Kommentar: Wetterchaos El Niño, Tote in Italien – und wir reden über Politikgehälter

Ein Bild aus der letzten El-Nino-Katastrophe: Kadaver von Ziegen im Somaliland, April 2016 - Opfer einer Dürre (Bild: REUTERS/Feisal Omar)
Ein Bild aus der letzten El-Nino-Katastrophe: Kadaver von Ziegen im Somaliland, April 2016 - Opfer einer Dürre (Bild: REUTERS/Feisal Omar)

Die Horrormeldungen zum Klimawandel häufen sich. Die aber nehmen wir achselzuckend zur Kenntnis. Viel lieber regen wir uns über Fehler von Politikern auf.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Dass es ungemütlich wird, hören wir alle Tage. Nun droht nicht allgemeines Frieren im Winter ob ausbleibenden Gases, sondern Schwitzen im Sommer: Das Wetterphänomen El Niño macht sich breit. Man könnte jetzt sagen, so ist es halt. Sich daran gewöhnen ist die halbe Miete. Andererseits könnten gewisse Lehren gezogen werden, aber dafür sind wir zu kommod eingerichtet.

Nun also die Meldungen dieser Tage: El Niño soll über uns kommen, in Italien treten Flüsse über die Ufer – und in Deutschland meckert man über einen abgetretenen Staatssekretär. Was wiegt wichtiger? Die Aufmerksamkeit jedenfalls ist klar verteilt. Das „Christkind“, wie El Niño genannt wird, lässt uns gerade eher kalt. So nannten peruanische Fischer ein Klimaphänomen, das in unregelmäßigen Abständen alle paar Jahre im Pazifik auftritt und dessen Auswirkungen in der Region meist in der Weihnachtszeit bemerkt wurden. Dabei verschieben sich durch veränderte Luft- und Meeresströmungen weltweit Wetterbedingungen. In weiten Gebieten Afrikas und Südamerikas wird mit mehr Überschwemmungen gerechnet, in Südostasien und Ostaustralien häufen sich dagegen Dürren und Waldbrände. Für den Spätsommer 2023 sagt nun die Weltwetterorganisation (WMO) voraus: El Niño wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent zurückkehren – mit verheerenden Folgen. Die globalen Kosten werden laut einem Artikel im Fachmagazin „Science“ auf 5,3 Billionen Euro geschätzt.

Alle Jahre wieder

Ganz klar: Mit dem Klimawandel an sich hat El Niño nichts zu tun. Dieses Wetterchaos gab es schon früher und unabhängig von den menschlichen Eingriffen ins Klima mit ihren wandelhaften Folgen. Aber was El Niño auslöst, verstärkt noch einmal die miesen Konsequenzen des Klimawandels. Viel dagegen lässt sich nicht tun, aber man könnte sich besser anpassen, wie beim Klimawandel. Die Staaten rund um den Globus tun hingegen so, als wäre El Niño tatsächlich das Christkind, auf das man nur zu warten braucht.

Sicherlich viel mehr mit dem Klimawandel zu tun haben die Wetterkatastrophen in Italien. Im Norden und in der Mitte ist eine sehr lange Trockenperiode zu Ende gegangen, begleitet von Sturzregen. Diese beiden Extreme sind exemplarisch für den Klimawandel. Menschen sind in den Fluten gestorben, weil einige Flüsse vom Menschen derart zugerichtet worden sind, dass sie ihres natürlichen Zustands beraubt mehr Rutschbahnen ähneln, wenn das Wetter extrem wird. Die italienischen Behörden versäumen es bis heute, ausreichend Prävention zu schaffen. Die Fluten kommen und gehen, wie das Christkind.

Eigentlich sollten diese beiden Meldungen alarmieren, Sondersendungen im Fernsehen zur Folge haben. Stattdessen findet Anderes die allgemeine Aufmerksamkeit.

Patrick Graichen, eine Art mächtiger Mann im Bundeswirtschaftsministerim, musste seinen Hut nehmen. Er fiel über sein Laster, einer gewissen Hybris nachzugehen: Seinem Trauzeugen-Buddy verhalf er zu einem Spitzenjob, ohne das kenntlich zu machen. Und der Naturschutzorganisation BUND nickte er einen Auftrag für eine Studie zu, obwohl seine Schwester dort im Vorstand saß. Transparenz war nicht wirklich seine Freundin. Daher ist es folgerichtig, den Stab über seine politischen Verantwortlichkeiten zu brechen. Auch ist das Ende der Fahnenstange einer eingehenden Aufklärung noch nicht erreicht: Bisher sind nur zwei Vergehen bekannt, weiteres Wissen könnte folgen. Klar, dass darüber berichtet und erregt wird, alles zu Recht. Nur erhielt dieser Skandal sofort eine Aufmerksamkeit, die etwas übermäßig geriet.

Ablenkung ist ein naives Manöver

Endlich, so mein Eindruck, konnte man es den Grünen heimzahlen, diesen gern als Sauberleute auftretenden Moral-Vertretern zeigen, dass auch sie nur menschlich und daher fehlbar sind. Okay, eine Überraschung war dies nicht, schließlich sind die Grünen eine etablierte Partei, da herrscht stets eine theoretische Sumpfgefahr. Und man kann nicht sagen, dass die obersten Dienstherren, auch Grüne, nicht entsprechend notwendige Konsequenzen gezogen haben – Graichen ist in den Ruhestand versetzt worden. Aber das Theater um den angeblichen „Clan“, der keiner ist, und über das „viele“ Geld, das er nun noch beziehe, ist überzogen.

Vielleicht ist es unser schlechtes Gewissen, das uns derart über Graichens Buddywirtschaft aufregen lässt. Das kostet uns ja nichts. Konsequenzen aus dem Klimawandel, der durch El Niño noch schlimmer über uns kommt, wären da schon anstrengender. Also: Boxen für Eiswürfel kaufen, auch einen Sonnenschirm für den Balkon – und dann ab ins Schwitzen.