Kommentar: Seehofer und Maaßen sind zwei Problembären auf Abruf

Das Festhalten an Verfassungsschutzchef Maaßen (l.) könnte Seehofer zum Verhängnis werden (Bild: dpa)
Das Festhalten an Verfassungsschutzchef Maaßen (l.) könnte Seehofer zum Verhängnis werden (Bild: dpa)

Auf eine unsägliche Debatte soll der Deckel drauf: Der Bundesinnenminister und der Verfassungsschutzchef haben sich gründlich blamiert. Sollen sie ruhig durchatmen. Die große Krise kommt erst noch.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eine Meisterleistung lieferte der noch amtierende Chef des Bundesverfassungsschutzes zu Beginn dieser Woche ab. Am Wochenende noch stand Hans-Georg Maaßen als Hampelmann da, der zweifelte, wo es nichts zu zweifeln gab. Nun aber hat er seinen Dienstherrn, Bundesinnenminister Horst Seehofer, davon überzeugt ihn nicht sofort aus dem Amt zu entfernen. Zwar hält eigentlich nur Seehofer zu ihm, die Reihen lichteten sich in den vergangenen Tagen wie ein Blätterwald im Spätherbst – aber das reicht, bis Mitte Oktober.

Was war passiert? Maaßen meinte öffentlich seinen Eindruck mitteilen zu müssen, es habe sich bei den Ausschreitungen in Chemnitz um keine “Hetzjagd” gehandelt. Ferner zweifelte er die Echtheit eines Videos mit Jagdszenen an und vermutete gar eine gezielte Desinformation. Das war starker Tobak. Vor allem, weil Maaßen in allen Punkten falsch lag; das konnte er schon damals wissen.

Ein Sorry kommt nicht über die Lippen

Die mittlerweile veröffentlichten Polizeiprotokolle sprechen von der Wildheit der “Trauermärsche” in Chemnitz. Vielleicht verfügt der Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes über exklusive Informationen, musste man anfangs gutgläubig munkeln. Doch im Nachhinein präsentiert sich Maaßen als ein Chef, der seinen gesamten Nachrichtendienst düpierte: Natürlich ist das angezweifelte Video echt, es gibt immer mehr Berichte über die hässlichen Jagdszenen, und nur die AfD applaudiert Maaßen, weil er sagte, was sie hören will, auf das tatsächlich Geschehene kommt es nun nicht an.

Maaßen hätte sich entschuldigen können. Herausgekommen ist eine erbärmliche Vorstellung, die den letzten Rest Vertrauen in seine Verantwortungsfähigkeit in Bezug auf sein Amt pulverisierte. Man habe ihn falsch verstanden, soll er im Innenausschuss des Bundestages erklärt haben, oder was man dafür hält.

Maaßen klagte, er habe Desinformationen zu Chemnitz entgegenwirken wollen. Die Quelle des von ihm angezweifelten Videos, den Twitter-Account “Antifa Zeckenbiss”, erwähnte er häufig. In seinem Bericht steht nach Angaben von “Spiegel Online”: “Nicht der Präsident des BfV, sondern der Urheber des Videos hat zu belegen, dass mit dem Video ‘Hetzjagden’ in Chemnitz am 26. August 2018 dokumentiert werden.” Der Twitter-Account “Antifa Zeckenbiss” habe das Video absichtlich mit “Menschenjagd” überschrieben, das sei eine bewusste Falschinformation, um öffentliche Erregung hervorzurufen.

Tja. Nur ist da eine Menschenjagd auf dem Video zu sehen. Und auf anderen auch. Maaßens Begründungen lesen sich wie an Bodenhaftung verlorene, weil abgeschossene verbale Nebelkerzen eines Winkeladvokaten, der verzweifelt versucht sein Amt genauso zu retten wie seine Eitelkeit.
Hat er etwa mit seiner falschen Darstellung, seinen “Zweifeln” nicht selbst Spekulationen angefeuert? Nein, nur die Medien und seine politischen Gegner sind in Maaßens Weltbild schuld daran, wie sich die Debatte entwickelte.

Zwei Geschwächte stützen sich gegenseitig

Das ist billig. Der Problembär Maaßen wird nur deshalb vorübergehend seine Runden fortsetzen, weil ihn ein weiterer Problembär schützt. Seehofer ist in den vergangenen Monaten so vieles auf die Füße gefallen, dass ein Orthopäde verzweifeln würde. Sein letztes Bonmot von der Migration als “Mutter aller Probleme” hat den CSU-Parteichef derart geschwächt, dass er sich mit Maaßen nur mühsam in die nächste Runde rettet. Schmisse er Maaßen nun hinaus, wäre es ein Eingeständnis seines eigenen Scheiterns.

Dieses wird nun nur aufgeschoben. Mitte Oktober ist in Bayern Landtagswahl, und Ministerpräsident Markus Söder wird sich eine bessere Ausgangslage gewünscht haben. Interessanterweise macht er im aktuellen Wahlkampf alles richtig: Er gibt den Kümmerer, setzt bayerische Themen in den Vordergrund und hetzt nicht madig redend wie Seehofer über Migrationen, als gäbe es nichts anderes.

Bleibt Söder bei seinem Kurs, könnte die CSU weit besser abschneiden, als die derzeitigen Umfragen unken. Er würde dann mit einer Anti-Seehofer-Rhetorik punkten. Der darf sich schon darauf einstellen, entweder als Sündenbock für ein vergeigtes Wahlergebnis aus der Parteizentrale gejagt zu werden oder nach einer Rettung der amtierenden Rettung zum leisen Rücktritt gedrängt zu werden, weil man es “trotz ihm” gerade noch geschafft habe.

Seehofer galt einmal vielen, auch mir, als der Weisere, Erfahrenere, Vernünftigere und Sozialere als Söder. Das ist Vergangenheit. Seehofer könnte sich noch einmal selbst erfinden, das gelang ihm öfters. Tut er es nicht, ist sein Wirken in den aktuellen Ämtern bald Geschichte. Und Maaßen gleich mit.