Kommentar: Wahlerfolge der AfD – Wenn Rechtsextremismus egal wird

Die Rechtspopulisten feiern im Westen einen Meilenstein: Bei den Landtagswahlen in Bayern und in Hessen erreicht die AfD stabile zweistellige Ergebnisse. Dass sie eine reine Ost-Partei wäre, kann niemand aufrechterhalten. Die Partei profitiert vor allem von zweierlei: von einer Denkzettelstimmung und von einem allgemeinen Werteverfall.

Alice Weidel von der AfD am vergangenen Sonntag bei der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse der hessischen Landtagswahl (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)
Alice Weidel von der AfD am vergangenen Sonntag bei der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse der hessischen Landtagswahl. (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Zurück aus Mallorca, bilanzierte AfD-Co-Chefin Alice Weidel die Wahlergebnisse in Bayern und Hessen mit einem stolzen "Wir sind auf dem richtigen Weg", das ganze wurde viral garniert mit dem Hashtag "#bereitfuermehr". Denn: 14,6 Prozent der abgegebenen Stimmen in Bayern und 18,4 Prozent in Hessen sind ein Pfund, im Bundesland am Rhein reichte es gar für den zweiten Platz.

Infografik: So hat Bayern seit 2003 gewählt | Statista
Infografik: So hat Bayern seit 2003 gewählt | Statista

Was Weidel mit dem richtigen Weg meinte, bleibt unklar. Vielleicht schwebt ihr eine Regierungsbeteiligung vor. Bei ihr bleibt nach wie vor der Eindruck, dass sie ihre Sprüche rein zur Erregungserregung raushaut, wissend, dass es funktioniert. Andere in der Partei schielen weniger auf Wahlzahlen, sondern haben mit dem Gedanken an den "Weg" mehr im Kopf, nämlich eine Veränderung der Gesellschaft, den Umbau des politischen Systems; Faschisten, wie sie es in der AfD natürlich gibt, mögen letztendlich keine Demokratie.

Deutschland rückt nach rechts, zumindest in den Wahlergebnissen. Nun tritt ein, was sich AfD-Funktionäre im September 2022 wünschten, sie sprachen miteinander auf dem Podium am Rande einer Veranstaltung – nicht wissend, dass ein Mikro an war. "Deshalb braucht es einen weißen Winter hier. Es wird so dramatisch werden", sagte der eine. Und ein anderer dazu: "Man muss sagen hoffentlich. Wenn es nicht dramatisch genug wird, geht es so weiter wie immer."

HESSEN - Ergebnisse aktuelle Wahl: Stimmenanteile, Gewinn/Verlust und Sitzverteilung. (Grafik: J. Reschke, Redaktion: J. Schneider, Hochrechnung)
HESSEN - Ergebnisse aktuelle Wahl: Stimmenanteile, Gewinn/Verlust und Sitzverteilung. (Grafik: J. Reschke, Redaktion: J. Schneider, Hochrechnung)

Wo geht's bitte zur Krise?

Abgesehen von solch einem unpatriotischen Verhalten, mit dem sich diese AfD-Kader für Deutschland Schlechtes wünschten, scheint es für genügend Wähler nun dramatisch genug geworden zu sein. Die AfD hoffte im September 2022 auf einen harten Winter, damit die Energiepreise die Menschen derart treffen, dass sie der AfD zulaufen; überflüssig zu sagen, dass die Vorschläge der Partei zur Lösung der damaligen Energiekrise (Gas aus Russland fordern) kaum praxistauglich waren. Aber die AfD macht halt Politik für die Empörungsgalerie.

Die Energiepreise vom Herbst 2022 sind die Migrationsdebatten von heute. Und die Inflation. Der Stresstalk innerhalb der Bundesregierung. Jede Menge Ungemach. Denn die ersten Wahlanalysen zeigen, dass die AfD stark von sogenannten Denkzettelwählern profitierte. Diese wollten es den Regierenden zeigen. Was sie sich von der AfD konkret wünschen, wäre eine interessante Frage. Immer nur "dagegen" bringt ja auch keine Butter auf den Tisch.

Auswege wären nicht schlecht

Auf jeden Fall herrscht in Deutschland eine allgemeine Krisenstimmung. Man befürchtet Abstiege. Die AfD verspricht, am vehementesten gegen Migration vorzugehen und den Klimawandel als Gespinst gekleidet weg zu meditieren. Und die Ampel-Koalition schafft es nicht, auf ihre Erfolge hinzuweisen – sie verbreitet nicht die Zuversicht, nach der sich die Wähler sehnen; währenddessen spricht die AfD "die richtigen Themen" an, wie Umfragen ergeben. Dann ist es den Wählern offensichtlich egal, wie rechtsextrem die Partei ist. Das ist der Werteverfall.

Man könnte sich jetzt zurücklehnen und sagen: "Lass die doch mal machen. Lass sie ihr Programm umsetzen. Ihre Wähler werden sich flugs von ihr absetzen." Das ist Prophetie, wenn auch auf Grund der schwachen AfD-Programmatik nicht unrealistisch. Auf dem Weg dorthin geht aber eine Menge Porzellan im Deutschlandschrank kaputt. Schon jetzt macht sich unter Anhängern eine Toleranz bis Zuneigung für autoritäre Gewaltherrscher wie Wladimir Putin breit, eine Feindschaft gegen Juden, ein Rassismus gegen Eingewanderte. Auch eine Lust nach dem Tritt nach unten.

Je weniger Sorgen sich die Deutschen um ihre Zukunft machen, desto weniger werden sie die AfD wählen. Nun haben die anderen Parteien einen Auftrag. Sie müssen genau prüfen, wie begründet und unbegründet diese Sorgen sind. Bei den ersteren heißt es die nötigen Stellschrauben zu drehen. Und sie sollten bei Themen einer "äußeren Gefahr" nicht den Sprech der AfD übernehmen. Das kann die im Zweifel besser. Dann wird sich zeigen, ob die Erfolge der AfD vom vergangenen Sonntag eine Momentaufnahme bleiben oder ein Auftakt werden.