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Kommentar: Nach dem Erdbeben – was machen eigentlich Asad & Erdogan?

Die Nothilfe für Erdbebenopfer in Syrien läuft nur schleppend an. Das liegt am syrischen Dikatator Baschar al-Asad und auch am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Beide versuchen, das Chaos für ihre Zwecke zu nutzen. Sie sind Meister im Totentanz.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ein im syrischen Aleppo aus seinem Wohnhaus geflohener Mann wärmt sich nach dem Beben auf der Straße an einem Feuer (REUTERS/Firas Makdesi)
Ein im syrischen Aleppo aus seinem Wohnhaus geflohener Mann wärmt sich nach dem Beben auf der Straße an einem Feuer (REUTERS/Firas Makdesi)

Glück im Unglück hatten jene Bewohner in Nordwestsyrien, die als Geflüchtete eh schon seit Monaten in Zelten ausharren. Beim Erdbeben wurden sie nicht unter Haussteinen begraben. Doch in der Stadt Idlib starben viele Bürger – nur kommt Hilfe kaum an. Und im Nordosten Syriens, der auch vom Beben stark getroffen wurde, nutzt die Türkei das Chaos sogar für Luftangriffe. In einer Situation, die zum Weinen ist, wird langsam Platz für blanke Wut.

Wie kommt der Präsident eines Nato-Mitgliedlandes auf die Idee, den autonom verwalteten Nordosten Syriens anzugreifen? Wie kann es geschehen, dass ihm der „Westen“ dabei tatenlos zuschaut? Recep Tayyip Erdogans Kalkül ist, dass er im Schatten der Staubwolken des Bebens kurz entschlossen für weitere Erschütterungen sorgen sollte: Die Kurden dort leben selbstverwaltet, sie organisieren sich selbst, sind ein faszinierendes Beispiel für demokratische Selbstversuche, noch mit offenem Ausgang. Diese aber fürchtet Erdogan, denn jene Kurden, die in der Türkei leben, sollen sich in seinen Augen nicht zu viel einbilden und auf komische Ideen wie Demokratie kommen, auch nicht an kulturelle Autonomie und an ein Ende der Diskriminierung durch den türkischen Mainstream-Nationalismus denken.

Die selbst gewählten Versuche einer Eigenverwaltung der syrischen Kurden betrachtet Erdogan als eine Art Virus. Und zu seiner Bekämpfung geht er über Leichen.

Und im Nordwesten öffnet die Türkei nach wie vor nur einen Grenzübergang, um in die von Rebellen gegen das Damaszener Regime kontrollierten Gebiete Hilfe bringen zu lassen.

Bereicherung als Kontinuum

Währenddessen fordert Diktator Baschar al-Asad, dass sämtliche Nothilfe für die von ihm regierten Regionen nur durch seine Verwaltung laufen solle. Das kennt man von früher. So hat al-Asad schon in vorherigen Katastrophenfällen diese Hilfe kanalisieren lassen, damit sie nur eigene Günstlinge erreichte; nebenbei stopfte man sich im System Asad damit die Taschen voll.

Al-Assad will vom Erdbeben profitieren. Er beweist aufs Neue, warum man besser nicht von ihm regiert werden sollte. Und Erdogan dokumentiert seinen eigenen Zynismus. Er schafft es nicht, die Politik beiseitezuschieben und dafür zu sorgen, dass Menschen geholfen wird. Immer muss er ein Süppchen kochen. Doch was die Region jetzt braucht, ist Menschlichkeit.

Was war nochmal in Stockholm?

In der Rückschau wird die Farce nur noch größer. Da boykottiert Erdogan die Aufnahme Schwedens in die Nato mit dem Verweis auf die Verbrennung eines Koranexemplars vor der türkischen Botschaft in Stockholm. Sollten solche Vergehen über eine Mitgliedschaft entscheiden, könnte die Türkei keine weitere Sekunde in dieser Gemeinschaft verweilen; ihre Politik ist eine einzige Disqualifizierung dafür. Abgesehen davon, dass es Hinweise gibt, wie jener schwedisch-dänische Rechtsextremist seinen Feuerbudenzauber mit Hilfe russischer Hintermänner durchgezogen haben soll. Russland ist ein weiterer, unheilvoller Player in Syrien. Der Kreml stützt Assad. Bombardiert immer noch.

Dieses Erdbeben legt die Wunden autoritärer Herrschaft offen. Wo willkürliche Macht waltet, haben es die Menschen immer schlechter. Das Erdbeben potenziert ihr Leid. Warten wir auf die Antwort des Westens.

VIDEO: Erdbeben: Ausnahmezustand in zehn türkischen Provinzen