Kommentar: Die schönsten Meldungen von 2022, die untergegangen sind

31. Dezember 2021, bei Tokyo: Ein Mann steht vor 6500 brennenden Kerzen (Bild: REUTERS/Kim Kyung-Hoon)
31. Dezember 2021, bei Tokyo: Ein Mann steht vor 6500 brennenden Kerzen (Bild: REUTERS/Kim Kyung-Hoon)

Sind Bad News immer Good News? Okay, dieses Jahr 2022 hatte eine Menge schlechter Nachrichten im Köcher – und es ist normal, ihnen viel Aufmerksamkeit zu geben. Doch dann fällt etwas in der Wahrnehmung runter. Hier sammeln wir es auf.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Zur Weihnachtszeit gibt es ja ein besonderes Bedürfnis nach Gutem. Nur muss man danach in den Medien suchen. Klar, Journalisten als Chronisten stehen in der Pflicht, das zu vermelden, was nicht gut läuft – damit es in der Zukunft besser wird. Als ich dann aber in einem großen Onlinemedium über die Kategorie „Nur Gutes“ stolperte, ich wollte mich sozusagen positiv auftanken, behandelte die erste Meldung eine tolle Handcreme und die zweite ein Rezept für Weihnachtsplätzchen. Da geht noch mehr, dachte ich.

Und tatsächlich, es sind in den vergangenen Jahren immer mehr Zusammenstellungen entstanden, die „nur“ gute Nachrichten enthalten. Das ist gut so, denn mit der fortschreitenden Digitalisierung prasseln immer mehr Informationen auf uns herab; und Forscher haben längst herausgefunden, dass der allergrößte Teil an Informationen und Reizen von unserem Gehirn im vornherein ausgefiltert und gar nicht erst bearbeitet wird – es ist zu viel. Hier also eine kleine Auswahl dessen, das gut war. In diesem Jahr 2022. Und das in der Wahrnehmung eher unterging – trotz seiner Bedeutung.

Wissenschaft schritt voran

Die Redaktion von „Good News“ zum Beispiel hat vermerkt, dass es Forschern an der kanadischen Uni von Toronto gelungen ist, die Blutgruppen von Spenderlungen in eine universale Blutgruppe umzuwandeln – Transplantationen werden zunehmen, mehr Menschen werden gerettet werden. Und die Alzheimer Erkrankung ist nichts, was man sich wünscht. Eine Heilung gibt es bisher nicht. Aber Forscher der Uni Bochum haben einen Marker entwickelt, der Alzheimer wenigstens schon im Frühstadium erkennt – bis zu 17 Jahre im Voraus. Das erhöht die Chancen, dem entgegenzuwirken.

Energie ist nicht nur Krise

2022 war auch das Jahr der regenerativen Energien. Spätestens mit den Energiekrisen aus dem Ukrainekrieg sollte der letzte Ignorant verstanden haben, dass sie im Zweifel das beste sind. Und es passiert eine Menge. In Frankreich sorgt nun ein Gesetz dafür, dass große Parkplatzflächen mit Solarpanels bestückt werden. In Indien boomt der Solarsektor und bringt massive Einsparungen an Spritkosten. Und in einigen afrikanischen Ländern starten Sonne und Wind als Energielieferanten auch durch; gerade werden unbemerkt zwei Schritte in einem genommen. Und in Deutschland? Da entstehen Photovoltaikhäuser als Bürgerkraftwerke, da werden energiegewinnende Fenster gebaut, Hydropaneele erzeugen sauberes Trinkwasser und Körperwärme wird in Energie umgewandelt. Putin – ätsch!

Die Natur schlägt zurück

Aufforstung ist ein Muss, aber es geschieht auch. In Brasilien will der neu gewählte Präsident Lula den von seinem Vorgänger angetriebenen Raubbau an den Regenwäldern stoppen. In afrikanischen Ländern werden Wurzeln aus vertrockneten und vergessenen Bäumen erfolgreich wiederbelebt und in Schottland ist mittlerweile wieder so viel Wald wie vor 1000 Jahren. Dem „Great Barrier Reef“ vor Australien geht es besser. Korallenriffe sind weltweit vom Aussterben bedroht, wegen der erhöhten Temperaturen durch den Klimawandel. Doch vor Australien setzt sich gerade eine sehr schnell wachsende Korallenart durch und sorgt für Wachstum; leider ist sie besonderes anfällig für schädliche Umwelteinflüsse – die Notwendigkeit zum Gegensteuern bleibt.

Dem „Great Barrier Reef“ vor Australien geht es besser (Bild: Getty Images)
Dem „Great Barrier Reef“ vor Australien geht es besser (Bild: Getty Images)

Und in der Landwirtschaft sickert immer mehr ein, dass ökologisches Wirtschaften die Menschen ebenfalls ernährt, die Böden schont – und auch gut im Einklang mit Bäumen steht. Vernunft setzt sich durch.

Der Mensch ist nicht nur blöd

Es gibt auch Lösungen, die quer gehen. Im US-Bundesstaat Colorado zum Beispiel werden Gewinne aus dem Cannabisanbau versteuert – und die Erlöse fließen in die Hilfe für wohnungslos Menschen. Eine Uni in England gewährt ihnen den Zugang und dokumentiert die intellektuellen Fähigkeiten von jenen, die in unserer Gesellschaft als „ganz unten“ angekommen angesehen werden.

Die Dienste der Spielerinnen in der spanischen Fußballmannschaft stehen denen ihrer männlichen Kollegen in nichts nach. Sie alle: spielen. Klar, die Männer verdienen in ihren Vereinen ungleich mehr, aber wenigstens in der Nationalmannschaft wird jetzt durchregiert: Alle kriegen die gleichen Gehälter. Kann ja ein Vorbild auch für andere Länder sein.

Auch in Sachen Offenheit ging es im Jahr 2022 weiter. Leute, die diskriminierenden Erfahrungen machen, waren ermutigter, dies kenntlich zu machen. Es gab 2002 mehr Debatten darüber – und es zeigte, dass damit das Abendland nicht untergeht, im Gegenteil: Wir lernen alle hinzu und machen es besser. Barrierefreiheit wird immer mehr als Selbstverständlichkeit eingefordert, Equal Pay gilt nicht mehr exotisches Dingsbums, in der deutschen katholischen Kirche haben sich 125 Beschäftigte unter dem Hashtag „#outinchurch“ zusammengetan, sich geoutet und ihre Rechte als LGBTQ+ formuliert. Und übrigens, dieses Akronym wird auch immer alltäglicher. Eine Meldung schlussendlich aus NRW: Da dürfen jetzt Menschen Polizeibeamte werden, die kleiner als 1,63 Meter sind; für alle Legenden ist mal das Ende der Fahnenstange erreicht.

Und zuguterallerletzt in die Ukraine: Dass sich das Land erfolgreich gegen den Angriff aus Russland wehrt, ist wahrlich keine untergegangene Meldung. Aber hier ein Rausschmeißer, passend im Advent: Als in diesem März die Menschen in den ukrainischen Städten Luftschutzbunker aufsuchen mussten, war die Furcht groß. Und auch in diesen Tagen bombardieren russische Raketen und Drohnen die Zivilbevölkerung. Im März ging ein kurzes Video viral. Es zeigte ein kleines Mädchen, das „Let it go“ aus dem „Frozen“-Film sang. Als es damit anfing, wurde es still im Bunker:

In diesen Tagen wird wieder gefroren, in der Ukraine. Und da helfen auch keine Lieder. Oder doch?