Kommentar: Kramp-Karrenbauer trägt Rock und hält eine Hand – Bundeswehr geschockt!

Incoming German defense minister Annegret Kramp-Karrenbauer and outgoing minister and elected European Commission President Ursula von der Leyen attend a welcoming ceremony for a new minister at the Defense Ministry in Berlin, Germany, July 17, 2019. REUTERS/Hannibal Hanschke
Annegret Kramp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen beim Stabwechsel im Verteidigungsministerium mit militärischen Ehren (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)

Komische Worte fallen zur Amtseinführung der neuen Verteidigungsministerin. Frauen übernehmen Spitzenposten in Deutschland und Europa – aber über sie schreiben Männer zum Davonlaufen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Heute Morgen wäre mir die Krawatte in den Kaffee gerutscht, hätte ich eine getragen. Denn mich überfiel ein Tagtraum: Rudolf Scharping erschien mir, das ist der mit dem Pool, der als Verteidigungsminister 2002 baden ging. Ich träumte von der Berichterstattung seiner Amtseinführung. Da war dann ausführlich die Rede von seinem Zweireiher, von der Anzahl der Anzugsknöpfe und Farbe, wie er „Händchen“ haltend mit seinem Vorgänger die Formation abschreitet und die Korrespondenten sich darüber die Köpfe heiß reden, ob dieser Anzug auch truppentauglich sei, also fürs Abschreiten und so.

Dann erwachte ich aus meinem Tagtraum und dachte: Solch einen Bullshit schreiben Journalisten doch nicht. Aber nun schaute ich in den digitalen Blätterwald. Zum Glück trug ich keine Krawatte:

„Die beiden Frauen steigen aus der schwarzen Dienstkarosse, von der Leyen mit heller Jacke und dunkler Hose, Kramp-Karrenbauer mit hellem Rock und schwarzer Jacke. Das Musikkorps spielt die Nationalhymne“, heißt es im „Tagesspiegel“. Donnerlittchen, dachte ich mir, schreiten Männer solch eine Formation ab, ist nie die Rede von ihren Anzügen; dabei sind die so langweilig nicht, alles eine Frage des Stoffes und des Schnitts.

Bei „n-tv“ hieß der Titel zum entsprechen Filmchen „Stabwechsel mit militärischen Ehren - AKK und von der Leyen halten Händchen“, das klang drollig und sollte wohl auch sein. Ich erinnerte mich an Helmut Kohl und Francois Mitterand, wie sie 1984 in Verdun standen, Seite an Seite. Da hieß es übereinstimmend, sie seien „Hand in Hand“, oder gar kernig war von „Handschlag“ die Rede, obwohl sie ihre Hände nur hielten. Von „Händchen“ aber war nie die Rede. Vielleicht, weil es sich bei von der Leyen und Kramp-Karrenbauer in den Augen einiger Berichterstatter um „Frauchen“ handelt.

Wauwau, wauwau

Es ist schon bemerkenswert: Da zeigen gerade drei Frauen ihre Verantwortung in Deutschland und Europa, regieren als Kanzlerin, werden als Bundesverteidigungsministerin eingeführt oder als Präsidentin der EU-Kommission gewählt, sie verweisen die Männer in ihrer Partei ins Körbchen – und in den Medien ist die Rede von ihrer Kleidung, und auch der Diminutiv fehlt nicht, das ist eine Verkleinerungsform. Darum soll es wohl gehen.

Den Vogel abgeschossen hat dabei „Spiegel-Online“. In der „Morgen“-Rubrik meinte der diensthabende Redakteur um 06:31 Uhr die Frage in die Arena werfen zu müssen: „Was meinen Sie? Welche Rolle spielt Kleidung bei Politikerinnen - gerade an der Spitze der Verteidigungsministeriums?“ Ob „der“ oder „des“ lasse ich hier mal und verweise auf die frühe Uhrzeit. Der Redakteur aber begann eine Debatte, weil der Rock Kramp-Karrenbauers kniefrei war, was bei Röcken schon mal vorkommt, nur nicht bei den Amish People. Mulmig wurde ihm dabei schon, denn er schob nach: „Irgendwie kommt es mir komisch vor, überhaupt darüber zu diskutieren, weil es eine geschlechtsspezifische Diskussion zu sein scheint und wir lieber über Kompetenz als über Kleidung sprechen sollten.“

Hätte er sein Befinden nur gründlicher untersucht.

Natürlich ist das komisch. Schließlich würde man bei Männern gleich auf die Frage der Kompetenz kommen und nicht eine Kleidungsfrage erörtern. Aber der Kollege setzt unvermittelt fort: „Auf der anderen Seite würden wir das Thema vermutlich auch (und sogar intensiver) behandeln, wenn Friedrich Merz, Jens Spahn oder Peter Altmaier im kniefreien Rock aufgetreten wären (was für eine Vorstellung!). Insofern ist es hoffentlich doch keine sexistische Diskussion. Oder?“

Albtraum Rock

Doch. Ist es. Und dass es sich um eine sexistische Diskussion im Kreise so genannter Akademiker handelt, merkt man an den Argumenten, die bemüht werden; die sind zwar zum Kreischen, aber am Stammtisch macht man sich gar nicht erst Gedanken eine Begründung fürs Lästern zu finden. Also: Würden Merz, Spahn oder Altmaier im kniefreien Rock auftreten, und das außerhalb Schottlands, würden sie ein gewisses Aufsehen erregen. Nur: Es wäre halt ungewohnt. Dass Frauen kniefreie Röcke tragen, ist nicht ungewohnt. Das ist es nicht in Vorstandsetagen von Dax-Unternehmen (pardon, ich vergaß: da gibt es ja nur wenige Frauen), nicht in Parlamenten, auf der Straße, in der Oper und in der „Spiegel“-Redaktion wahrscheinlich auch nicht. Die Bundeswehr als Männerbastion soll es womöglich nicht ertragen können, von kniefreien Röcken abgeschritten zu werden? Gefickt eingeschädelt, würden die Comedians der Neunziger zu diesem Argumentchen sagen.

Doch es geht weiter. „Vielleicht könnte man aber auch einen Kompromiss finden und Ringelröcke zur neuen Uniform für alle Bundeswehrsoldat*innen machen. Das gäbe der Truppe im Kampfeinsatz möglicherweise einen ungeahnten psychologischen Vorteil“, heißt es bei „Spiegel-Online“ um 07:07 Uhr. Ich gestehe, von Mode nicht allzu viel zu verstehen, wie ein „Ringelrock“ aussieht, musste ich erstmal googlen. Da ich allerdings noch nie im Kampfeinsatz war, weiß ich nichts über psychologische Vorteile von Ringelröcken. Keine Ahnung, was die sich beim Spiegel morgens in den Tee tun.

Zum Glück ist morgen ein neuer Tag und Kramp-Karrenbauer längst am Regieren. Da zieh ich mir zum Kaffee bestimmt eine Krawatte an. Denn bei Bullshit gibt es klare Regeln: Er taucht zwar immer wieder auf. Aber nie an zwei Tagen hintereinander.