Kommentar: Ein Sexkaufverbot allein wäre auch keine Lösung

Aus der CSU kommt die Forderung nach einem Kurswechsel beim Prostitutionsgesetz. Die Lage ist tatsächlich schlimm. Aber ein Verbot würde einzig nicht nur alle über einen Kamm scheren, sondern für noch mehr Dunkelheit sorgen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Frauen demonstrieren in Barcelona gegen ein Sexarbeitsverbot auf gewissen Plätzen der Stadt im Jahr 2021 (Bild: REUTERS/Albert Gea)
Frauen demonstrieren in Barcelona gegen ein Sexarbeitsverbot auf gewissen Plätzen der Stadt im Jahr 2021 (Bild: REUTERS/Albert Gea)

Eine Studie aus dem vergangenen Juni hat Handlungsbedarf aufgezeigt: Wie bisher Prostitution und Sexarbeit in Deutschland geregelt sind, hilft es Betroffenen nicht genügend. Als in den Nullerjahren dieses „älteste Gewerbe der Welt“ legalisiert wurde, sollten die darin Tätigen entkriminalisiert werden. Somit sollten sie auch dem Dunkelfeld entkommen, einem Netz aus Zuhältern und Freiern – also vielen Männern, die ausnutzen und Gewalt ausüben. Leider ist es anders gekommen.

Menschenhandel und Zwangsprostitution haben seitdem zugenommen, obwohl sie durch das Gesetz eingedämmt werden sollten. Das muss nicht nur am Dekret liegen. Auch die Liberalisierungen der Bewegungsfreiheit innerhalb der EU und die Einkommensgefälle der verschiedenen Mitgliedsländer werden dazu beigetragen haben; die meisten Frauen (und auch ein paar Männer), die ihr Einkommen durch Sex in Deutschland bestreiten, kommen aus anderen Ländern.

Da liegt der Gedanke nahe, dieses Gesetz zu ändern und ihm eine neue Stoßrichtung zu geben. „Die Situation von Prostituierten in Deutschland ist dramatisch“, sagte Dorothee Bär. „Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel: ein Sexkauf-Verbot in Deutschland“, so die Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag.

Papier allein bringt es nicht

Der Gedanke dahinter ist klar: Was nicht sein soll, soll nicht sein. Nicht die im Gewerbe arbeitenden Menschen sollen kriminalisiert werden, sondern ihre Kunden. Langfristig würde dies, so der Plan, zu einer Reduzierung führen, eben auch von Leid.

Da dieses Verfahren in Schweden praktiziert wird, nennt man es auch „nordisches Modell“. Doch die Erfahrungen damit sind gemischt.

Der Staat steht vor der schwierigen Aufgabe herauszufinden, wo Selbstbestimmtheit endet und wo Ausbeutung beginnt. Aber er schaut schon jetzt nicht richtig hin.

Denn Zwangsprostitution und Menschenhandel, schon jetzt im Grunde verboten, haben kein Problem, dann noch mehr ins Dunkel abzutauchen – wo die betroffenen Frauen noch mehr Zuhältern und Freiern ausgeliefert sind. Das bestehende Gesetz hat letzteren offensichtlich nicht genügend geschadet. Aber ein Abwandern in Gefilde, wo der Staat noch schlechter hinkommt, wäre auch keine Lösung.

Perspektiven sind immer noch Mangelware

Realistisch helfen könnte solch ein Sexkaufverbotsgesetz nur, wenn den Frauen, denen dadurch erstmal Kunden wegfallen könnten, Angebote gemacht würden; wir sprechen hier von zehntausenden Plätzen in Projekten, die ihnen helfen müssten: Beim Finden einer Unterkunft, einer Krankenversicherung, einer Unabhängigkeit, eben eines Neustarts. Ansonsten würde ein Verbotsgesetz die Betroffenen nur in ein Loch stoßen. All dies ist bisher aber nicht in Sicht.

Auch ist ungeklärt, was mit jenen geschehen soll, die selbstbewusst und unabhängig in diesem Gewerbe ihrer Arbeit nachgehen; sie gibt es durchaus. Wenn ihnen der Staat vorschreiben will, keine Sexarbeit zu leisten, wäre dies ein Eingriff in ihre Freiheitsrechte.

Es gibt also viel zu tun: Der Staat steht vor der schwierigen Aufgabe herauszufinden, wo Selbstbestimmtheit endet und wo Ausbeutung beginnt. Aber er schaut schon jetzt nicht richtig hin. Staatsanwaltschaften und Polizeien sind nicht genügend ausgerichtet und ausgerüstet, um gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution vorzugehen. Dafür bräuchte man kein Sexverbotsgesetz.

Letztlich ist klar: Es sollte nicht bleiben, wie es ist. Nur sind keine einfachen Lösungen in Sicht. Und die Problematik sollte endlich im Bewusstsein der Mitte ankommen. Man sollte auf jene hören, die davon leben, weniger über sie reden als mit ihnen. Das gilt für alle, die aus ihrer Unfreiheit herauswollen genauso wie für die, welche diese Arbeit in aller Freiheit tun.

Im Video: Gegen das Stigma: Berlins Sexarbeiterinnen gestalten Audioguide-App