Kommentar: Sechs Gründe allein von heute, warum rechts sein echt nicht sexy ist

Machen schlechte Gedanken weniger schön? Schließlich dringt das Innere immer nach außen. So gesehen haben rechte Gedanken kaum eine Chance beim Beauty Contest. Egoismus, fehlendes Mitgefühl und Missgunst fallen einem da vor die Füße.

Björn Höcke, Thüringer AfD-Chef, bei einem Parteikongress im Juni in Riesa (Bild: REUTERS/Matthias Rietschel)
Björn Höcke, Thüringer AfD-Chef, bei einem Parteikongress im Juni in Riesa. (Bild: REUTERS/Matthias Rietschel)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die billigen Nummern haben mich nie überzeugt. Schließlich ist das Leben kompliziert, und einfache Lösungen funktionieren meist nicht. Interessanterweise kommen diese Lebensmeisterungsversuche sehr gehäuft von rechts. Sie scheitern, und in Mitleidenschaft ziehen sie oft Andere. Wie wäre es mit einer Bestandsaufnahme, und zwar mit aktuellen Ereignissen von heute?

1 Die Schande von Rostock-Lichtenhagen

Heute ging vor 30 Jahren zu Ende, was Medien noch in diesen Tagen "Ausschreitungen" nennen: In Rostock hatten Bürger ein Haus angegriffen, sie bewarfen es mit Molotowcocktails, die Polizei zog sich zurück. Und viele, viele Politiker äußerten Verständnis für diese auf die Straße gebrachte Kraft. Doch wer war in jenem Haus? Eine geheime Stasi-Zentrale? Treuhandmitarbeiter, die hinter der Hand Firmen verscherbelten? Oder gar eine Terrorbande wie der NSU? Nein, Geflüchtete und Familien von so genannten Vertragsarbeitern der DDR aus Vietnam. Was die mit dem Leben der Grölenden zu tun hatten, wird ein Geheimnis bleiben. Damals artikulierte sich eine große Unzufriedenheit, die sich allerdings einen Sündenbock suchte. Wie billig war das denn?

2 Der Mordfall Walter Lübcke

Heute urteilte der Bundesgerichtshof in der Revision rund um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Der wurde im Dunkeln von einem Faschisten erschossen, als er auf seiner Terrasse eine Zigarette rauchte. Zum Verhängnis war ihm ein Satz geworden, mit dem er die Aufnahme von Geflüchteten begründete: "Wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." Wer hat eine derartig dünne Decke, dass ihm sowas übel aufstößt? Bei der Revision ging es um die Rolle eines Mitangeklagten, der freigesprochen wurde – und ob dem verurteilten Mörder eine weitere Tat zugesprochen wird: Einem Menschen aus dem Irak wurde von einem Fahrradfahrer hinterrücks mit dem Messer in den Rücken gestochen – ekliger und feiger geht es kaum.

3 Björn Höckes Sommermärchen

Im so genannten Sommerinterview des "MDR" konnte Thüringens AfD-Chef Björn Höcke erstmal ordentlich losweinen. Ganz Mimimi, beklagte er sich, in den Medien "verzerrt" wiedergegeben zu werden. Er selbst aber kommentierte amtliche Zahlen als "Regierungszahlen" – um welche Art von Verzerrung handelt es sich hier? Und nimmt man ihm solch ein Zickzackmanöver ab? Dann übte sich Höcke gleich noch in Gleichmacherei. Ja, mit dem Angriff auf die Ukraine habe Russland "das Völkerrecht gebrochen", gab Höcke zu, fügte jedoch an: "genauso wie die USA in den letzten Jahrzehnten immer wieder". Habe er also die Wahl – zwischen dem einen "Völkerrechtsbrecher" oder dem anderen, dann würde er sich für die "saubere, sichere und billige" Energie Russlands entscheiden.

So viel Quatsch muss man erstmal hinkriegen. Zum einen muss man sich nicht für Völkerrechtsbrecher entscheiden, man kann sich gegen sie entscheiden. Und der letzte Angriffskrieg gegen einen Nachbarn, den die USA ähnlich mies von Zaune brachen wie nun Russland gegen die Ukraine, war zwischen 1846 und 1848 gegen Mexiko. Natürlich hat die US-Außenpolitik der vergangenen Jahre eine lausige Bilanz in Sachen Menschlichkeit – aber Wladimir Putin schiebt schon eine andere Nummer. Das nicht anzuerkennen, ist das mutwillige Tragen von Tomaten vor den Augen. Seit wann ist präsentierte Dummheit cool?

4 Erdogan als Vorbild?

In Deutschland hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Fanbase unter Leuten mit türkischer Familiengeschichte, aber ansonsten gilt er eher als Partycrasher. Ziemlich unverschämt kommt dieser "Sultan" daher. Besonders Rechte mögen ihn nicht, aber womöglich nur, weil er kein christlicher Arier ist. Erdogan macht indes gerade, was deutsche Rechte fordern: Er kauft mehr Öl und Gas vom Kreml. Denn die Moral geht ihn nichts an, das Hemd ist ihm näher als die Hose, und alle anderen sollen bleiben, wo sie sind. Es ist erbärmlicher Egoismus. Attraktivität jedenfalls sieht anders aus.

5 Ungarns prekärer Wetterdienst

In Budapest wurde die Leiterin des staatlichen Wetterdienstes gefeuert. Wegen Korruption? Oder schlechter Amtsführung? Nein, wegen eines vorhergesagten Gewitters, das dann doch nicht kam. Pech nur, dass zu diesem Zeitpunkt ein Feuerwerk zum Nationalfeiertag geplant gewesen war; es wurde abgesagt. Um die Freude rund ums Ballern gebracht, warfen rechte Medien den Meteorologen vor, das Spektakel durch "falsche Informationen" verhindert zu haben – das klingt nach dem Fakenews-Gelaber vom Fakenewsmeister Donald Trump. Also gab es in Ungarn ein Bauernopfer. Wie billig ist das denn? Und das im Bewusstsein, dass im Jahr 2006 bei solch einem Feuerwerk wegen eines Gewitters sechs Menschen starben und 300 verletzt wurden? Aber hey, erwischen tut es immer die anderen…

6 Der Luxus der Anderen

Apropos die Anderen: Im Netz häufen sich "Sichtungen" von angeblich luxuriösen Autos in Deutschland mit ukrainischem Kennzeichen. Das ist der Gipfel der Traurigkeit. Erstens gibt es für diese Subjektivitäten keine belastbaren "Regierungszahlen", wie Herr Höcke sagen würde. Und zum anderen sind die in den Sozialen Medien fotografierten Fahrzeuge oft alles andere als luxuriös. Auch selbst wenn: Dürfen Reiche nicht vor Krieg fliehen? Sollen sie ihre Gefährte in Panzer umrüsten? Solche Sichtungen können eigentlich nur von Neid und/oder Missgunst getrieben sein. Worum geht es da? Um die Relativierung von Kriegsleid? Um dann selbst ein großes Klagelied darüber anklingen, dass im deutschen Winter Frieren & Frust drohen würden?

Es ist alles klein. Rechte sollten sich überlegen, wie all diese Konzepte rüberkommen. Ganz höflich formuliert, taugen sie zum Vorbild kaum.

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