Kommentar: Breaking News – Putin will Friedensgespräche! Äh, oder doch nicht?

Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Fernsehsendung in Moskau (Bild: Sputnik/Mikhail Metzel)
Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Fernsehsendung in Moskau (Bild: Sputnik/Mikhail Metzel)

Russlands Präsident spielt auch gegenüber dem Westen sein falsches Spiel. Darauf mag reinfallen, wer will. Aber das macht Zweifler nicht gleich zu Kriegsfanatikern. Die sitzen nämlich woanders.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Im russischen Fernsehen gab es, mal wieder, den Präsidenten zu sehen. Wenn der seine Politik mitteilt oder rechtfertigt, greift er entweder zu bunter Symbolik oder einem endlosen Wortschwall. Wie Diktatoren es eben machen. Zum einen zeigt sich Wladimir Putin als reitender Cowboy oder schießender General. Und zum anderen öffnet er den Mund, dann kriegt er ihn so schnell nicht mehr zu. Vier Stunden lang redete Putin gestern im Fernsehen, legte sehr breit seine Ansichten dar. Natürlich sehr interessant, was er sagt. Denn unter den Lügen, die eine Zwiebel gleich abgehäutet werden können, verbergen sich manche Botschaften – vor allem an uns als Bürger der westlichen Nachbarstaaten Russlands.

Zum Beispiel sagte Putin: „Russland ist kein Feind.“ Das hat er jahrzehntelang erzählt, immer seine Bereitschaft gegenüber dem „Westen“ zu dit & dat versichert, ohne konkret zu werden. Und Russland ist auch kein Feind, bloß kein Partner mehr. Russland ist Feind eines unschuldigen Landes geworden, das unseren Beistand braucht. Angreifen, das macht man nicht. Jedenfalls nicht einfach so, wie Putin. Aber ich vergaß: Er ist ja ein Lügenverbrecher. Man kann es nicht oft genug wiederholen, damit es auch die letzten Sozialdemokraten verstanden haben. Freundschaftlich ist es dabei gewiss nicht, wenn die russische Regierung Spione und Agenten losschickt, um Industriesabotage und Attentate auszuführen. Nett ist es auch kaum, von sich aus Öl und Gas abzustellen und zu behaupten, der „Westen“ sei daran schuld. Und die Cyberattacken, die seit vielen Jahren gegen deutsche Unternehmen und Staatsorgane gefahren werden, sind keine harmlose Rangelei unter Kumpels. Sowas machen nur die Fiesen. Russland ist kein Feind. Aber unter Putin verdirbt eine ganze Gesellschaft.

Ferner sagte Putin, Russland müsse „sein Existenzrecht verteidigen“. Nun, Angreifer rechtfertigen in der Regel ihre Attacken damit, sie selbst seien angegriffen worden; Putin erfindet das Rad nicht neu. Und auch in diesem Fall ist nirgendwo erkennbar, inwiefern Russlands Existenzrecht gefährdet wäre – jedenfalls nicht von der Ukraine, der EU oder der Nato. Allenfalls China könnte dem russischen Staatsterritorium gefährlich werden, expansiv und unfreiheitlich, wie man ist. Alles andere sind Märchen.

Immer die gleichen Phrasen

Den größten Witz aber lieferte Putin, als er sagte, er sei bereit zum Dialog mit der Ukraine, um den Konflikt zu beenden – aber die Ukraine wolle das nicht; die USA müssten die Ukraine zu Friedensgesprächen drängen. Aha. Die Ukraine, angegriffen, belagert und zerstört von Russland, ist also kriegslüstern? Die habe kein Interesse an einem Ende dieses russischen Terrors? Fakt ist: Russland ist nicht bereit, über einen Quadratzentimeter eroberten ukrainischen Bodens zu verhandeln. Wer andere Informationen darüber verfügt, möge sich bitte melden. All die anderen Prechts, Welzers, Wagenknechts, Augsteins und Stegners, die vor Beginn des Kriegs sämtlich falsch lagen und dies nicht zugeben, sollten sich Putins Fernsehgerede genau anhören: Er labert. Die Forderung nach mehr Diplomatie oder endlichen Verhandlungen sind Schall und Rauch, weil es kaum jemanden auf diesem Planeten gibt, der sich keine Friedensgespräche wünscht.

Und worüber sollte man reden? Wenn SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gegenüber dem Auswärtigen Amt moniert, es werde zu wenig in Diplomatie investiert, dann weiß er genau: Es wird hinter den Kulissen versucht, was geht, und das ist nicht wenig. Und er ahnt, dass er nur so redet, um seinen Frust über die eigenen gescheiterten Russlandvorstellungen und die daraus gefolgte eigene Politik wenigstens für einen Moment zu verbergen.

Über die amerikanische Bande

Dass Putin selbst die USA erwähnt, sollte aufhorchen lassen. Gerade haben ein paar US-Demokraten einen bereits lancierten öffentlichen Brief zurückgezogen, in dem sie auch zu mehr Verhandlungen aufriefen. Zeitgleich heißt es aus dem russischen Staatsfernsehen, man wolle mehr mit US-Fernsehen zusammenarbeiten, natürlich mit den rechten Sendern. Da sollen also Amerikaner vom Übeltäter dazu gebracht werden, dass sie ihrem Chef sagen, er möge in Gespräche mit dem Übeltäter einsteigen – klar, kein Problem, aber worüber? Auf dem Rücken der Ukraine?

Nein, nein, rufen dann die meisten Verhandlungssänger im Chor. Aber worüber dann? Darauf finden die Träger der selbst gestrickten reinen Westen keine Antwort. Wie auch.

Diese ewigen Wasserstandsmeldungen, wer im Kremlimperium wie gerade zu welchen Gesprächen bereit ist, sind zu schön, um wahr zu sein. Natürlich ist dies als Ziel nie aus dem Blick zu geraten. Aber unrealistisch sollte man deswegen nicht gleich werden.

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