Alexandria Ocasio-Cortez, die Anti-Trump-Politikerin

Eine der großen Hoffnungsträgerinnen der Demokraten: Alexandria Ocasio-Cortez. (Bild: AP Photo/Stephen Groves)
Eine der großen Hoffnungsträgerinnen der Demokraten: Alexandria Ocasio-Cortez. (Bild: AP Photo/Stephen Groves)

Die Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez gehört zu den großen Gewinnerinnen der Midterm-Wahlen. Kaum eine andere Politikerin steht so sehr für einen direkten Gegenentwurf zu Donald Trumps Kurs und für eine wütende Antwort einer neuen Wählergeneration auf dessen Politik.

von Moritz Piehler

Es ist bemerkenswert, wie viele “Erstlinge” es unter den Gewinnern der Midterm Wahlen in den USA gibt. Die ersten muslimischen Kandidatinnen ziehen nun ins Repräsentantenhaus ein, zum ersten Mal werden auch zwei Frauen mit einem Native-American-Hintergrund im Kongress sitzen. In Colorado gewann mit Jared Polis zum ersten Mal ein offen homosexueller Kandidat einen Governeursposten. All diese Menschen sind Vertreter der Demokraten. Und ihre Wahlerfolge lassen sich eindeutig als Antwort auf die repressive und konservative Politik der Trump-Regierung lesen. Für kaum eine Kandidatin gilt das so sehr, wie für die New Yorkerin Alexandria Ocasio-Cortez, die jüngste Frau, die jemals den Einzug in den amerikanischen Kongress schaffte.

In New Yorks 14. District, zu dem auch die Bronx und Queens gehören, gewann Ocasio-Cortez mit einem deutlichen Vorsprung und sicherte sich 78% der Stimmen. Schon ihre Nominierung hatte vor Monaten hohe Wellen geschlagen. Im Juni gelang es der 29-jährigen, in den sogenannten Primaries, den amtierenden Demokraten Joe Crowley zu schlagen. Crowley war zu dem Zeitpunkt seit zehn Wahlperioden Vertreter des 14. Districts und galt vielen Experten als möglicher Nachfolger von Nancy Pelosi als Oppositionsführer. Es war die klare Botschaft, dass auch die Demokraten sich den Zeichen der Zeit beugen müssen und nicht in ihrem “Business as usual”-Modus verharren können. Ocasio-Cortez wurde danach als Vertreterin einer neuen Demokratengeneration und Hoffnungsträgerin ihrer Partei gefeiert.

Jugend forscht – auch an der Wahlurne

Denn es ist in jedem Fall außerordentlich bemerkenswert, dass bei diesen Midterms so viele sogenannte Millennials wählen gingen wie nie zuvor. Sie haben die Baby-Boomer, die in den 1960er Jahren geboren wurden, zum ersten Mal als stärkste Wählerfraktion abgelöst. Vor allem aber scheinen die als politisch uninteressiert betrachteten Jungwähler durch die Trump-Politik so aufgewühlt zu sein, dass es sie in Massen an die Urnen trieb. Ocasio-Cortez ist eine perfekte Symbolfigur dieses politischen Umschwungs.

Alexandria Ocasio-Cortez bezeichnet sich selbst als demokratische Sozialistin, ähnlich wie Bernie Sanders es bei seiner Kandidatur auch formuliert hatte. In der politischen Landschaft der USA ist das normalerweise ein riskantes Unterfangen, denn ein Sozialist ist seit McCarthys Zeiten kurz vor Kommunist und damit eigentlich schon ein Landesverräter. Es ist umso erstaunlicher, dass die junge Kandidatin sich gegen Crowley und jetzt auch gegen den republikanischen Kandidaten Anthony Pappas durchsetzen konnte. Noch vor einem Jahr hatte die aufstrebende Politikerin in einer Bar gearbeitet, um ihre Familie zu unterstützen. Jetzt wird sie im Repräsentantenhaus mit dafür sorgen, dass Trump seine Politik bei weitem nicht so ungehindert durchdrücken kann wie er das bisher gewohnt war. Sie hat sich auch in Sachen Amtsenthebung bereits klar positioniert: “Ich würde ein Impeachment Verfahren unterstützen, weil ich denke, dass wir ausreichende Gründe dafür haben.”

Ocasio-Cortez bei ihrer Stimmabgabe zu den Midterm Elections in New York. (Bild: AP Photo/Bebeto Matthews)
Ocasio-Cortez bei ihrer Stimmabgabe zu den Midterm Elections in New York. (Bild: AP Photo/Bebeto Matthews)

Eine Frau mit “ultra-liberalen” Positionen

Ocasio-Cortez, die selbst puerto-ricanische Wurzeln hat, repräsentiert einen Stadtteil New Yorks, der so viel Diversität aufzuweisen hat, wie kaum ein anderer. “Unser District besteht zu 70 Prozent aus People of Color und wir hatten noch nie einen Kandidaten, der das auch repräsentiert hat”, sagte Ocasio-Cortez in einem Interview vor der Wahl. Fast die Hälfte der dortigen Einwohner haben einen Migrationshintergrund. Ihre Kampagne, wie auch die von Bernie Sanders und anderen Demokraten, war komplett durch eine Graswurzelbewegung finanziert, verzichtete also auf Spendengelder von großen Unternehmen.

Das macht Ocasio-Cortez umso glaubwürdiger, denn die Themen, denen sie sich widmet, sind eindeutig auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet. Dazu gehört die Abschaffung der ICE (Immigration and Custums Enforcement Agency), das Anheben des Mindestlohnes auf 15 Dollar pro Stunde, das Ende von Studiengebühren an Universitäten, eine umfassende gesetzliche Krankenkasse nach dem Modell Obamas, das Ende von privat betriebenen Gefängnissen und der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum. Trotz dieser als “ultra-liberal” verschrieenen Wahlplattform, beschreibt sich Ocasio-Cortez selbst als “pragmatisch in der Art und Weise, wie wir diese Ziele erreichen.” Erfahrung dafür hat sie unter anderem gesammelt, als sie 2016 für Bernie Sanders Kampagne arbeitete und für das Immigrations-Office des verstorbenen Senators Ted Kennedy. Beide Politiker stehen für den links-liberalen Flügel der Demokraten, waren aber auch bekannt dafür, mit Politikern der andere Seite kooperieren zu können.

Ihr bewegtes Leben führt sie jetzt nach Washington

Das Interesse an Politik zeichnete sich bei Ocasio-Cortez schon früh ab. Nachdem sie bis zu ihrem fünften Lebensjahr in der Bronx aufwuchs, zog die Familie in den Vorort Yorktown Heights. Dort engagierte sie sich während der Schulzeit in politischen Organisation. 2011 machte sie am renommierten College of Art and Sciences an der Boston University ihren Abschluss in Ökonomie und Internationalen Beziehungen. Nach dem frühen Tod ihres Vaters 2008 befand sich ihre Familie in finanziellen Schwierigkeiten und drohte, ihr Haus zu verlieren.

Um ihre Mutter zu unterstützen, zog Ocasio-Cortez zurück in die Bronx und arbeitete in einer Taqueria und als Barkeeperin. Daneben blieb sie engagiert in der Community, baute einen Verlag auf, der Kinderbücher über die Bronx veröffentlicht und arbeitete als Lehrerin im National Hispanic Institute. Nach den Wahlen 2016, bei denen sie Sanders unterstützt hatte, bereiste sie das gesamte Land, um sich mit unterschiedlichen Menschen soziale Gerechtigkeit auszutauschen. Aus dieser Reise entstand die Idee, selbst für ein politisches Amt anzutreten. Nicht einmal Alexandria Ocasio-Cortez selbst dürfte allerdings daran geglaubt haben, dass die so schnell nach Washington führen würde.

Hat Ex-Präsident Barack Obama in Ocasio-Cortez seine legitime Nachfolgerin gefunden? (Bild: AP Photo/Jacquelyn Martin)
Hat Ex-Präsident Barack Obama in Ocasio-Cortez seine legitime Nachfolgerin gefunden? (Bild: AP Photo/Jacquelyn Martin)

Die Parallelen sind unverkennbar

Wenn man die Bilder von den Vorwahlen betrachtet, schlägt die junge Hoffnungsträgerin ungläubig die Hände vor ihrem Gesicht zusammen, als die Ergebnisse verkündet wurden. Vier Monate später, in einer Phase, in der die Rhetorik und die umgesetzte Politik der Trump-Administration immer extremere Ausmaße annehmen, zieht sie nun ins Repräsentantenhaus ein. Ihr Kampagnenvideo begann mit den Worten: “Es ist nicht vorgesehen, dass Frauen wie ich kandidieren…”. Ihr Erfolg zeigt, dass es vielleicht genau das war, was dem modernen Amerika gefehlt hat. In ihrer Rede am Wahlabend sagte Ocasio-Cortez: “Das hier ist nicht nur eine Kampagne oder ein Wahltag. Dies ist der Beginn einer Bewegung für ein Amerika mit sozialer, ökonomischer und ethnischer Gerechtigkeit!”

Es erinnerte ein wenig an die ersten mitreißenden Auftritte eines gewissen Nachwuchspolitikers, der ebenfalls aus dem Nichts kam. Sein Name? Barack Obama.

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