Kommentar: Auch China hat seinen Putin

Der Datenleck der "Xinjiang Police Files" zeigt: Die chinesischen Machthaber haben einen Gulag errichtet, sie unterdrücken brutal die eigenen Bürger*innen. Deutschland muss endlich seinen Kuschelkurs für Moneten ändern. So wie China agiert, ist dieser Staat ein Gegner.

Ein Junge in Xinjiang zieht mit seinem Esel über einen Berg (Bild: REUTERS/Stringer)
Ein Junge in Xinjiang zieht mit seinem Esel über einen Berg. (Bild: REUTERS/Stringer)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Im Westen Chinas wird es eine Menge Terroristen geben. Die mussten dann wohl mal weg. So dachte es sich offensichtlich die in China regierende Partei und schuf ein enges Netz von Umerziehungslagern, denn Terroristen sind böse, die will ja keiner.

Nur zeigen die in diesen Stunden geleakten "Xinjiang Police Files", dass es mit der Definition eines Terroristen ein wenig schwammig ist: Eine Stunde lang mit der Mama eine Audiodatei über religiöse Regeln anhören? Ab ins Lager für 20 Jahre! Zwei Wochen lang im Fitnessstudio trainiert? Ein bisschen weniger, aber zwölf Jahre weg!

Arnold Schwarzenegger würde das nicht gefallen

In China regiert eine Diktatur. Die Kommunistische Partei denkt, es am besten für alle anderen zu wissen. Demokratie ist nicht ihr Ding. Viel lieber sperrt sie in einen Tigerkäfig, wo man kaum sitzen oder liegen kann. Schon ein noch mit der Schreibmaschine getippter Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) beschrieb 1987 diese Foltermethode in China, abrufbar über Google. Apropos: Gestern veröffentlichte AI ihren Bericht über Todesstrafen und Hinrichtungen. China ist da der Staat mit den hohen Dunkelziffern, denn aus den eigenen Strafen macht der Staat ein Staatsgeheimnis. Praktisch, nicht wahr?

Nun legen 10 Gigabyte an Datenmenge offen, wie China im eigenen Westen seit 2016 gewütet hat, und zwar in einer Region, die viereinhalb Mal so groß ist wie Deutschland, mit 26 Millionen Einwohnern. Gehackte Polizeidaten sind von mehreren Medien penibel ausgewertet worden. Mit den turkstämmigen Uiguren gibt es nämlich historischen Stress. Widerstandsregungen, teilweise islamischen Extremismus, schlägt das Regime nieder, denn für Peking ist es wichtig, dass "soziale Stabilität und Harmonie" herrschen, wie der "Spiegel" die chinesische Botschaft in Washington D.C. zitiert. Natürlich liegt der Fokus auf "herrschen". Und einen Tigerkäfig stelle ich mir nicht sehr harmonisch vor.

Die Angst eines Unterdrückers

Um festzustellen: Von den Uiguren geht keine Gefahr für das Regime in Peking aus. Nur wird auf Spur gesetzt, wer nicht pariert wie ein Schoßhündchen. Weil Uiguren Lächerliches wie Sprache, Kultur, Religion und Identität im Alltag haben wollten, jedenfalls ein klitzekleines bisschen, hat ihnen Staatspräsident Xi Jinping einen 2014 "Volkskrieg" angekündigt, eine "Periode schmerzhafter Behandlung". Die Folge: Hunderttausende wurden weggesperrt, wahrscheinlich über eine Million Menschen.

Das Problem mit Chinas Vorgehen ist nicht nur, dass es gegen Menschenrechte im eigenen Land verstößt. Auf der ganzen Welt geht das Regime nach einer einzigen Regel vor. Mir das meiste und Fuck the Rest. Größtmöglicher Egoismus diktiert die Außenpolitik. So fischen chinesische Fangflotten vor afrikanischen Küsten ganze Gewässer leer, illegal natürlich. Mit Krediten für unnötige Infrastrukturarbeiten bringen sie afrikanische Politiker in Abhängigkeit. Und Handel wird ebenfalls überall nach dem Prinzip betrieben, sich woanders bestens auszubreiten und dem Partner ähnliches so wenig wie möglich zuzugestehen. Pekings Politiker singen jeden Tag aufs Neue den Klassiker "I did it my Way" von Frank Sinatra. Nur geht das zum Schaden Anderer, weltweit.

Nicht nachahmenswert

Das muss Konsequenzen haben. Es geht nicht um eine Feindseligkeit gegenüber China und erst recht nicht gegenüber Chines*innen und ihrer großartigen, irrelangen Kultur und Geschichte. Aber demokratische Länder wie Deutschland sollten klarmachen, was sie gut finden und was nicht. Zu sehr hat Berlin, auch das ist eine Hinterlassenschaft von Kanzlerin Angela Merkel, auf einen Kuschelkurs gesetzt. Natürlich ist China längst wichtigster Absatzmarkt für deutsche Produkte. Und längst ist China zu einer Macht herangewachsen, dass eine Totalabkehr kaum möglich wäre und ohne hin zu einem Crashkurs zu werden drohte.

Aber Grenzziehungen müssen her. Die freien Länder haben tatenlos zugeschaut, wie China in Hongkong die Freiheit verspeiste. Gegenüber Taiwan würde Peking am liebsten so verfahren wie Russland gerade in der Ukraine; nicht umsonst wird Russlands Machthaber Wladimir Putin noch immer von der chinesischen KP in Ruhe gelassen. Da muss eine massive Abschreckung her, die Ankündigung einer umfangsreichen Solidarität. Die brutalen Tigerkäfigbauer verstehen in erster Linie die Sprache von Stärke. Diese Schallplatte muss nun aufgelegt werden.

Wenn China seine eigenen Realitäten schaffen will, sein eigenes Internet, seine eigenen (Fake-)News, so ist dies alleinige Angelegenheit der Chinesen. Aber dann wird es eben eine Trennung geben. Warum also nicht auch mehr auf wirtschaftlicher und außenpolitischer Ebene?

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