Kommentar: Warum die Bundesregierung keine Leoparden mag

Das Kanzleramt sträubt sich nach wie vor bei der Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine – dabei fordert das von ihm die halbe Welt. Die Motive für den Stillstand sind nicht klar. Da regt sich ein Verdacht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Kanzler Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Oktober vor einem Leopard-2-Kampfpanzer in Bergen (Bild: REUTERS/Fabian Bimmer)
Kanzler Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Oktober vor einem Leopard-2-Kampfpanzer in Bergen (Bild: REUTERS/Fabian Bimmer)

Von diesen Waffendebatten kann man müde werden. Aber wir sind auch nicht unmittelbar betroffen. Sollte es darum gehen, ob ein bestimmter Panzer dafür sorgen könnte, dass meine Küche heil bleibt – ich bin mir sicher, wir wären alle Panzerexperten.

Und trotz dieser Sättigung kommt der Eindruck hoch, Deutschland diskutiere gerade nur über ein Thema: ob nun Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 der Ukraine gegeben werden sollen oder nicht. Dieser ganze Diskursaufwand liegt schlicht daran, dass nichts geschieht. Die SPD in der Ampel mauert, während Grüne, FDP und die oppositionelle Union dafür sind. Gefühlt sind viele dafür, vor allem unsere befreundeten Nachbarstaaten. Weil aber der Leopard 2 deutscher Produktion ist, muss die Bundesregierung selbst dann zusagen, wenn eines dieser Länder ihre Panzer an die Ukraine abgeben will.

Was vor allem verwirrt: Die Position des Kanzleramtes, also der SPD, ist schwer zu verstehen. Zuerst hieß es, man liefere diese Panzer nur gemeinsam mit den USA. Dann kamen Signale aus dem Weißen Haus, man wünsche sich dieses Go aus Berlin. Und schließlich passiert ist noch nichts. Man prüfe, heißt es. Währenddessen wird von anderen gedrängelt.

Jetzt wird es schick

Folgt man den Worten von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, so sorgt er sich bei einen Einsatz der Leoparde um eine Eskalation des Krieges bis hin nach Deutschland. Gerade mit der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) liefert er sich Scharmützel. "Frau Strack-Zimmermann und andere reden uns in eine militärische Auseinandersetzung hinein", sagte er der „dpa“. „Dieselben, die heute Alleingänge mit schweren Kampfpanzern fordern, werden morgen nach Flugzeugen oder Truppen schreien.“ Und im Bundestag: „Eine Politik in Zeiten eines Krieges in Europa macht man nicht im Stil von Empörungsritualen oder mit Schnappatmung, sondern mit Klarheit und Vernunft.“

Heißt: Mützenich hält sich für einen Klaren und Vernünftigen, jedenfalls mit tiefem Atem. Das ist eines der schlechtesten Argumente, die man nur präsentieren kann. Will uns Mützenich von seiner Position mit der Begründung überzeugen, dass er angeblich besonders schlau sei? Warum lässt er ein Argument nicht selbst sprechen und schiebt stattdessen seine tolle Atemtechnik in den Vordergrund? Ich finde übrigens, ob des Angriffskrieges des Kremls kann man schon empört sein.

Ferner übt sich der SPD-Grande in Spekulationen, die selbst eine Eskalation in sich tragen. Wer jetzt den Leopard 2 fordert, „schreit“ nicht automatisch später nach Soldaten – dies ist eine Unterstellung. Und Mützenichs Prognose, Russland könnte eine „militärische Auseinandersetzung“ mit Deutschland beginnen, weil wir Kampfpanzer an die Ukraine liefern, kann nur auf Informationen fußen, die wir nicht haben. Und ich zweifele daran, dass er sie hat.

All diese Manöver versuchen ihn als einen Feingeist dastehen zu lassen, der Dinge sieht, die andere Grobiane nicht ausmachen; ein durchsichtiger Schritt, der womöglich nur verschleiern will, wie schief Mützenich in seiner Russlandpolitik der vergangenen Jahre gelegen hat. Der Herr hat eine Fehlerkultur zum Davonlaufen.

Die Gefahr bleibt

Jedenfalls ist keinerlei Grundlage erkennbar, warum Deutschland irgendeine Gefahr drohen sollte, gingen die Panzer an die Ukraine.

Und das Land braucht sie. Wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, dass die russischen Truppen irgendwie nicht weiterkommen, dass die ukrainischen irgendwie cleverer agierten – aber damit ist noch kein Ausgang vorhersehbar. Man sieht an der unmenschlichen Bombardierung von Infrastruktur, dass die russische Militärführung wenig Hemmungen hat, weiter bestialisch vorzugehen. Und es ist eine Frühlingsoffensive zu befürchten. Da würden die Leoparde einen echten Unterschied machen, das sagen alle Militärexperten.

Aber bei der SPD prüft man noch.

Sollte es der SPD-Führung darum gehen, die vielen Mützeniche nicht zu verprellen, dann ist es um die Sozialdemokraten schlecht bestellt. Dann sollten sie ihren Führungsanspruch abgeben und sich in der Opposition toll finden. Verantwortung jedenfalls sieht anders aus.

In diesen Wochen gibt es mal wieder ein Momentum. Die angegriffene Ukraine braucht Hilfe, und zwar tatkräftige. Die können wir geben, denn um die Zustände unserer Küchenwände brauchen wir uns nicht zu sorgen.

Im Video: Baerbock: Deutschland wird Leopard-Lieferungen anderer Länder nicht blockieren