Kühnert in Bürgergeld-Diskussion entsetzt über Merz: "Eine glatte Lüge!"
Eine "Grenzüberschreitung" habe sich Friedrich Merz bei seiner Rede im Bundestag geleistet, fand SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im ZDF-Talk "Markus Lanz". Der CDU-Chef hatte im Bundestag davon gesprochen, dass sich Arbeit mehr lohnen müsse als der Bezug von staatlichen Transferleistungen.
Es war eine eher zähe Diskussion am Mittwochabend bei Markus Lanz im ZDF, bei der die steuer- und sozialpolitische Zukunft Deutschlands diskutiert werden sollte, es zunächst aber viel um parteipolitische Fragen ging. So sprach der Moderator etwa den angeblichen Streit um die Einführung eines subventionierten Industriestrompreises an, den die SPD fordert, während Kanzler Olaf Scholz ihr eher skeptisch gegenübersteht. Alles halb so wild, versicherte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: Man diskutiere lediglich, wie es gelingen könne, "dass wir auch im regenerativen Zeitalter, wenn wir mit komplett erneuerbaren Energien in zehn, 15 Jahren wirtschaften müssen, immer noch ein energieintensives Industrieland sind".
In einer idealen Welt bin ich nicht mit Friedrich Merz in einer Koalition.Kevin Kühnert, SPD
Lanz' Versuch, Kühnert zu einer Anti-Kanzler-Aussage zu bewegen, war damit gescheitert - anschließend ging es unter anderem um das Heizungsgesetz sowie die Steuererhöhungs-Überlegungen des CDU-Parteichefs Friedrich Merz, die Kevin Kühnert "vom Grundkonstrukt" her gar nicht verkehrt fand, oder, wie der stellvertretende WELT-Chefredakteur Robin Alexander es zusammenfasste: "Herr Merz möchte die in der Mitte entlasten und zähneknirschend nimmt er in Kauf, dass oben mehr gezahlt werden muss. Herr Kühnert möchte die ganz oben mehr belasten und nimmt zähneknirschend in Kauf, dass in der Mitte dafür entlastet werden müsste. Und in einer idealen Welt könnte man sich in einer Koalition treffen." Nicht doch, widersprach Kühnert: "In einer idealen Welt bin ich nicht mit Friedrich Merz in einer Koalition."
Kühnert wirft Merz "Grenzüberschreitung" vor
Schließlich mündete die Diskussion in der zentralen Frage, ob es sich für Menschen aus dem Niedriglohnsektor überhaupt lohne zu arbeiten oder ob sie als arbeitslose Bürgergeldempfänger nicht das bessere Leben hätten. Das nämlich hatte der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz suggeriert, als er am Mittwoch im Bundestag die Erhöhung des Bürgergeldes kritisierte. Ein Unding, fand Kevin Kühnert - beziehungsweise "eine glatte Lüge". Merz habe "eine Grenzüberschreitung gemacht, die ich von ihm bisher nicht gehört habe". monierte der SPD-Generalsekretär.
Denn: "Er hat nämlich nicht mehr gesagt: 'Die Leute empfinden es so, dass Arbeit sich nicht lohnt.' Darüber könnte man ja diskutieren oder über die Größe von Abständen. Sondern er hat gesagt: 'Es lohnt sich nicht, arbeiten zu gehen.'" Dem sei aber einfach nicht so. Es gebe immer einen Anreiz zur Arbeit, zum Beispiel Zuverdienst-Freigrenzen.
Kühnert verweist nach Forderungen von CDU-Mann auf Menschenwürde
Auch die Aussagen des Junge-Union-Politikers Johannes Winkel wollte Kühnert nicht stehen lassen. Der hatte nämlich erklärt: "Wenn man sich Arbeit dauerhaft verweigert, zumutbarer Arbeit, dann gibt's eben von staatlicher Seite keine Anreize, indem Transferleistungen gekürzt werden." Das gelte sowohl für Deutsche als auch für Migrantinnen und Migranten.
Kühnert konterte, dass es doch längst die Möglichkeit zu Sanktionen gebe. Nur hätten eben diese ihre Grenzen - weniger als das Existenzminimum dürfe niemand bekommen, schon allen wegen des Grundsatzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Er sei "ein bisschen irritiert: Wir haben jetzt einerseits ganz viel die Forderung: Arbeit muss sich lohnen, fördern und fordern. Und dann ist eben, wie ich finde, doch sehr beiläufig darüber hinweggegangen worden über diese zusätzliche Förderung von Menschen im Bürgergeldbezug, die eine Qualifizierungsmaßnahme machen und die auch durchhalten." Das sei doch "ein Beitrag zu: Leistung muss sich lohnen".
Wie auch immer man letztlich zu der Sache steht: Nach der Mittwochsausgabe von "Markus Lanz" bleibt ein fader Beigeschmack, weil wieder einmal Geringverdienerinnen und -verdiener gegen Arbeitslose ausgespielt wurden. Hier die Fleißigen, da die Faulen? Ganz so einfach dürfte es nicht sein - im Raum stand zum Beispiel auch die Betreuungsmöglichkeiten für Alleinerziehende, die die Journalistin Sabine Adler ansprach. Die hatte in der Sendung insgesamt einen recht geringen Redeanteil. So gering, dass Lanz sie kurzerhand einlud, nächste Woche wiederzukommen, was sie dankend annahm.
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