Kindheit auf Social Media: Tochter von "Momfluencerin" beklagt "seelischen Schaden"

Das Familienleben auf Social Media auszubreiten, ist mit großen Gefahren für die betroffenen Kinder verbungen. (Symbolbild) (Bild: iStock/Narongrit Sritana)
Das Familienleben auf Social Media auszubreiten, ist mit großen Gefahren für die betroffenen Kinder verbungen. (Symbolbild) (Bild: iStock/Narongrit Sritana)

Jeder Schritt wird dokumentiert, jedes Erlebnis vermarktet: Sogenannte Momfluencer halten das gesamte Leben ihrer Kinder für Social Media fest. Wie eine aktuelle Dokumentation zeigt, kann dies starke seelische Schäden hinterlassen - und von Pädokriminellen ausgenutzt werden.

Wenn die eigenen Kinder zum Geschäftsmodell werden: Sogenannte Momfluencer - ein Kofferwort aus Mom und Influencer - teilen intimste Einblicke ins Familienleben und präsentieren ihren Nachwuchs oft unverpixelt. Follower begleiten die gesamte Kindheit der Kleinen, und selbst Arztbesuche landen im Netz.

Inzwischen haben die ersten Kinder dieser Momfluencer das Erwachsenenalter erreicht und setzen sich zur Wehr, wie eine aktuelle US-Dokumentation sowie ein CNN-Bericht zeigen. In "Turning Childhood into Content" - zu Deutsch: "Kindheit in Inhalte verwandeln" - kommt eine Betroffene zu Wort, die angibt, von ihrer öffentlichen Kindheit traumatisiert zu sein.

"Online gepostet zu werden, hat definitiv seelischen Schaden angerichtet", berichtet Cam Barrett, die eigentlich anders heißt, in der Doku. "Ich habe starke Paranoia und denke die ganze Zeit, ich werde verfolgt", so die heute 25-Jährige, deren sie auch gegenüber CNN offenbart.

Cams erste Periode wurde auf Facebook monetarisiert, 10.000 Follower auf dem Account der Mutter wurden über ihre Monatsblutung informiert. "Jemand hat mir dann gratuliert, den ich gar nicht kannte, und sagte herzlichen Glückwunsch, du bist jetzt eine Frau", erzählt Cam: "Und das war mir sehr unangenehm, ich war erst neun Jahre alt."

Sie selbst benutzt auf Social Media nicht ihren echten Namen. Zu groß ist die Angst, jemand - möglicherweise sogar ein potenzieller Arbeitgeber - könnte ihren Namen googeln, verrät sie in der Doku. "Die würden dann alles sehen, was meine Mutter auf Social Media gepostet hat."

Die Betroffene hatte damals fast den Eindruck, dass die gemeinsame Zeit mit ihrer Mama für die nur dazu diente, Content für Social Media zu generieren und sich selbst als gute Mutter zu inszenieren. "Es fühlte sich irgendwie fake an", erinnert sich Cam. Mittlerweile kämpft sie selbst für Jugendliche, die Ähnliches durchmachen mussten. Unter dem Namen softscorpio teilt sie auf TikTok ihre Erfahrungen, inzwischen folgen ihr 230.000 Menschen.

Sie ist laut CNN Teil einer wachsenden Bewegung junger Menschen, die den Gesetzgeber dazu auffordern, Kinder zu schützen, deren Eltern ihre Bilder, Videos und ihr Privatleben im Netz monetarisieren. Dabei ist allerdings unklar, ob auch ihre Mutter mit den Inhalten Geld verdient hat - Cam war damals zu klein, um das zu begreifen.

Kinderschützer betonen, es sei wichtig für Eltern, die Autonomie ihrer Kinder zu respektieren. Sie sollten ihrem Nachwuchs selbst die Kontrolle über den eigenen digitalen Fußabdruck hinterlassen.

"Turning Childhood into Content" behandelt noch eine andere Problematik rund um die Zurschaustellung der eigenen Kinder: Pädokriminalität. Cyber-Security-Spezialist Sijmen Ruwhof verdeutlicht, wie selbst vermeintlich harmlosen Kinder-Fotos ihren Weg auf eine russische Website finden, die jeden Monat 25 Millionen Mal geklickt wird. Dort sind über 75 Millionen gestohlene Fotos von Social-Media-Plattformen zu finden, mehr als drei Viertel von Kindern. Nach Ansicht Ruwhofs sei die Seite speziell an Pädophile gerichtet.

Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz sowie die Polizei warnen vor der Veröffentlichung von Kinderfotos im Internet zum Schutz vor Pädokriminellen.