dating-Apps oder Social-Media-Plattformen kennen. Präferieren Sie Online-Dating oder sind Sie eher für das gute alte Clubbing zu begeistern?

Josie Hermer: Ich bin ein bisschen altmodisch (schmunzelt). Ich hatte bislang noch keine Dating-App. Ich treffe Menschen lieber im Real Life. Man merkt einfach direkt, ob eine Connection da ist oder eben nicht.

teleschau: Wünschen Sie sich manchmal in eine andere Zeit zurück, in der nicht alles sofort festgehalten, aufgezeichnet oder gefilmt wurde?

Josie Hermer: Beide Welten haben Vor- und Nachteile. Wenn ich mit meinen Eltern rede, denke ich mir schon: "Boah, das war auch eine coole Zeit." Es war bestimmt persönlicher. Heutzutage hingegen habe ich die Möglichkeit, mich beispielsweise leichter mit meinen Freunden zu connecten. Nichtsdestotrotz würde ich gerne eine Woche lang in einer Zeit ohne Smartphone leben. Die 80er-Jahre fühle ich schon alleine wegen der Musik (lacht).

teleschau: Wie alt waren Sie, als Sie Ihr erstes Smartphone hatten?

Josie Hermer: Mein erstes Smartphone bekam ich mit 13. Das war damals das alte Handy von meinem Vater. Ich musste lange diskutieren, bis ich schließlich WhatsApp nutzen durfte. Da war ich dann schon 14. Ein halbes Jahr später war ich dann auch schon bei Instagram. Auch da musste ich lange diskutieren, aber es hatten nun mal schon die meisten in meinem Alter. Rückblickend finde ich 14 sehr früh - damals war das natürlich nicht so (lacht). Heute ist mein liebstes Netzwerk Instagram. Ich bin einfach Fan von der Bild-Idee. Das hat Qualität. So kann ich mehr erzählen, mehr Feeling transportieren. TikTok ist in erster Linie einfach unterhaltsam, es begegnet dir auch viel Trash. Es ist zu schnelllebig. Auf Instagram wird meiner Meinung nach viel mehr gelernt und Information transportiert.

teleschau: Was war Ihr erfolgreichster Post? Hat man so etwas überhaupt im Blick?

Josie Hermer: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht genau. Ich weiß zwar, was in letzter Zeit gut bei meinen Followerinnen und Followern ankam, aber genau messen lässt sich etwas nur schwer. Geht es dabei um Likes oder Kommentare? In welchem Zeitraum hat ein Post welche Resonanz erhalten? Da stellen sich einige Fragen ... Mein relatable content kommt aber immer gut an. Dabei handelt es sich um von mir nachgespielte Situationen, die andere auch kennen und sich damit identifizieren können.

"Ich möchte real bleiben"

teleschau: Wie war es für Sie am Set einer Serie wie "Meme Girls", die das aufgreift, was Ihre Generation derzeit bewegt?

Josie Hermer: Für mich war der Dreh eine coole Erfahrung. Ich habe Freunde gefunden, mit denen ich noch heute in Kontakt bin. Ich durfte so viel lernen. Das Pensum war zwar teilweise schon enorm, wir hatten Nacht-Drehs und viele sehr lange Drehtage, aber ich konnte viel über mich selbst lernen.

teleschau: In einem Persönlichkeits-Test-Video betonten Sie mehrmals, dass Sie lieber allein seien, als Party zu machen. Wie passt das mit dem Mitteilungsbedürfnis und dem Offenlegen des Privaten als Schauspielerin, die sehr präsent in den Sozialen Medien ist, zusammen?

Josie Hermer: Einerseits bin ich eine offene Person, die es liebt, unter Menschen zu sein. Andererseits brauche ich auch Zeit für mich. Ich bin sozusagen extrovertiert und introvertiert gleichermaßen. Zwei Seelen in einem Körper eben ...

teleschau: Sie haben bereits in "Schloss Einstein" mitgewirkt und spielen in "Meme Girls" nun Ihre erste Hauptrolle. Wie kam es dazu?

Josie Hermer: Auf den Casting-Aufruf stieß ich durch Zufall auf Instagram. In der ersten Runde schickte ich meinen Steckbrief und Bilder ab. Dann wurde ich zu einem Online-Casting eingeladen, und wenig später, im September 2021, hatte ich auch schon mein erstes Live-Casting. Das zweite folgte direkt im Oktober. Ich dachte erst, ich sei raus, weil ich so lange nichts gehört hatte - aber dann hat es ja Gott sei Dank geklappt. Allein, die Pilotfolge zu drehen, hat großen Spaß gemacht.

teleschau: Weil Sie sich besonders gut mit der Rolle der Influencerin Liv identifizieren konnten?

Josie Hermer: Oh nee. Ich finde es cool, dass es sich bei Liv um mein komplettes Gegenteil handelt. Ich habe immer schon Rollen geliebt, die einerseits total sympathisch wirken, aber andererseits auch Hassobjekt der Zuschauerinnen und Zuschauer werden. Das Hin und Her macht's aus.

teleschau: Sehen Sie Parallelen bei Ihrem und Livs Social Media-Verhalten?

Josie Hemer: Nicht wirklich. Sie postet sehr klischeehaften Content. Alles ist sehr aufgedreht und bunt. Ich bin da ein bisschen ruhiger. Ich bin nicht so aufgesetzt. Mich treiben andere Motive an - ich möchte real bleiben.

teleschau: Was halten Sie davon, dass immer mehr Influencer in die Schauspiel-Branche eintauchen - vielleicht teilweise auch ohne die entsprechende Ausbildung?

Josie Hermer: Solange sie Talent haben und auch was dafür tun - warum nicht? Solange der Film nicht unter der schauspielerischen Leistung leidet ... Schließlich kann jeder seinen Horizont erweitern. Mein Hauptziel ist es, mich als Schauspielerin zu etablieren, weitere Projekte zu drehen und Workshops zu machen. Ich möchte immer dazulernen. Ich glaube aber, ich werde bei Social Media immer am Ball bleiben, weil das nun mal mein Hobby ist.