Kommentar: Die CDU zieht jetzt nach Paderborn

Paukenschlag bei den Christdemokraten: Chef Friedrich Merz feuert seinen General. Mit dem auserkorenen Ersatz wird die Partei westdeutscher, ländlicher und arbeitgeberfreundlicher. Piefiger. Kein erfolgsversprechendes Rezept.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Da waren sie noch glücklich vereint: Der frisch gewählte CDU-Generalsekretär Mario Czaja (links) und Friedrich Merz im Januar 2022 (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)
Da waren sie noch glücklich vereint: Der frisch gewählte CDU-Generalsekretär Mario Czaja (links) und Friedrich Merz im Januar 2022 (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)

Vielleicht ließ sich dieser Schnitt nicht vermeiden. Was nun in der generell nach innerer Harmonie strebenden Partei nach außen dringt, malt das Bild einer Jobverfehlung: Mario Czaja, erst seit eineinhalb Jahren im Amt des Generalsekretärs, wirkte vielen nicht Unwichtigen zu blass, zu wenig präsent. Abteilung Attacke, was ein Bestandteil seiner Aufgaben ist, fand eher weniger statt. Und das, wo die CDU in der Opposition steckt und mit ihrem Vorsitzenden Merz einen Boss hat, der gern mal austeilt.

Austausch der CDU-Generale

Czaja war anders. Gepasst hat es wohl nicht. Aber das muss nicht nur an ihm gelegen haben.

Denn Merz richtet die Partei immer mehr nach seinem Vorbild aus. Damit versucht er seine erodierende Machtbasis zu festigen. Czaja hätte ein Bild abrunden können, der CDU geben können, was sie kaum hat: ein ostdeutsches, urbanes und arbeitnehmerfreundliches Gesicht. Czaja ist das Kunststück gelungen, bei der letzten Bundestagswahl, bei der die CDU reihenweise Wahlkreise verlor, seinen eigenen in Marzahn zu gewinnen. Und nun wird er als erster aus dem Team Merz aussortiert.

Pader was? Carsten wer?

Wer kommt stattdessen? Carsten Linnemann stammt aus einem Ort, der weniger bekannt ist als Marzahn. Paderborn ist eine 150.000-Stadt und damit ein wenig größer als Marzahn – nur fragt man auf der Straße, wo Paderborn eigentlich liegt, wird man Stirnrunzeln sehen. Paderborn klingt nach tiefster Provinz, nach westdeutschem Nirwana und hat einen noch stärker einschläfernden Ruf als Bielefeld. Das ist die Stadt, über die sich hartnäckig der Scherz hält, dass es sie gar nicht gebe.

Außerdem liegt Paderborn nur 77 Kilometer von Arnsberg entfernt, der Merzschen Heimat. Ferner tickt Linnemann politisch exakt wie sein neuer Chef. Als Wirtschaftsexperte hat er sich profiliert, bekannt für seine Breitseiten gegen staatliche Regulierung und Arbeitnehmerforderungen. Wie Merz wettert er gern gegen Menschen mit Einwanderungsgeschichte und mutet ihnen mehr zu als seinen Mitbürgern im beschaulichen Paderborn – getreu dem Motto: Was man nicht kennt, das isst man nicht.

Das also soll die CDU der Zukunft sein.

Die Sicht wird enger

Vielleicht wird Linnemann ein starker Generalsekretär, vielleicht kann er bestens organisieren, nach innen einen und nach außen die Kanten der Partei herausarbeiten. Doch erst einmal, Stand heute, hat Merz mit diesem Personalmanöver einen Kardinalfehler begangen. Denn die CDU war immer gut, wenn sie als Volkspartei auftrat, wenn sie verschiedene Gesellschaftskreise und Haltungen in sich vereinte. Solchen Lösungspragmatismus strahlt aber das Duo Merz & Linnemann nicht aus. Es verengt die Sicht auf die CDU. Allein auf ostdeutsche Wähler muss es wie ein NRW-Klüngelhaufen wirken. Eine integrative Kraft ist kaum erkennbar. Aber die wird immer mehr benötigt, um die diversere Gesellschaft anzusprechen. Paderborn dafür als Home Base ist nicht die beste Adresse.

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