Kommentar: T.C. Boyle, die Deutsche Bahn – und ein schlechter Witz

Ein berühmter amerikanischer Schriftsteller geht in Deutschland auf Lesereise – und wundert sich über die Verspätungen seiner Züge. Dann witzelt er. Und die Bahn witzelt zurück. Aber dies in einer Art, die man nicht einmal mehr Galgenhumor nennen kann.

T.C. Boyle macht sich über die Deutschen Bahn lustig.
T.C. Boyle macht sich über die Deutschen Bahn lustig. (Bild: Britta Pedersen/picture alliance via Getty Images)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Bahn braucht dringend einen Humor-Berater. Vielleicht sollte sie ihre Zugbegleiter konsultieren, die müssen ja den ganzen Verspätungsmist ausbaden und beweisen da zuweilen feine Witzigkeit. Letztens hörte ich bei der Ankunft im Endbahnhof die Lautsprecherdurchsage: "Sie werden es kaum glauben, aber wir sind pünktlich!" Eine Bekannte erzählte mir mal, eine andere Durchsage habe ironisch "Freibier!" gerufen.

Selbst Galgenhumor vergeht einem bei der Bahn

Es ist eben nicht witzig, mit den Serviceverfehlungen der Bahn zu leben. Allein gestern rief ich eine Frau an, sie war gerade dabei, in einen Zug zu steigen – irgendeine Regionalalternative für den eigentlichen Zug, der irgendwo steckengeblieben war. "Ich überlege jetzt, wie ich die Bahn möglichst hart verklagen kann", wetterte sie erst einmal, und: "Warum habe ich mein Auto verkauft?" Besonders wer pendelt, wie eine mir nahestehende Person, ist bei der Bahn verraten und verkauft. Selbst Galgenhumor vergeht einem da.

Die Bahn sollte darauf mit einem Büßergewand reagieren. Sie sollte Asche über ihr Haupt streuen. Sie sollte mit uns reden. Sie sollte aber nicht versuchen, verunglückt witzig zu werden, wie unlängst bei einem amerikanischen Schriftsteller.

T.C. Boyle ist eine Legende. Der 74-jährige US-Amerikaner hat über 100 Kurzgeschichten und 18 Romane geschrieben, ist eine Weltberühmtheit. Und er fährt mit der Bahn. Das ging nicht gut aus.

Tata!

Boyle postete ein Foto davon auf Twitter und schrieb, dass er während seiner Lesereise durch Deutschland drei Mal mit der Bahn gefahren sei, und alle drei Züge hätten Verspätung gehabt. "Ich vermute, sie werden von den Fluggesellschaften beraten." Das nennt man witzig.

Die Bahn ist auch auf Socialmedia unterwegs. Sie konterte auf Twitter: "Sehr geehrter Herr Boyle, wir tun alles, was wir können, um Ihnen genügend Zeit zum Schreiben zu geben." Das nennt man nicht witzig.

Die einen können in der Bahn arbeiten, die anderen nicht. Mich animiert es tatsächlich. Andere werden wahnsinnig, vor allem, weil die "Ruheabteile" in den ICE-Zügen alles andere als ruhig sind und das Personal sich nicht die Bohne dafür interessiert, wenn Mr. Wichtig lauthals seiner Sekretärin am Telefon Termine diktiert oder zwei Feierjohanns einträchtig ihre Bierchen leeren und die Mitreisenden mit ihrer Heiterkeit erfolglos anzustecken versuchen. Ruheabteil – das ist ein Witz.

Vielleicht doch ein Handbuch für Witze zu Weihnachten?

Nur möchte man am allerliebsten selbst entscheiden, wann und wo man arbeitet. Die Bahn ist dafür ein suboptimaler Ratgeber. Man nimmt sie in Kauf. Aber wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Zoten schmeißen. So kommt die Twitterreplik wie eine Grätsche daher, wie ein Tritt hinterher. Ironie, liebe Bahn, ist etwas für Opfer. Weniger für eure Leute bei Socialmedia. Und erst recht nicht, wenn diese auf jene zurückfällt, welche die Folgen dieses katastrophalen Verkehrsmanagements zu ertragen haben. T.C. Boyle nahm es mit Humor. Die Bahn versagte auch darin.