Kommentar: Besuch von König Charles III. – ist Monarchie überhaupt noch angesagt?

Der britische Throninhaber besucht Deutschland – und viele sind aus dem Häuschen. Andere kritisieren: Monarchie steht mehr für die hässlichere Seite der Geschichte. Stimmt. Aber gleich abschaffen ist auch keine Lösung.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel begrüßt das britische Königspaar in Berlin (Bild: Matthias Schrader/Pool via REUTERS)
Auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel begrüßt das britische Königspaar in Berlin (Bild: Matthias Schrader/Pool via REUTERS)

Während sich heute in Berlin auf der Straße Unter den Linden eine lange Schlange bildet, um einen Blick auf das britische Königspaar zu erhaschen, wenden sich manche Politiker ab: Ball paradox zum aktuellen Besuch von König Charles III. und seiner Frau Camilla. Die einen himmeln den Monarchen mit seinem „Oh dear“ an und wünschen sich Ähnliches in Deutschland. Die anderen sehen in einer Krone den Inbegriff von Antidemokratischem, Ausbeutung und Kolonialismus. Und speziell in der britischen Königsfamilie teure Schmarotzer, die ihren Prunk auf Staatskosten ausleben.

Doch was ist nun richtig?

Charles III.: Sollte ein König im Bundestag sprechen?

Eigentlich gibt es auf diese Frage keine Antwort in schwarz oder weiß, mehr ein: Es kommt drauf an.

Wenn sich deutsche Linken-Politiker darüber echauffieren, dass Charles III. heute im Bundestag spricht, dann geben sie sich eine Überdosis Symbolik. „Einen König im Bundestag sprechen zu lassen, halte ich für absurd. Erinnern wir uns: Monarchien sind im Grunde Diktaturen mit mehr historischem Lametta“, sagte etwa die Vizevorsitzende Ates Gürpinar. Sie übersieht: Charles III. regiert nicht in Großbritannien, er ist im Grunde nur repräsentatives Staatsoberhaupt. Und, Hand aufs Herz: Ein bisschen Lametta kann auch nicht schaden, oder?

Ferner halte ich es für ein ambitioniertes Unterfangen, Briten eine Lektion in Sachen Demokratie zu geben. Immerhin ist die Magna Charta als wichtige Quelle des Verfassungsrechts aus dem Jahr 1215. Und die Briten hatten eine parlamentarische Kontrolle, vom Volk gewählt, da spitzten wir in Deutschland noch unsere Pickelhauben.

Überhaupt ist es eine Frage der gewachsenen Tradition. Ein Staat hat nun mal ein Staatsoberhaupt. In einer parlamentarischen Demokratie hat es kaum weit reichende Vollmachten. Da verursacht es keine Kopfschmerzen, wenn diese repräsentativen Gesten einer Monarchie überlassen werden. Entscheidend ist dabei der Blick auf die Geschichte: Wie stark mussten sich freiheitliche und demokratische Kräfte gegen sie durchsetzen? In nicht wenigen Ländern wie den Niederlanden, Belgien, Dänemark oder eben Großbritannien fügten sich die Königsfamilien in den Parlamentarismus ein. Sie reformierten sich und ordneten sich unter.

Was sagt denn die Geschichte?

In anderen Ländern geriet es blutiger: In Italien, Frankreich oder Deutschland musste man die Monarchie beseitigen, damit sie bei der Freiheit nicht weiter stört; völlig undenkbar, in Paris eine Krone herumwandern zu sehen. Und auch die deutsche Kaiserfamilie dankte ab, nachdem sie sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte: Da war die Mitschuld am Ersten Weltkrieg, die Unterdrückung demokratischer Parteien und später, unter den Nazis, deren Unterstützung; wohl in der opportunistischen Hoffnung, wieder mehr Glanz und Brocken vom Teller abzukriegen. Dumm gelaufen. Daher ist heute kein Platz für einen Kaiser an der Spree oder sonst wo.

Im Video: Charles III. hält berührende Rede im Bundestag - auch auf Deutsch

Aber die Kosten, werden manche jetzt einwenden. Klar, ein König verlangt gemeinhin mehr an Ausstattung und Prunk als ein Bundespräsident, der in seinem „Schloss“ Bellevue doch recht bescheiden residiert. Im Jahr 2021 kostete die britische Königsfamilie dem Steuerzahler rund 100 Millionen Euro – das ist eine Menge. Daher wird auf der Insel auch intensiv über Reformen diskutiert, über Beschneidungen. Aber den Briten würde eine Abschaffung nicht in den Sinn kommen. Zu sehr sind die Windsors eine Art Kitt der Gesellschaft, ein einendes Element. Sie gehören halt dazu. Auch gibt es eine Gegenrechnung: Da die Familie ein Verkaufsschlager ist, hat eine Gutachterfirma im Jahr 2017 geschätzt, dass sie der britischen Wirtschaft insgesamt zwei Milliarden Euro einbringe. Und es ginge sicherlich auch bescheidener: Das spanische Königshaus etwa hat einen jährlichen Etat von neun Millionen Euro.

Ohne König ist nicht gleich alles besser

Auch schaffte es die Menschheit in der Vergangenheit, sich ohne monarchisches Zutun einige Schattenseiten anzueignen: Der Kolonialismus der europäischen „Ordnungsmächte“ in der Frühen Neuzeit funktionierte ohne Könige. Die USA benötigten keine Monarchie, um die Welt mit ihrem Imperialismus zu beglücken. Und in Nazideutschland reichte ein „Führer“ komplett aus, um Völkermord zu begehen.

Monarchie ist in erster Linie Symbolik. Es gilt, sie positiv aufzuladen. Die Kritik an dieser Hülle an sich ist wohlfeil, denn sie ist noch symbolischer. Oh dear!