Kommentar: Bayern und BaWü – ihr Egoismus nervt den Rest Deutschlands

Haben alle Bundesländer zur selben Zeit Sommerferien, werden die Autobahnen gen Süden so aussehen (Bild: REUTERS SCHWEIZ/Fiorenzo Maffi)
Haben alle Bundesländer zur selben Zeit Sommerferien, werden die Autobahnen gen Süden so aussehen (Bild: REUTERS SCHWEIZ/Fiorenzo Maffi)

Die Südländer machen im Zweifel dicht: Bei der Debatte über die Schulsommerferien argumentieren sie wie Putin und Trump.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Auf die Schüler in Baden-Württemberg und Bayern kommen schlimme Zeiten zu. Dann ist Schluss mit Lümmeln im Pool auf Mallorca, dann ist harte Erntearbeit auf dem Feld angesagt. Warum? Weil Politik eben gut begründet sein will, in diesen Zeiten.

Baden-Württemberg und Bayern sind zwei Bundesländer, bei denen manches anders läuft. Zum Beispiel bei den Sommerferien: Während alle anderen Länder sich beim jeweiligen Ferienbeginn in ein rotierendes System einfügen, bleiben die Südländer stets beim gleichen Termin gegen Ende Juli/Anfang August.

Die Begründung, die im Anno Dazumal dafür gefunden wurde, hieß: Dann haben die Kinder zur Erntezeit Ferien und können den Eltern ordentlich auf dem Feld helfen.

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Diese Regelung mit der Extrawurst gilt bis heute. Und die Landesregierungen der beiden Länder wollen, dass sich nichts ändert. Folglich: Auf, Kinder, holt Euch schon mal gute Arbeitshandschuhe, denn Stroh kann stechen.

Es sträuben sich die Haare, wie die Südländer an diesen Privilegien festhalten. Würden die anderen Bundesländer nicht solidarisch bei den Ferienterminen rotieren, hätte dies Folgen: Die Staus auf den Autobahnen, besonders im Süden, wären noch länger. Viel länger. Und die Hoteliers und Gastronomen hätten einen noch größeren Ansturm an Gästen zu bewältigen, der dann auch noch schneller endete und damit weniger Einnahmen brächte. Warum also sollten Baden-Württemberg und Bayern dabei nicht mitmachen? Gibt es vielleicht Argumente, auf die man im Norden hören könnte?

Jetzt wird es kuschelig

Versuchen wir es einmal:

“Wir haben unseren Biorhythmus mit den Ferien – den wollen wir gern behalten”, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zu diesem Thema. Nun ist bekannt, dass Söder unlängst seine grüne Seele entdeckt hat. Richtig sensitiv ist er geworden. Und horcht er in das innere Gleichgewicht des Bajuwaren an und für sich – dann entdeckt er den Biorhythmus. Habe ich mir das so vorzustellen, dass ein Südländer irgendwo im Zwerchfell einen Wecker implantiert hat, der gegen Ende Juli bimmelt? Dass dieses Argument irgendwie gehaucht klingt und nicht richtig überzeugt, versteht Söder womöglich auch, daher schickt er ein Basta hinterher: “Wir haben das schon immer so gemacht – das hat sich gut bewährt.”

Hm. Spricht er damit für alle Deutschen? Immerhin ist die CSU ja eine Partei mit überregionalem Anspruch und will in Berlin mitreden. Aus den anderen Bundesländern, also AUSSERHALB Baden-Württembergs und Bayerns, sieht man das jedenfalls anders. Dort gibt es Unmut über die Ausnahme der Wenigen. Denn ein Beitritt zum Solidarsystem würde die Bewohner der anderen Länder entlasten: Die Unterschiede zwischen den Ferienterminen von Jahr zu Jahr wären weniger groß. Denn diese erschweren jede Ferienplanung und sorgen zuweilen für extrem verkürzte Schulhalbjahre, in denen die Kinder mehr pauken müssen, um den Stoff reinzukriegen – dieses System entscheidet also krass konkret über Schulkarrieren, wenn solch ein Halbjahreszeugnis zum Beispiel die weiterführende Schule festlegt.

Markus Söder und Winfried Kretschmann wollen ihren zukünftigen Wählern eine Umstellung bei den Ferienterminen ersparen (Bild: REUTERS/Andreas Gebert)
Markus Söder und Winfried Kretschmann wollen ihren zukünftigen Wählern eine Umstellung bei den Ferienterminen ersparen (Bild: REUTERS/Andreas Gebert)

Okay, Söders Argument Nr. 2 zieht auch nicht, aber aller guten Dinge sind drei: “Wir bleiben bei unseren Ferienterminen. Das hat sich so bewährt und das ist in der bayerischen Kultur fest verankert.” Aha. Nun versucht Söder es mit einem Ausflug ins Mystische. Die bayerische Kultur besteht demnach nicht nur aus Kruzifixen, der Sprache, aus dem Schützenwesen und traditionellen Feiern wie dem Maibaum, dem Christkindlesmarkt oder dem Oktoberfestbier, aus typischer Kost wie Allgäuer Käse, Brezn und Steckerlfisch – sondern auch aus einem fixen Schulsommerferientermin? Heißt dies im Umkehrschluss, dass die Einwohner aller anderen Bundesländer kulturlose Gesellen sind, weil ihnen dies fehlt?

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Irgendwann lässt Söder die Katze aus dem Sack und sagt: “Sonst müssten wir vielleicht unsere Pfingstferien verändern und die sind den Bayern sehr wichtig.” Tja, die dauern in den Südländern nämlich recht lang, während anderswo zu Pfingsten nur ein paar Tage frei sind und ansonsten das Bruttoinlandsprodukt gesteigert wird. Aber: In Baden-Württemberg und Bayern leben eben echte Spezis. Denn: “Und obwohl wir mit die meisten Feiertage haben, erbringen unsere Schüler mit die besten Ergebnisse”, bilanziert Söder. Es muss am Obazda liegen. Ich vermutete schon immer in ihm dopende Wirkung.

Ich, Ich, Ich

Söders Amtskollege in Baden-Württemberg macht sich übrigens bei diesem Thema recht klein, obwohl er ins gleiche Horn stößt. Winfried Kretschmann ist ein Grüner, aber das hindert ihn nicht am Egoistengang. Er schickt seine Fachministerin Susanne Eisenmann von der CDU vor: Der späte Termin habe sich bewährt, sagt sie. Er ermögliche auch zusätzliche Pfingstferien, die bei vielen Eltern und Lehrern beliebt seien. In Baden-Württemberg seien die Ferien gleichmäßig über das Jahr verteilt. Das sei für den Unterricht von Vorteil. Darauf zu verzichten, komme nicht in Frage.

Lassen sich diese Argumente treffender zusammenfassen als eine Ansammlung von Egoismen?

Interessant auch, was alles nicht gesagt wird. Denn diese Debatte ist den beiden Südländern unangenehm. Man ist sich schließlich seiner Privilegien bewusst, man ist ja nicht auf den Kopf gefallen, siehe Obazda. Und in der Landwirtschaft hat auch eine gewisse Mechanisierung stattgefunden (die gerade von der Digitalisierung abgelöst wird). Die Argumente für ein Belassen des Status quo – es gibt sie nicht.

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Und dennoch wird womöglich alles bleiben, wie es ist. Denn im Süden zeigt man sich nicht wirklich gesprächsbereit. Kretschmann und Söder geben vor, dass sie die Interessen ihrer Bürger vertreten. Das tun sie auch. Deutschland ist indes eben doch mehr als eine Ansammlung von Bundesländern, auch wenn diese Erkenntnis dem Ego von Typen wie Kretschmann und Söder schmerzt.

Letztlich ist solch eine Politik ärgerlich. Es ist ein Vorgehen, wie es Wladimir Putin und Donald Trump nicht anders zelebrieren: aus der Stärke heraus agieren, sich um Vernunft und Argumente nicht scheren und vor allem ein einziges Ich, Ich, Ich.

Was war nochmal besonders an Baden-Württemberg und Bayern?.