Kommentar: Wie Viktor Orbán die Ukraine verhökern will

Ungarns Ministerpräsident legt eine irre Deutschlandreise hin und beweist aufs Neue: Viktor Orbán schadet, sobald er den Mund aufmacht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

War auf Berlinbesuch: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (links) mit Kanzler Olaf Scholz am vergangenen Montag im Kanzleramt (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)
War auf Berlinbesuch: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (links) mit Kanzler Olaf Scholz am vergangenen Montag im Kanzleramt (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)

Zu den für den ungarischen Ministerpräsidenten wichtigen Treffen bei seiner Deutschland-Visite gehörte ein Trip zum Stadion von Union Berlin. Viktor Orbán wollte: ein Foto. „Besuch beim Tabellenführer“ schrieb er darunter und verbreitete seine Aufnahme mit dem ungarischen Nationalspieler Andras Schäfer; so funktionieren die Versuche von Politikern, die durch Anwanzen an Positivgestalten einer Positivbranche wie Sport und insbesondere Fußball hoffen, von deren Glanz ein wenig zu erhaschen. Eine billige Nummer. Aber Orbán hat davon einige im Repertoire.

Was er sagte, war wieder einmal hanebüchen. Orbán ist immer stark an Worten, wenn er im zweiten Konjunktiv spricht. Zum Beispiel, dass es bei einer Kanzlerin Angela Merkel nicht zum Ukrainekrieg gekommen wäre – warum? Die Begründung: Sie habe bei der Krimkrise 2014 eine gute Figur gemacht. Kann man so sehen. Aber 2014 und 2022 sind Unterschiede, zwischen die ein paar Fußballstadien passen.

Der weitere Klopper: Donald Trump pries Orbán als Hoffnung für den Frieden. Wieso das denn? Weil der gut mit Potentaten kuscheln könne? Mal ganz davon abgesehen, dass Trump vom Kopf bis Fuß eine indiskutable Gestalt ist – auch seine außenpolitische Bilanz findet kein gutes Urteil.

Unmoral und Zynismus als Wegmarken

Dann aber nahm sich Orbán die Ukraine vor. Er warb dafür, dass Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine zwischen den USA und Russland entschieden werden müsse. Die Ukraine sollte nicht einmal am Verhandlungstisch sitzen. „Wer denkt, dass dieser Krieg durch russisch-ukrainische Verhandlungen abgeschlossen wird, der lebt nicht auf dieser Welt. Die Machtrealität ist anders.“ Die Ukraine könne ihren Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren nur führen, weil sie von den USA militärisch unterstützt werde. „Deswegen müssen sich die Amerikaner mit den Russen einigen. Und dann ist der Krieg zu Ende."

Orbán tut so, als sei der Krieg in der Ukraine einer dieser Stellvertreterkriege aus dem 20. Jahrhundert, bei denen die USA und die UdSSR Regime hin und her schoben. Das ist heute nun wirklich nicht der Fall, denn es handelt sich um eine einseitige Staatsentscheidung zur Expansion. Natürlich wehrt sich die Ukraine nur deshalb erfolgreich gegen die Besetzung durch Russland, weil die freien Länder, Amerika voran, ihr militärisch helfen. Das aber reduziert die Ukrainer nicht zu Marionetten.

Orbán macht auf Realisten, der er nicht ist. Und er kann vieles für andere fordern, wenn er selbst keine Verantwortung zu tragen hat; den Ukrainern macht er ohne mit der Wimper zu zucken Vorschläge zum Verhökern ihres eigenen Schicksals. Wie man es halt als Putin-Freund macht. Seit Monaten lügt Orbán herum, indem er die russischen Märchen einer angeblichen Provokation aus dem Westen nachplappert, Verständnis für die russische Seele aufbringt und sich gegen Sanktionen ausspricht.

Eine Krämerseele in der Politik

All dies tut er nur, weil er sich davon etwas verspricht. Orbán erhofft sich Geld, Macht und Einfluss, wenn er gegenüber Russland anders auftritt als die anderen freien Länder. Er ist ein Kaufmann. Vom Westen, von der EU, nimmt er, was er kriegen kann. Doch nur einmal Kasse machen reicht ihm nicht. Er will doppelt absahnen, aber doppelte Buchführung interessiert ihn nicht, daher nagt seine Partei an der ungarischen Demokratie und höhlt sie aus. Eigentlich ist Ungarn unter Orbán für Europa schon verloren.

Das Einzige, das Orbán beeindruckt, ist Geld. Er und seine Partei haben sich ein Land unter den Nagel gerissen und verwalten seine Pfründe. Also muss er dort getroffen werden. Die EU sollte ihn für sein unrechtsstaatliches Verhalten strafen, wo es geht. Ein guter Mensch wird Orbán in diesem Leben womöglich nicht mehr. Aber er könnte ja bescheidener werden in seinen negativen Zielen.

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