Kommentar: Baerbocks Flugpleite – ein Sinnbild für die Lage in Deutschland?

Ein Regierungsflieger scheitert nachhaltig daran, eine Ministerin ins Ziel zu bringen. Symbolischer kann das Desaster nicht sein? Mag sein. Aber mehr auch nicht. Wie es dem Land nun geht, entscheidet sich jedenfalls woanders.

So hat sich Annalena Baerbock ihre Reise bestimmt nicht vorgestellt... (Bild: Sina Schuldt/picture alliance via Getty Images)
So hat sich Außenministerin Annalena Baerbock ihre Reise bestimmt nicht vorgestellt... (Bild: Sina Schuldt/picture alliance via Getty Images)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Dass wir den Höhepunkt des Sommerlochs erreicht haben, signalisierte mir ein Tweet. Wie eine Eilmeldung erreichten mich die Zeilen. Ihr Inhalt: Außenministerin Annalena Baerbock kommt nicht von A nach B. Unterwegs war sie mit einem Pannenflieger, ziviler Name "Airbus 340-300", irgendwo in der Wüste, und sie wollte irgendwohin zu einer anderen Wüste.

Getwittert hatte ein Kollege aus der Maschine. Und weil die nicht aus dem Saft kam und selbst einen zweiten Flugversuch wie eine lahm gewordene Ente abbrechen musste, twitterte es weiter und weiter. Klar, hätte ich im Flugzeug gesessen, hätte ich das Gleiche getan. Interessant wird es indes, wie dieser Umstand in Deutschland aufgenommen wird. Dort wird nun hergeleitet, als gehe bei uns garnix mehr. Aus. Kaputt. Deutschland ade.

Diese Schlussfolgerung ist etwas kühn. Wen interessiert es, wie oft unsere Politiker wo steckenbleiben? Okay, nervig wird es für die Betroffenen sein – all die über den Haufen geworfenen Terminpläne. Aber der Anblick eines Regierungsmitglieds, das mit seinem Tross in eine Linienmaschine steigt, ist halbwegs zu ertragen. Mir stellt sich nicht einmal die Frage, ob Baerbock Business oder Economy saß. Wen interessiert's? Wirklich?

Über Schein und Sein

Unser Ansehen im Ausland, maulen nun die einen. Wie sieht das denn aus, bemerken spitz die anderen. Und überhaupt, einem französischen Präsidenten oder dem britischen Premier würde sowas bestimmt nicht passieren. Da mag zwar das Gesundheitssystem der Insel aus den Latschen kippen oder die Nation zwischen Caen und Marseille wegen Streiks stillstehen – aber die Maschine fliegt und die Frisur sitzt. Und in Amerika, da kommen die amtlichen Lufttransportmittel groß raus, sind Protagonisten von Actionfilmen wie "Airforce One". Über Donald Trump wird gemunkelt, er wolle mitunter auch deshalb wieder Präsident werden, weil er damit gern zum Golfen nach Miami flog.

All die Bilder der grimmig und entschlossen lächelnden Ministerin, wie sie eine Rolltreppe unverrichteter Dinge herabsteigt, bleiben am Ende des Tages nur Bilder. Solche Sinnbilder mögen ein Sommerloch füllen. Aber mehr nicht.

Musste ihren Flug abbrechen: Annalena Baerbock. (Bild: Sina Schuldt/picture alliance via Getty Images)
Musste ihren Flug abbrechen: Annalena Baerbock. (Bild: Sina Schuldt/picture alliance via Getty Images)

Vielleicht helfen sie auch, mit einem Klischee aufzuräumen. Wir Deutschen sind ja schnell von der Rolle, wenn ein Detail unserer alltäglichen Ordnung aus den Fugen gerät. Die Südländer – ja, die müssen halt improvisieren, während bei uns alles klappt; außer nahezu jede Bahnfahrt. Die Osteuropäer – ja, denen mangelt es halt an Allem, während wir im Überschwang selbst in Germany maden; außer den zahllosen maroden Brücken, die ausfallen und ausfallen werden.

Wir und die Anderen

Wir schauen gern herab. Das passte noch nie. Aber nun fällt uns verstärkt vor die Füße, woran wir in den vergangenen Jahrzehnten gespart haben: Die Infrastruktur ist nicht gerade zukunftsfest. Diese Zeche zahlen wir für den Privatisierungskram der Neunziger, der uns vorgaukelte, eine Unternehmung könne nur in Aktionärs- und Managerhänden gedeihen. Lügen haben eben kurze Beine, auch wenn sie ein, zwei Jahrzehnte überdauern, selbst neoliberale.

Aber deshalb den Untergang des Abendlandes auszurufen, wäre etwas starker Tobak. Klar, unter einem AfD-Kanzler wäre sowas nicht passiert, der wäre nur mit einem Geschwader Tornados unterwegs. Was, die schwächeln auch? Na, dann halt mit einem Schützenpanzer Marder, die Dinger sind zäh. Auch wenn es bei dem Tempo allenfalls nur bis nach Bielefeld reicht. Bilder sind wirkmächtig. Wir orientieren uns zunehmend an ihnen. Dadurch wird die politische Stimmung schwankender; besonders jene, die nach unten weist, wird öfters angesteuert. Aber nur, weil wir manchen inneren Kompass verloren haben, ticken unsere Uhren nicht anders. Auch früher funktionierte einiges nicht, nur haben wir es verdrängt. Der Rest ist neoliberales Erbe. Irgendwie süß, dieses Sommerloch.